Vortrag in Ahrweiler Neue Rebstock-Opferzahlen

AHRWEILER · In einem Vortrag im Ahrweiler AhrWeinForum berichtete der Bad Breisiger Historiker Wolfgang Gückelhorn über das KZ-Außenlager. Zuvor hatte er neue Quellen ausgewertet.

Wohl kein Zweiter hat sich in den letzten Jahren mit dem Außenlager Rebstock des Konzentrationslagers (KZ) Buchenwald in Marienthal so intensiv beschäftigt wie der Bad Breisiger Militärhistoriker Wolfgang Gückelhorn. Jetzt legte er im Ahrweiler AhrWeinForum neue Opferzahlen des in den Jahren 1943 und 1944 bestehenden Lagers vor. Gückelhorn hatte dazu in den vergangenen zwölf Monaten neue Quellen studiert und Fehler in bisher für die Feststellung der Zahlen zugrunde liegenden Studien gefunden.

Zwei Beispiele: Zum Bau von Baracken wurden am 21. August 1944 30 Häftlinge aus Buchenwald an die Ahr verlegt, wenige Tage später folgte angeblich noch einmal die gleiche Anzahl. „Auf den Listen standen aber die gleiche Namen, die bislang doppelt gezählt wurden“, so Gückelhorn.

Am 14. September ging ein Transport mit 200 Häftlingen in Buchenwald ab, auch sie galten bislang als Opfer in Marienthal. Dort waren sie aber nie angekommen, handschriftlich war ihre Rückkehr nach Buchenwald vier Tage nach dem Transportbeginn dokumentiert worden.

Vor rund 80 Gästen des Vortrags fasste der Historiker das Geschehen noch einmal zusammen: Im späten Frühjahr 1943 beschloss das Rüstungsministerium in Berlin, die Herstellung der Bodenanlagen für die V2 in nicht genutzte Eisenbahntunnel zwischen Ahrweiler und Rech zu verlegen. Zivile Firmen aus der Region mit rund 500 Arbeitskräften begannen, die Tunnel vorzubereiten.

168 Holländer nach Brück verschleppt

Zusätzlich wurden dann ab Herbst 1943 500 italienische Militärinternierte und 120 SS-Frontarbeiter von der Luftwaffenliegenschaft Brück täglich zum Tunnelausbau nach Dernau und Marienthal gefahren. Die Arbeit des Rüstungsbetriebes Gollnow & Sohn wurde ab Herbst 1943 unter dem Decknamen Lager Rebstock aufgenommen.

Als Arbeitskräfte kamen zunächst Mitarbeiter von Gollnow & Sohn, Soldaten der V2-Truppe, nicht frontverwendungsfähige Soldaten und vom Arbeitsamt Ahrweiler zwangsverpflichtete Arbeitskräfte aus der Region zum Einsatz. Am 4. August 1944 wurden 168 Holländer aus dem Polizei-Durchgangslager Amersfoort nach Brück verschleppt, um die Zahl der Zwangsarbeiter zu erhöhen.

Am 18. August folgten weitere 199 Häftlinge aus Amersfoort. Schließlich wurden die Zwangsarbeiter aus Brück in drei große Baracken auf dem Bahndamm zwischen dem Sonderbergtunnel bei Dernau und dem Herrenbergtunnel bei Rech verlegt. Am 21. August 1944 kam besagtes Baukommando aus Buchenwald, um nördlich von Marienthal drei Baracken eines schon bestehenden Lagers für Häftlinge herzurichten. Es folgte am 8. September ein Kontingent von 183 Häftlingen aus Buchenwald.

Die nun 213 Buchenwald-Häftlinge wurden Produktionshelfer der Firma Gollnow & Sohn. Es gab ein weiteres Häftlingskontingent von 300 jüdischen Spezialisten, das am 2. September aus Tircelet/Nordlothringen in Dernau eintraf. In Tircelet war die Untertage-Montage der V1 geplant, konnte aber wegen des Vormarsches der Alliierten nicht mehr begonnen werden.

Verlegung wegen naher Eifelfront

Nunmehr sollten die Flügelbomben im Ahrtal montiert werden. Man gab diese Pläne jedoch auf und verlegte die 300 Häftlinge am 27. September in das KZ Mittelbau Dora. In Dernau hatten sie nur beim Tunnelausbau geholfen. Der Betrieb Lager Rebstock wurde dann wegen der nahen Eifelfront ab November beginnend mit Personal, Häftlingen und Maschinen nach Artern/Nordthüringen verlegt.

Es waren in der Summe 1500 Menschen auch acht Nationen, die gegen ihren Willen unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Bis heute gibt es keinerlei gerichtsverwertbare Beweise für Mord- oder Totschlagsdelikte.

Keinerlei Leichenteile wurden gefunden, obwohl es eine Menge von Zeitzeugen gab, die anderes aussagten. Da ist von Leichentransporten aus den Tunneln die Rede, die nahe der Baracken verscharrt wurden, von Erschießungen auf dem einstigen Dernauer Sportplatz oder aber auch von einem nach dem Krieg gefundenen Galgen.

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