Kritiker und Verleger Künstler provoziert mit Plakaten in Bad Neuenahr

Bad Neuenahr · Das Augustinum Bad Neuenahr präsentiert eine Ausstellung zum 80. Geburtstag des Künstlers Klaus Staeck. Exponate sind bis Ende Januar 2019 zu sehen.

 Laudatorin Gisela Delis-Ngom bei der Ausstellungseröffnung im Bad Neuenahrer Augustinum.

Laudatorin Gisela Delis-Ngom bei der Ausstellungseröffnung im Bad Neuenahrer Augustinum.

Foto: Martin Gausmann

Über einer Ansammlung von Lebensmitteln steht „Unser täglich Gift gib uns heute“, und über einem Rouletterad „Die Bank gewinnt immer“. Klaus Staeck, vielfach ausgezeichneter Künstler und Verleger aus Heidelberg, ist der Meister dieser Provokationen aus Schrift und Bild.

Im Roten Flur des Wohnheims Augustinum sind zum 80. Geburtstag des Satirikers 30 seiner Plakate zu sehen, darunter die Klassiker „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ und „Deutsche Arbeiter! Die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen“. Seit über 50 Jahren kommentiert er das aktuelle Zeitgeschehen „mit analytischen Verstand und einem scharfen Auge“, so Kuratorin Gisela Delis-Ngom. Die Bewohnerin der Seniorenresidenz kennt Staeck seit 1966. Sie brachte den zahlreich erschienenen Vernissagebesuchern den „Quereinsteiger in die Kunst“ nahe, der bereits als Jurastudent eine Edition von Holzschnitten auch von Vostell und Polke betrieb.

Als Ausstellungstitel wählte sie „Im Mittelpunkt steht immer der Mensch“ nach einem frühen Plakat zur Volkszählung. Es ersetzt das Gesicht der dargestellten Person durch einen unpersönlichen Barcode und konterkariert so die Aussage. Genau das ist Staecks Kunst. Delis-Ngom: „Seine Plakate beeindrucken nicht nur mit treffendem Bildmaterial, sondern gewinnen ihre zum Nachdenken anregende zwingende Faszination durch die Verbindung zum Text.“ Die Exponate machen Aussagen zu Fragen der Gesellschaft, zum Kapital, zu Kunst, Politik, Medien und zur Umwelt.

Auch Mahnung vor Fremdenhass

Manche sind aktuell wie zur Entstehungszeit, etwa seine Mahnung vor Fremdenhass von 1986 auf einer Backsteinmauer „Stell Dir vor, Du mußt flüchten und siehst überall: Ausländer Raus!“ oder Staecks Kommentar zur Wohnungsnot 1971. Da brachte er die bekannte Zeichnung Dürers seiner vom Leben gezeichneten Mutter zusammen mit der Zeile „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“. 1972 schuf der Künstler, seit 1960 SPD-Mitglied, das hintergründig ätzende Wahlplakat: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen“. Staeck eckte vielfach an, irritierte und verärgerte die Zeitgenossen.

Da viele Probleme weiter bestehen, heißt Staecks Motto selbst heute „nichts ist erledigt“. Das gilt im Besonderen für das Wohlergehen unseres Planeten, denn bereits 1983 formulierte er zu seinem Plakat mit dem Erdball auf blauem Grund: „Die Mietsache ist schonend zu behandeln und in gutem Zustand zurückzugeben“. Es ist eines der Exponate in der zuhauf Denkanstöße vermittelnden Ausstellung, die bis Januar nächsten Jahres geöffnet ist.

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