Vortrag in Bad Neuenahr So sieht ein Bonner Professor die Zukunft Europas

BAD NEUENAHR · Der Bonner Universitätsprofessor Thomas Ebers glaubt, dass Europa trotz aller Zerrissenheit eine Zukunft hat. Ebers hat in der Seniorenresidenz Augustinum in Bad Neuenahr über die Entwicklung und Perspektiven des Kontinents referiert.

 Der Bonner Universitätsprofessor Thomas Ebers glaubt, dass Europa trotz aller Zerrissenheit eine Zukunft hat.

Der Bonner Universitätsprofessor Thomas Ebers glaubt, dass Europa trotz aller Zerrissenheit eine Zukunft hat.

Foto: Martin Gausmann

Ist Europa mit seiner Geistesgeschichte in der Welt von heute überhaupt noch von Bedeutung? Ist zu befürchten, dass Europa und seine Ideen keine hinreichende Beachtung mehr finden? Der Philosoph und Soziologe Thomas Ebers (Uni Bonn) zeigte im Augustinum auf, dass Europa seiner Meinung nach sehr wohl eine Zukunft hat.

Je stärker die ideologischen Angriffe – zunehmend auch von innen – auf Europas Wertesystem ausfallen, desto mehr dürfte es gelten, seine Errungenschaften zu überprüfen und zu verteidigen: Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft. Ebers warf so einen Blick zurück auf Europa als kulturgeschichtliches wie politisches Gebilde und zugleich einen Blick auf die Aktualität seiner geistesgeschichtlichen Säulen.

Zweifellos hat Europas Bedeutung in der Welt stark abgenommen. Sein Anteil an der Weltbevölkerung beträgt nur noch knapp zehn Prozent, bei der Wirtschaftskraft gibt es beim „Weltinlandsprodukt“ einen Rücklauf von 38 Prozent in 1970 auf 26 Prozent in 2015. Ebers: „Es gibt Neu- und Umorientierungen in der Welt.“

Und es gibt vor allem ein zunehmendes Desinteresse an Europa, was alleine bei den Europawahlen und deren Wahlbeteiligungen deutlich werden mag. Ebers sprach daher von einer „skeptischen Haltung in der Europabetrachtung“. Zumal ohnehin die Frage geklärt werden muss, was „Europa“ überhaupt ist. Sind es die 47 im Europarat zusammengefassten 47 Mitgliedsländer, die (noch) 28 Mitgliedsstaaten der EU, die 19 Staaten der Eurozone?

Ebers definierte Europa trotz Prägung durch das Christentum und durchaus starker Strömungen beispielsweise durch den Islam als „einheitlichen Kulturraum“, der seine Wurzeln vor allem in der geistigen und sozialen Reformbewegung der Aufklärung sehe. Motto: „Vernunft und Selberdenken geht vor Obrigkeit.“ Die Grundhaltungen der Aufklärung wie „Glückwürdigkeit“, Ehrfurcht, Demut, Bildung oder Toleranz, das Hoffen auf Fortschritt gäben Europa eine Identität. Allerdings: Auch die Aufklärung konnte den Ersten und Zweiten Weltkrieg, Nazi-Terror und Holocaust nicht verhindern.

Europa, so der Bonner Universitätsprofessor, sei ein „historisch gewachsenes Friedensprojekt“, ein Gemeinschaftsprojekt, ein anti-nationalistisches Projekt. Es sei kein Projekt der Gleichmacherei, sondern eines, das Lösungen finden müsse. „Nationale Egoismen werden Europa nicht weiterbringen“, sagte Ebers. „Europa ist das einzige Gebilde, das auf der Grundlage der Aufklärung ein zwischenstaatliches Zusammenleben möglich macht“, meinte er abschließend. Dass man in Europa unterschiedlich aufgestellt sei, bezeichnete Ebers als „Stärke“.

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