Geschlagen, getreten, gedemütigt Kaum mehr Platz im Frauenhaus im Ahrkreis

KREIS AHRWEILER · Der Bad Breisiger Verein Frauen für Frauen hilft den Opfern von häuslicher Gewalt. Doch im Frauenhaus ist kaum mehr Platz.

 Mit geballter Faust steht ein Mann in einem Wohnzimmer vor einer Frau, die schützend eine Hand vor ihr Gesicht hält.

Mit geballter Faust steht ein Mann in einem Wohnzimmer vor einer Frau, die schützend eine Hand vor ihr Gesicht hält.

Foto: dpa

Geschlagen, getreten, gedemütigt – jede vierte deutsche und jede dritte ausländische in Deutschland lebende Frau im Alter zwischen 16 und 80 Jahren wird zumindest rein statistisch einmal im Leben Opfer von häuslicher Gewalt. In vielen Ehen und Partnerschaften gehört der meist von Männern ausgehende Terror zum traurigen Alltag. Der Verein Frauen für Frauen mit Sitz in Bad Breisig nimmt sich der Opfer an.

„Es geht fast immer um Macht, Eifersucht und Kontrolle“, so Doris Elsweiler und Beatrix Böhm. Beide sind diplomierte Sozialarbeiterinnen und betreuen seit Jahrzehnten in Ehen geschundene Frauen aus dem Kreis Ahrweiler. „Oft fängt es mit der Überprüfung des Tachostandes am Auto der Frau an, geht über Prüfanrufe an deren Arbeitsstelle, es kommt zu Verfolgungen und Beschattungen bis hin zum Versuch, die Partnerin aus ihrem Freundes- und Verwandtenkreis zu lösen und zu isolieren, um den anderen Menschen ganz zu besitzen. Es endet im Ausnahmezustand“, berichten die hauptamtlichen Mitarbeiter des Trägervereins, der in Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Frauenhaus betreibt. Dorthin können in Not geratene Frauen flüchten.

Meist ist es die physische Gewalt, die Frauen in die Bad Breisiger Beratungsstelle und danach in ein Frauenhaus treibt. Es gibt aber auch die psychische und die ökonomische Gewalt, die in engen sozialen Beziehungen zu Demütigung und Horror führen. Elsweiler und Böhm sind schon lange im „Geschäft“, sie wissen, dass es hinter so mancher Fassade oftmals traurig und brutal zugeht.

Frauen für Frauen

Seit 1993 gibt es den Verein „Frauen für Frauen“ und das in der Kreisstadt betriebene Frauenhaus, das als Zufluchtstätte dient. Der Kreis Ahrweiler unterstützt ihn mit jährlich 103.000 Euro, auch das Land gewährt einen 78.000 Euro-Zuschuss. Dennoch sind die Helfer auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Schließlich müssen Personal- und Sachkosten aufgebracht werden.

„Verzweifelt sind sie alle, die zu uns kommen“, sagt Elsweiler. Das Gros der Hilfe- und Schutzsuchenden sei durchaus „sortiert“. Selten sei der Besuch in der Beratungsstelle ein Schnellschuss. Vielmehr handele es sich um das Resultat einer langen, sorgfältigen Überlegung, die Frauen zur Beratung und Flucht veranlasse. „Viele versuchen es zunächst weiter in ihren Partnerschaften, wenn sie häuslicher Gewalt ausgesetzt waren. Wenn es aber gar nicht mehr geht, dann sind wir gefragt“, so Beatrix Böhm.

Auffallend sei der Umstand, dass zunächst viele Frauen davon ausgingen, sie seien schuld an der häuslichen Misere, sie seien es, die in der Partnerschaft nicht funktionierten. Wenn die Angst jedoch geht und die Ruhe kommt, weiche dies einer nüchternen, sachlichen Überlegung und Bewertung. Die meisten der hilfesuchenden Frauen sind unter 45 Jahre alt. Elsweiler: „Wir hatten hier aber auch schon eine Dame, die nach 40 Ehejahren zu uns kam, weil sie die Schläge ihres Mannes nicht mehr ausgehalten hat.“ Auch ist es schon vorgekommen, dass Schwiegermütter ihre Schwiegertöchter so lange tyrannisiert haben, dass sie die Flucht antraten. Oder der Nachbar einer alleinstehenden Frau so lange nachstellte und Psychoterror ausübte, bis sie Hilfe im Frauenhaus suchte.

Oft kommen Frauen mit Kindern

In aller Regel werden die Frauen, die oftmals mit ihren Kindern vorstellig werden, in weit entfernt gelegene Frauenhäuser untergebracht, damit der Gewalttäter sie nicht so ohne weiteres finden kann. Im Gegenzug wohnen im Ahrweiler Frauenhaus Opfer aus anderen Teilen der Republik.

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug vor Jahren noch drei Monate. „Inzwischen sind wir froh, wenn es nicht drei Jahre sind“, so Böhm. Grund sind die hohen Mieten in der Region, insbesondere in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Kaum eine in Not geratene Frau ist finanziell unabhängig und in der Lage, Geld für sich und die Kinder aufzubringen. „Die meisten geraten in Hartz IV“, weiß man im Verein Frauen für Frauen. Im Übrigen ein Grund, der Männer oftmals zu dem Satz veranlasse: „Du wirst noch auf den Knien gerutscht zurückkommen.“ Vier bis sechs Wochen dauere es, bis sich eine Frau endgültig entscheide, ob sie ihren Partner verlasse oder zu ihm zurückkehrt.

Etwa 70 Frauen im Jahr

Das Verlassen des häuslichen Umfeldes und der Gang in ein Frauenhaus stellt immer eine große Zäsur dar: Eine neue Wohnung muss gefunden werden, ein neuer Arbeitsplatz, für das Kind eine neue Schule oder ein neuer Kindergartenplatz. Das komplette Leben wird neu ausgerichtet. Dabei hilft der Verein.

Etwa 70 Frauen sind es im Jahr, die mit unterschiedlichen Gefährdungsgraden in die Bad Breisiger Beratungsstelle kommen. Lediglich in Trier, Koblenz, im Westerwald und in Ahrweiler gibt es im nördlichen Rheinland-Pfalz ein Frauenhaus. „Das ist viel zu wenig“, unterstreichen Elsweiler und Böhm. Viele Frauen könnten nicht aufgenommen werden, da die Frauenhäuser komplett belegt seien. Und dies, weil es halt keinen für sie bezahlbaren Wohnraum gebe.

Wer das Frauenhaus verlässt und ein neues Leben beginnt, wird vom Verein nicht allein gelassen. „Es gibt eine Nachsorge“, so Böhm. Man trifft sich, verbringt Freizeit miteinander. Elsweiler: „Da sehen wir dann, wie es ihnen geht.“

Frauen für Frauen e.V. , Postfach 1206, Bad Breisig, Telefon: (02633) 47 05 88, www.frauenhaus-ahrweiler.de

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