Wirtschaftsförderer sind zufrieden Keine Sorgen trotz leer stehender Geschäfte im Kreis Ahrweiler

KREIS AHRWEILER · Wirtschaftsförderer an Rhein und Ahr sind mit der Einzelhandelssituation insgesamt zufrieden. Es gebe derzeit keine Alarmsignale.

Der Internethandel boomt, Innenstädte hingegen leeren sich. „Prognosen, wonach bis 2020 rund 50 000 Geschäften das Aus droht, sind nicht übertrieben“, warnt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Für den Branchenkenner steht fest: „Das eigentliche Drama wird sich in den Klein- und Mittelstädten abspielen.“ Vorläufer dieses Mehr-Akters sind in Remagen, Bad Breisig, Sinzig oder auch in der Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler nach deren Angaben so gut wie gar nicht spürbar.

Weder Arbeitslosigkeit noch Verschuldung, weder Kaufkraftverlust noch Wegzug sind Schuld daran, dass das Leben in den deutschen Innenstädten eher welkt als blüht. Vieles hängt von der Balance zwischen Zentrum und Stadtperipherie ab. Vielerorts ist die Gewichtung verschoben worden: Auf der grünen Wiese sind längst Subzentren entstanden, die zur Entwertung der Innenstädte beigetragen haben.

Verwaiste Ladenlokale fallen nicht immer gleich ins Auge, da sie gerne kaschiert werden. Mit Sch(l)aufenstern geht es gegen den Leerstand. Hübsche Bilder bilden die Deko, von der weder Handel, Wertschöpfung oder sonstige Produktivität ausgehen. Von Bad Breisig und Bad Neuenahr abgesehen, teilen alle befragten Städte an Rhein und Ahr jedoch mit, dass es so etwas bei ihnen nicht gebe.

Die Kreisstadt hat keine Sorgen, wenn es um den Einzelhandel geht. Die für eine Citybelebung wichtige Nahversorgung ist in der Stadt an der Ahr bestens gewährleistet: Ob Aldi, Lidl, Penny, Netto, Rewe, Edeka oder Kaisers – fast alle Geschäfte sind in der Kurstadt fußläufig zu erreichen. Dank des ausgeprägten Tagestourismus und vorhandener Klinikgäste nebst deren Besuchern kommt der Einzelhandel keineswegs zu kurz.

Stadt stellt "City-Manager" ein

Dennoch sah sich die Stadt veranlasst, einen „City-Manager“ einzustellen, der sich als „Kümmerer“ den Belangen des örtlichen Handels widmen soll. Sorgenfalten sind beim City-Manager nicht zu erwarten: Während in deutschen Klein- und Mittelstädten Leerstandsquoten von 40 Prozent schon keine Seltenheit mehr sind, verzeichnet Wirtschaftsförderer Thomas Spitz mal gerade 1850 Quadratmeter leer stehende Verkaufsflächen. In der Stadt gibt es 417 Einzelhandelsbetriebe. Aktuell sind 17 Leerstände gemeldet. Bezogen auf die gesamte Verkaufsfläche entspricht dies einer Leerstandsquote von 2,6 Prozent.

Bad Neuenahr-Ahrweiler bestätigt die Existenz von kaschierten Leerständen. So werden Schaufensterfronten für Werbemaßnahmen des Ahrtal-Tourismus oder für Kunst- oder Fotoausstellungen zwischengenutzt.

In Remagen sieht man in Sachen Einzelhandel derzeit keine Alarmsignale. Wirtschaftsförderer Marc Bors sieht keinen kaschierten Leerstand in der Römerstadt: „Den gibt es bei uns nicht.“ Die gesamte Leerstandsquote sei von 14 Prozent (März 2015) auf nunmehr zehn Prozent gesunken, im unmittelbaren Bereich der Fußgängerzone gar auf 6,8 Prozent. Auch der Branchenmix sei in Ordnung. Lediglich ein Sanitätshaus fehle. Bors: „Ansonsten sehe ich keine Lücke.“

Seit in der Innenstadt ein Kaisers-Markt verschwunden ist, fehlt allerdings ein Frequenzbringer. Ohne einen Magneten in der Nähe leidet – wie in allen Städten – der gesamte Einzelhandel. Bors rechnet indes vor, dass auf den leer stehenden Kaisers-Markt lediglich 250 von 8000 Quadratmetern Verkaufsfläche entfallen. Heißt: In Remagen ist aus Sicht des Wirtschaftsförderers alles in Ordnung.

Kommt das Nahversorgungszentrum?

Das gilt auch für Sinzig: Dort darf man auf ein geplantes Nahversorgungszentrum hoffen. Edeka und ein bislang an der Peripherie angesiedelter Aldi nebst Drogeriekette sowie ein Getränkemarkt wollen näher an die Innenstadt heranrücken. Das Land begrüßt die Innenstadt nahe Versorgung, die damit gewährleistet sein wird und dem City-Einzelhandel möglicherweise Impulse geben kann. Derzeit stehen fünf Ladenlokale im Zentrum leer, berichtet Wirtschaftsförderin Maike Gausmann-Vollrath. Alle gängigen Branchen seien in der Stadt vertreten. Nachholbedarf bestehe lediglich bei Sportartikeln, Parfümerie und Herrenbekleidung.

Bad Breisig ist eine kleine, überschaubare Stadt. 50 Geschäfte sind im zentralen Versorgungsbereich gemeldet, sechs Ladenlokale stehen leer, drei sind mit Deko-Artikeln bestückt, in ihnen findet kein Handel statt. Alteingesessene Einzelhändler hätten für ihre Geschäfte keinen Nachfolger gefunden, heißt es aus dem Rathaus. Die Stadt versucht, mit dem Städtebauförderprogramm „Aktive Stadt“ das Zentrum mit Kurpark und Römer-Thermen zu stärken. Auf dem Wunschzettel stehen ein Schuh- und/oder Lederwarengeschäft, weitere Boutiquen für Kleidung oder auch eine Parfümerie.

Wie lange die kommunalen Wirtschaftsförderer und „City-Manager“ an Rhein und Ahr noch sorglos bleiben, ist abzuwarten. Der wahre Feind des Einzelhandels ist nämlich nicht alleine auf der benachbarten grünen Wiese zu Hause, sondern schlummert nur einige Mausklicks entfernt: im Onlinehandel. Das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH): „Der stationäre Handel wird bis 2020 wahrscheinlich 20 bis 40 Milliarden Euro an Umsatz an die Online-Konkurrenz verlieren.“ Es sei ein „harter Verdrängungswettbewerb“ zu erwarten.

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