Sterben in die Mitte der Gesellschaft geholt Hospiz-Verein Rhein-Ahr feiert 25. Geburtstag

BAD NEUENAHR · Dem Hospiz-Verein Rhein-Ahr, dem drittgrößten und einem der aktivsten Hospiz-Vereine in Rheinland-Pfalz mit 1140 Mitgliedern, ist es in 25 Jahren gelungen, Sterben und Tod in die Mitte der Gesellschaft zu holen.

Er kennt sich aus mit Tabubrüchen, dem Überbrücken von Distanzen. Setzt Angst, Schwere, Ausgrenzung und Trauer Hilfe, Betreuung, Würde und Freude entgegen. Er kennt sich aber auch aus mit dem Bohren dicker Bretter, der Hospiz-Verein Rhein-Ahr. Dem drittgrößten und einem der aktivsten Hospiz-Vereine im Land mit seinen 1140 Mitgliedern ist es zwar in 25 Jahren gelungen, Sterben und Tod in die Mitte der Gesellschaft zu holen.

Er ist zu einer Art Volksbewegung herangewachsen, brauchte aber ein Vierteljahrhundert, um sein Engagement im Dezember 2015 mit der Eröffnung des Stationären Hospizes im Ahrtal in Bad Neuenahr, dessen Gesellschafter der Verein, die von Bodelschwingh'schen Stiftungen Bethel und die Marienhaus Holding GmbH sind, zu krönen.

Mit dem Schließen dieser Versorgungslücke zwischen Koblenz und Bonn, dem Umstand, dass es das erste Hospiz in der Republik war, das vom Start weg ausgelastet war, könnte sich das Team um Vorsitzende Ulrike Dobrowolny auf die Schulter klopfen und entspannt zurücklehnen. Doch der Rück- und Ausblick des Vorstands zum Silberjubiläum, das am Freitag, 17. November, mit 300 Gästen gefeiert und in der Unterzeichnung der „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ mündet (siehe Infokästen), macht eines deutlich: Die Betreuung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase wird vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, höherer Lebenserwartung, Multimorbidität und sich ändernder gesellschaftlicher Strukturen zu einer großen sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Herausforderung für alle.

Bürgerschaftliches Engagement muss gefördert werden

„Auch mit den Leitsätzen der Charta, die in Form eines Aufstellers als Hingucker durchs Ahrtal wandern wird, wollen wir mobilisieren und den Bewusstseinsprozess weiter anstoßen. Was soll sich in hospizlich-palliativer Arbeit weiterentwickeln? Dafür soll beispielsweise mit Caritas, Gesundheitsamt, Diakonie und anderen ein Netzwerk ins Leben gerufen werden“, so Dobrowolny: „Es wird ein großes Thema bleiben. Wir rühren und rühren weiterhin, weil viele Menschen nach wie vor das Thema Krankheit und Tod verdrängen, bis sie im Extremfall selbst betroffen sind.“ Selbst Ärzte wären beim Thema Schmerzmedikation häufig überfordert, der Umgang mit Sterbenden gehöre heute noch nicht einmal als wichtiger Baustein zur Ausbildung eines Mediziners oder Altenpflegers dazu.

Die stellvertretende Vorsitzende Hildegard Schneider ist der Meinung: „Wir müssen in der Versorgung der Betroffenen nicht professioneller werden, das leisten unsere sieben hauptamtlichen Care-Schwestern, die mit den 58 ehrenamtlichen Begleitern sowohl ambulant als auch stationär 359 Begleitungen in 2016 gemeistert haben. Sondern wir müssen weiterhin das bürgerschaftliche Engagement fördern. Die Gesellschaft muss angesichts des Pflegenotstands kapieren, dass wir uns umeinander kümmern müssen.

Ohne Ehrenamt ist die Betreuung langfristig nicht bezahlbar. Stellt man die palliative Versorgung eines Sterbenden nur auf medizinische Füße, fällt die spirituelle und psychosoziale Komponente hinten weg. Und wie will man 24 Stunden Palliativmedizin aufs platte Land kriegen, wenn es heute schon an Hausärzten mangelt?“ Schon jetzt würden häufig an Sonn- und Feiertagen statt eines Arztes die hauptamtlichen Schwestern des Vereins gerufen. Ihr Einsatz wird von den Krankenkassen über eine Fallpauschale abgerechnet. „Pro Begleitung, egal wie intensiv. Die längste dauerte acht Jahre“, so Schneider.

Fokus liegt auch bei den Angehörigen

Für die Koordination der 58 ehrenamtlichen Hospizbegleiter und die sieben hauptamtlichen Mitarbeiter, die zu Hause, in Altenheimen und in Krankenhäusern aktiv sind, zeichnet Sabine Schonschek verantwortlich. „Zwölf weitere Bürger sind derzeit in einem Vorbereitungskursus und werden ab Januar für den Verein tätig werden“, so Schonschek.

Dazu gehöre ebenso die Arbeit in den Trauertreffs, ergänzt Beisitzerin Berta Bauer. Denn der Fokus liegt nicht nur auf den Menschen, die bis in den Tod möglichst in ihrem häuslichen Umfeld begleitet werden, sondern auch auf den Angehörigen, die den Tod verarbeiten müssen. Künftig soll die Trauerarbeit durch weitere Angebote ausgebaut werden. „Oft stehen die Trauernden völlig neben sich, wir wollen ihnen helfen, in die Welt zurückzukommen“, betont Bauer.

Beim öffentlichen Festakt im Rathaus wird der Vorstand die Urkunde einer Stiftungsgründung präsentieren. „Wir stehen zwar als kleines mittelständisches Unternehmen gut da, müssen aber die Arbeit langfristig sichern und neue Geldquellen erschließen. Daher bieten wir nun Stiftern auch die Möglichkeit, sich regional zu engagieren“, so Dobrowolny.

Einer der unermüdlichen Mitstreiter ist der Mediziner Gerhard Kreuter. Mit Paul Gieler hat er unter dem Motto „Man kennt sich – Man hilft sich“ das Buch „Ahrwein: Geschichte, Gesundheit, Gespräch“ geschrieben. Offiziell wird es am Dienstag, 21. November, 18 Uhr, in der Konzerthalle des Kurparks vorgestellt. Doch schon jetzt ließen die beiden Weinexperten und Motoren des Gesprächskreises Ahrwein verlauten, dass es ein besonderes Geburtstagsgeschenk ist: Das 80-Seiten-Werk wird für 8,95 Euro verkauft, die komplett dem 25 Jahre alten Hospiz-Verein zugutekommen.

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