An Rhein und Ahr Mehr Übergriffe auf Mitarbeiter der Kommunen

Bad Neuenahr · In den Rathäusern an Rhein und Ahr wird der Ton oftmals rauer, wenn Bürger ihre Anliegen vortragen. Das Anspruchsdenken und die Erwartungshaltungen einiger inzwischen schnell rabiat werdender Bürger haben sich in den vergangenen Jahren verändert.

 Rustikal geht es gelegentlich - wie in dieser nachgestellten Szene im Bad Neuenahrer Rathaus - zu.

Rustikal geht es gelegentlich - wie in dieser nachgestellten Szene im Bad Neuenahrer Rathaus - zu.

Foto: Gausmann

Politessen können ein Liedchen davon singen: Sobald sie ein Knöllchen an die Windschutzscheibe eines Falschparkers geheftet haben, dürfen sie sich hin und wieder auf heftige Verbalattacken gefasst machen. Jedenfalls dann, wenn der Verkehrssünder die Ordnungsamtsmitarbeiterin noch „zu packen“ bekommt. Auch in den Jobcentern oder Sozialämtern ist oft schnell Schluss mit lustig: Immer häufiger werden Mitarbeiter bedrängt und beschimpft. Der Ton in den Behörden ist rauer geworden.

Ob finanzielle Schieflage, schmerzhafte Trennung vom eigenen Kind, ob menschliche Not: Im Rathaus, im Jugend-, Sozial- und auch im Finanzamt oder in den Jobcentern treffen emotionale Extreme aufeinander. Nicht immer mag es da gelingen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Schließlich bleibt es nicht immer nur bei Beleidigungen und Pöbeleien. Manche Behördenbesucher spucken, schlagen und treten und lassen sich selbst von der alarmierten Polizei kaum bändigen. In einigen Stadthäusern gibt es bereits Deeskalationstrainings für die Mitarbeiter.

Die Komba – eine Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes – verfolgt die Zunahme von gewalttätigen Übergriffen und verbalen Attacken auf kommunales Personal bereits seit geraumer Zeit. Ob hieran der allgemeine gesellschaftliche Wertewandel schuld ist oder ob dies auch an der angespannten Personallage im öffentlichen Dienst und der damit einhergehenden Arbeitsverdichtung liegt, ist bisher allerdings nicht untersucht.

Aber nicht überall verzeichnet man Bürger-Terror. „Eine generelle Tendenz zur Verrohung lässt sich nicht erkennen, aber es bleiben jedoch unangenehme Zwischenfälle in Erinnerung. Vor Kurzem kam es in unserem Ordnungsamt zu einer Bedrohungssituation. Zwei Bürger einer Nachbarkommune konnten nur mit Hilfe der Polizei aus dem Rathaus entfernt werden. Nach dem sofort ausgesprochenen Hausverbot wurden weitere organisatorische Maßnahmen eingeleitet“, berichtet Wolfgang Stodden von der Verbandsgemeindeverwaltung Altenahr.

Bad Breisigs VG-Bürgermeister Bernd Weidenbach sagt: „Ich bin in der Vergangenheit weder häufiger noch weniger oft in einem rauen Ton angegangen worden.“ Persönliche Verunglimpfungen und Beleidigungen gehörten vielmehr seit Jahren zum „üblichen Repertoire“ im Umgang miteinander. Weidenbach bestätigt indes, dass im Rathaus der Ton in Einzelfällen „heftiger geworden ist“. Auch gebe es „allgemeine Drohungen und persönliche Bedrohungen“. Zunehmend würden Behördenentscheidungen in den sozialen Netzwerken diskutiert, was – so Weidenbach – „gut und normal ist“. Wenn aber einzelne Sachbearbeiter in den Fokus der aus der Anonymität des Netzes heraus gesteuerten Beschimpfungen gerieten, was wiederholt vorgekommen sei, dann stimme das nachdenklich.

Spannungsfelder habe es immer schon gegeben, so der Remagener Bürgermeister Herbert Georgi. „Ich finde, dass wir Verhaltensweisen, die ich schon 1979 bei meiner Ausbildung im Bonner Sozialamt erlebt habe, heute keine höhere Bedeutung beimessen sollten als früher.“ Für bestimmte Leistungen habe die Verwaltung nun mal ein Monopol – und das bedeute: Macht. „Damit einher geht die Ohnmacht des Hilfesuchenden, der vielleicht nicht das erhält, was er gerne gehabt hätte“, meint Georgi.

Das sei natürlich „nicht lustig“ für den Betroffenen. Aber auch nicht für den Verwaltungsmitarbeiter, der „häufig gerne mehr leisten würde, aber aufgrund der Gesetzeslage nicht darf“. Der Remagener Verwaltungschef räumt aber ein, dass Vorwürfe und Beschimpfungen, Beleidigungen und Unterstellungen beispielsweise in den Bereichen der Ordnungsverwaltung – insbesondere bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs – zum Tagesgeschäft gehörten. Georgi: „Den Betroffenen fehlt oft jedes Unrechtsbewusstsein.“ Auch gebe es eine merkwürdige Neigung zu Verschwörungstheorien: „Jetzt muss die Stadt mehr Verwarnungen ausstellen, um die Flüchtlinge zu finanzieren.“

Keine schlechten Erfahrungen hat man im Rathaus der Grafschaft gemacht. Zwar würden Verwaltungsmitarbeiter hin und wieder beschimpft – das aber habe es immer gegeben. Dieter Dismon: In den vergangenen 30 Jahren ist es lediglich zweimal zu einer körperlichen Attacke gegen einen Mitarbeiter gekommen.“

„Mangelnder Respekt, fehlender Anstand und schlechte Umgangsformen gegenüber Verwaltungsmitarbeitern kommen – leider – auch bei uns vor, auch wenn diese nicht an der Tagesordnung sind. In solchen Einzelfällen sind es vor allem Kollegen, die im Außendienst tätig sind oder Publikumsverkehr haben, die in diesen für sie stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren müssen“, berichtet Thomas Spitz aus dem Bad Neuenahrer Rathaus.

Verbale Ausfälle gebe es beim direkten Kontakt, etwa wenn kommunale Vollzugsbeamte oder Politessen „ihren Job machen“, aber auch bei Telefonaten, wenn sich beispielsweise Verkehrsteilnehmer über ein Bußgeld aufregen würden. Spitz: „Doch Beleidigungen sind kein Kavaliersdelikt. In der Vergangenheit hat dies für Bürger auch schon zu strafrechtlichen Konsequenzen geführt.“

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