Vortrag in Bad Neuenahr So können Betriebe für Azubis interessant bleiben

Bad Neuenahr · Michael Hanschmidt hat in einem Vortrag in Bad Neuenahr darüber gesprochen, wie junge Menschen lange ans Unternehmen gebunden werden können.

 Auch das Gastronomiegewerbe im Kreis sucht händeringend nach Nachwuchs.

Auch das Gastronomiegewerbe im Kreis sucht händeringend nach Nachwuchs.

Foto: Martin Gausmann

Mit seinem Impulsvortrag "Neue Kompetenzen für Betriebe und Ausbilder: Wie ich junge Menschen durch veränderte Ausbildung langfristig an den Betrieb binde" wollte Michael Hanschmidt "Bewegung im Kopf" auslösen. Dafür nahm er als Pilot am Dienstagmorgen in der "Ahrtal-Residenz" die gut 40 Teilnehmer des zweiten Unternehmerfrühstücks der Kreiswirtschaftsförderung mit auf eine Raumschiffreise zu sechs Planeten. Und als sie von "Rationalia" mit viel Struktur, "Anasch", dem Paradies der Freiheit oder "Diktus" mit einem König als Alleinherrscher gedanklich zurückkehrten, war eines im übertragenen Sinne klar: 100 Prozent Überstimmung in Sachen Traumberuf und perfektem Auszubildenden gibt es nicht. "Es gibt keine Entscheidung ohne Risiko und man muss sich auch trauen zu springen, wenn Vorstellung und Realität nicht total übereinstimmen", so Hanschmidt.

Der Geschäftsführer des "Büros für Zukunft" in Köln beschäftigt sich intensiv mit der Führung nachfolgender Generationen und dem Übergang von Schule zu Beruf. Als Mitveranstalter des "Ausbildungstages Ahrweiler", der diesmal am 3. September für Schüler der Abschlussklassen im Dorint Parkhotel Bad Neuenahr stattfindet, ist er für die vorbereitenden Schulworkshops verantwortlich. Er bedient demnach auch im Kreis Ahrweiler das Dreieck zwischen Lehrern, Schülern und Betrieben. "Von 2009 bis heute hat sich die Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze in Deutschland verdreifacht", machte bei der Begrüßung Wirtschaftsförderer Tino Hackenbruch die Problematik deutlich. In der Tat sei es schwer, unter 348 Berufen den richtigen zu finden und zu erkennen, ob die eigene Stärke im handwerklichen, technischen oder kaufmännischen Bereich liegt. Während seiner Ausführungen sprach Hanschmidt als Profi in Sachen Berufswahlvorbereitung von "nachbeeltern" in den Betrieben, auch davon, dass junge Leute ihre Wertigkeiten heute anders setzen als die Generation zuvor: "Aber so wie sie sind, wertneutral unreif, ist das auch das Produkt unserer Erziehung. Wenn sie uns nur über den Beruf motzen hören, wieso sollten sie motiviert sein?"

"Ich habe keinen Zauberstab und kann Sie im Umgang mit schwierigen Lehrlingen nicht von Ihren Nöten heilen, aber Denkanstöße geben", so Hanschmidt. Dabei halfen ihm drei Handpuppen: Die Schildkröte, die in der Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann nur einen Misserfolg einfahren kann, "weil sie einem Bild des Berufes gefolgt ist". Das perfektionistische Krokodil, das nur gute Noten kennt, Angst vorm Scheitern hat und unsicher wird, weil es das noch nie erlebt hat. Und Dolly als Schaf und Wolf in einem: "Im Team soll sie gutmütig, beim Kunden bissig sein. Das kann nur zu Enttäuschungen führen."

Fakt sei, dass Aufmerksamkeit die Komplementärwährung des 21. Jahrhunderts sei. "'Gesehen werden', Individualität besitzen, Glück und Spaß als Grundrecht definieren, das ist ebenso Realität wie die stärkere Mischkalkulation zwischen privaten und beruflichen Zielen. Wir haben früher, wenn uns was nicht gepasst hat, eine Faust in der Tasche gemacht, heute verlassen die jungen Leute den Betrieb. Ihre Motivation muss stets erneuert werden. 'Ausbildung 2018' ist eine Beziehungsgeschichte, die maßgeblich von Haltung und Bindung getragen wird." Attraktiv bleibe der Betrieb, der authentisch ist, in dem man gemeinsame Geschichten erlebt, die es wert sind, erzählt zu werden.

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