Integration in Ahrweiler Jugend hilft beim Kampf gegen giftiges Unkraut

AHRWEILER · Der Jugend-Hilfe-Verein des Ahrkreises hat auch Flüchtlinge in seinen Reihen im Kampf gegen die Herkulesstaude an der Ahr.

 Beim Dreck-weg-Tag, hier an der Sammelstelle auf dem Wanderparkplatz bei Lantershofen, war der Jugend-Hilfe-Verein besonders engagiert.

Beim Dreck-weg-Tag, hier an der Sammelstelle auf dem Wanderparkplatz bei Lantershofen, war der Jugend-Hilfe-Verein besonders engagiert.

Foto: Martin Gausmann

Wo drückt der Schuh? Welche Projekte stehen an? Was kann die Stadt als Vermieterin konkret für den Mieter tun? Um diese Fragen zu klären, ist Kreisstadt-Bürgermeister Guido Orthen in die einstige Ahrweiler Jugendherberge gekommen, die seit 2013 Sitz des Jugend-Hilfe-Vereins (JHV) des Landkreises ist. Mit Vorsitzendem Friedhelm Münch,Vize Werner Kasel und Geschäftsführerin Petra Rademacher setzt er sich in dem Bruchsteinhaus direkt am Ahrufer an einen Tisch.

Die erste Nachricht sorgt für Unverständnis und Kopfschütteln: „Bei uns ist eingebrochen worden. Jemand, der sich auskannte, ist durchs Fenster eingestiegen. Der Tresor ist futsch und mit ihm 1700 Euro“, so Münch. Unfassbar, einen Verein, der sich um junge Menschen kümmert, die nun wahrlich nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen und der sich Jahr für Jahr seine Überlebens-Finanzierung sichern muss, zu bestehlen. „Wir müssen uns Jahr für Jahr neu um die Projekte bewerben, harren der Bewilligung, bis dann oft erst im Mai des laufenden Jahres Geld fließt“, erklärt Rademacher die angespannte finanzielle Situation.

16 Teilnehmer beim Projekt „Fit für den Job“

Die Nachricht vom Einbruch noch nicht ganz verdaut, klopft es zaghaft an der Tür und eine junge Frau stellt dem Besuch Blätterteig-Schweineöhrchen auf den Tisch, die die derzeit 16 Teilnehmer des Projektes „Fit für den Job“ mit JHV-Koch Walter Korb gebacken haben. Womit die Verantwortlichen schon mittendrin in der Schilderung ihrer Arbeit sind, die mit 13 Voll- und Teilzeit- sowie Honorarkräften einen Jahresumsatz von 560 000 Euro erwirtschaften. „Der ehrenamtliche Vorstand führt einen kleinen, mittelständischen Betrieb“, betont der Vorsitzende.

Das Projekt, unterstützt vom Jobcenter Ahrweiler, den Berufsberatungsstellen der Agentur für Arbeit, Kreis, Land und dem Europäischen Sozialfonds, soll als eine wertvolle Stütze der Jugendhilfe dazu beitragen, dass junge Menschen bis 25 Jahre beruflich aktiviert und eingegliedert werden. Nicht immer ein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass viele Betroffene in der dritten Generation von Sozialhilfe leben. Wenn der Alltag, der sie geprägt hat, aus Drogen, Verschuldung und auch Obdachlosigkeit und nicht aus Familienzusammenhalt, Tagesstruktur und Beruf besteht.

Umso wichtiger ist dem Team, sie täglich von 8.15 bis 15.30 Uhr mit Bewerbungstraining, Themen wie „Europa und ich“, der Aufarbeitung schulischer Defizite, PC-Training, Küchendienst, Ernährungsberatung und Sport so aufzustellen, dass sie bis spätestens zum Ausbildungsbeginn am 1. August fit für einen passenden Arbeitsplatz sind. „Manche schlagen wunderbar ein. Doch viele sind einen klassischen Familienverbund gar nicht gewohnt, können sich nur schwer an Regeln halten, erscheinen nicht regelmäßig“, so Rademacher. Es können bis zu drei Abmahnungen erteilt werden mit der Konsequenz der Leistungskürzung. Doch einig sind sich alle, dass genau die, die am Rand der Gesellschaft stehen, vor einem Komplettabsturz im Netz des Vereins aufgefangen werden müssen.

Mit Ulf Tolksdorf hat die Mannschaft einen Juristen im Boot, der sein Fachwissen bei der Schuldnerberatung, die finanziell vom Kreis und den einzelnen Kommunen unterstützt wird, anbietet. Das Projekt „Leben ohne Schulden“ (L.O.S.) soll sowohl vorbeugen, um Jugendliche nicht in die Schuldenfalle tappen zu lassen, aber auch helfen, sie aus finanziellen Verstrickungen zu befreien.

Und während Orthen einen Rundgang durchs Haus, das immer ein Haus der Jugend war, und die Zusage für künftige energetische Maßnahmen macht, „damit wir nicht zum Fenster raus heizen“, begegnen ihm junge Leute, die ihm die Hand reichen. Die vielleicht nicht verstehen, wer und was ihr Gegenüber ist, aber offen für Neues und vor allem wissbegierig zu sein scheinen. Womit wir bei Projekt 2 des 1984 gegründeten Jugend-Hilfe-Vereins sind: „Fit für den Job für Flüchtlinge.“ 16 jungen Menschen im Alter von 17 bis 25 Jahren wird die deutsche Sprache vermittelt, bei Alltagsschwierigkeiten bei der Wohnungssuche geholfen. Zwei 17-Jährige aus Afghanistan, sogenannte „unbegleitete Jugendliche“, haben gar die einstige Hausmeisterwohnung bezogen. „Dort müssen sie mit der Volljährigkeit raus“, erklärt Kasel auch die Problematik, auf dem leer gefegten Wohnungsmarkt danach eine Bleibe zu finden.

Das Team beseitigt für den Kreis die giftige Herkulesstaude

„Es kommen immer noch neue junge Flüchtlinge an, weil Baden-Württemberg zu viele aufgenommen hat und Rheinland-Pfalz nicht zu 100 Prozent ausgelastet ist“, erklärt die Geschäftsführerin. Erst Ende November seien vier Flüchtlinge für vier Tage in Ahrweiler gewesen, eine Dreier-Gruppe habe zweieinhalb Wochen im Haus an der Peter-Friedhofen-Straße verbracht. Ein bekanntes Projekt, das das Bild des Vereins in der Öffentlichkeit geprägt hat, sind die Arbeiten im Natur- und Landschaftsschutz. So beseitigt das Team für den Kreis die giftige Herkulesstaude, besser bekannt als Bärenklau, für die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler wird das Ahrufer gesäubert, helfende Hände gibt es auch bei der jährlichen Krötenwanderung.

Und was viele Spaziergänger am Ahrufer im Sommer freut, ist der Umstand, dass die jungen Menschen auf ihrem Gelände ein Café betreiben – Schweineöhrchen inklusive. Da war's dem Stadtchef ein Leichtes, die Bitte, den vergammelten Jägerzaun rund ums Gelände richten zu lassen, an seine Bauhof-Mannschaft weiterzuleiten. So blieb dem Vorstand am Ende nur, Orthen, aber auch der Nachbarschaft „für ein hervorragendes Miteinander“ zu danken.

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