Freizeit im Ahrtal Helden auf 100 Kilometern beim Rhein-Ahr-Marsch

KREIS AHRWEILER · 378 Sportwanderer waren beim ersten Rhein-Ahr-Marsch am Wochenende gestartet. Die Strecke führte auch durch den Walporzheimer Weinkeller.

Unter wandern versteht man eigentlich das eher gemächliche Spazieren auf eigens dafür vorgesehenen Wegen. Wanderer genießen die Natur, plaudern mit ihren Begleitern, oder stimmen gemeinsam ein fröhliches Lied an. Beim 1. Rhein-Ahr-Marsch war das anders. Denn bei der Premiere des „RAM“ waren sportliche Fitness und Durchhaltevermögen gefragt, galt es doch 100 oder 50 Kilometer innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits von 24 und zwölf Stunden zu absolvieren. Angemeldet hatten sich rund 700 Sportwanderer. Ein gehöriger Teil von ihnen hat angesichts des Gewaltmarsches dann aber offenbar doch kalte Füße bekommen.

Am Ende haben 378 Mutige die Herausforderung angenommen. Die Marschierer sind aus ganz Deutschland, aber auch aus Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und der Schweiz angereist. Rund 60 Sportwanderer stammten aus dem Ahrtal. Darunter Ferdi Heuwagen (64), Heiner Fuhs (63) und Frank Heuser (53). Das Ahrweiler Trio startete am Freitagabend vom Rheinbacher Freizeitpark aus gemeinsam in das 100-Kilometer-Abenteuer.

Die Strecke führte zunächst durch die Altstadt Rheinbachs, entlang der Obstplantagen über Lüftelberg durch den Kottenforst nach Bonn. Von dort ging es am Rheinufer entlang bis nach Remagen. Dort war Halbzeit, so dass am Samstagmorgen auch die 50-Kilometer-Wanderer ihre Strecke in Angriff genommen haben. Unweit der Ahrmündung führte der Weg in Richtung Walporzheim. Bei Kilometer 69 beziehungsweise 29 führte die Strecke mitten durch den historischen Weinkeller der Weinmanufaktur, in der der siebte von insgesamt elf Verpflegungspunkte eingerichtet worden war.

Von dort führte der Weg auf der schattigen Ahrseite bis zum Waagplatz in Mayschoß. Nach 77 Kilometern durften die Teilnehmer ihre Flaschen noch einmal mit Wasser und Energiegetränken auffüllen. Und mit einer warmen Minestrone bereiteten sie sich auf den kräftezehrenden Anstieg zur Kalenborner Höhe vor. „Die rund 200 Höhenmeter auf knapp fünf Kilometer Länge sind so etwas wie die Schlüsselstelle. Das ist aber gut zu schaffen, da der Weg überwiegend im schattigen Wald verläuft“, weiß Frank Piontek, Vorsitzender des veranstaltenden Good Walking Clubs Rheinbach und Initiator des „RAM“.

„Aber die Blasen ignoriere ich einfach“

Nach 50 Kilometern hat Frank Heuser der Ehrgeiz gepackt und hat sich von seinen Mitwanderern abgesetzt. Als Ferdi Heuwagen in Mayschoß eintrifft, hat er auch dem Tempo von Heiner Fuhs nicht mehr folgen können. „Mir geht es den Umständen entsprechend gut, aber man merkt schon, dass man bereits 80 Kilometern in den Beinen hat“, gibt der 64-Jährige zu. Er sei gut durch die Nacht gekommen. Vor der Bullenhitze am Tag schützt ihn ein Hut mit Fellbesatz, den er sich vor einigen Jahren in Namibia zugelegt hat. Der Friseurmeister hat sich einen Schnitt von fünfeinhalb Stundenkilometern vorgenommen. Die 27 Kilometer bis nach Bonn habe er sich einer Gruppe aus Holland angeschlossen und hat das erste Viertel mit einem Stundenmittel von 6,15 Kilometern zurückgelegt.

„Dann habe ich aber gemerkt, dass die Akkus langsam leerer wurden und ich das Tempo nicht durchhalten würde und habe einen Gang zurückgeschaltet“, berichtet der Mann aus Ahrweiler, der es gewohnt ist, seine persönlichen Grenzen auszutesten. Als exzellenter Marathonläufer (Bestzeit 2:54 Stunden) hat er vor Jahren mit dem „Swiss-Alpine-Marathon“ sogar einen der härtesten Bergläufe überhaupt gemeistert. In Vorbereitung auf den Rhein-Ahr-Marsch ist Heuwagen mit seinen Freunden im Mai zum fünften Mal den kompletten Ahrsteig von Blankenheim bis Sinzig gelaufen – 102 Kilometer in 19 Stunden reiner Gehzeit.

In Mayschoß angekommen, plagen den 64-Jährigen zwei bis drei Blasen am linken Fuß. „Aber die Blasen ignoriere ich einfach“, winkt der Mann, dessen Gesicht von der Anstrengung leicht gerötet ist, ab. Langsamen Schrittes und in leicht gebückter Haltung bewegt sich Heuwagen zu den Kanistern, um seine Trinkflaschen aufzufüllen. Den rund acht Kilogramm schweren Rucksack hat er abgelegt. „Ich habe Wechselwäsche, Wasser und Müsliriegel dabei“, erklärt er. Die Turnschuhe müssen allerdings halten, denn auf ein zweites Paar hat er verzichtet. Mit einem leisen Stöhnen erhebt sich der Mann mit dem Hut nach nur wenigen Minuten. Er befindet sich längst in der „Nur-noch-Phase“ - nur noch 20 Kilometer bis ins Ziel. Und so schleppt er sich die Steigung zur Kalenborner Höhe hinauf.

Mit einer Flasche 2015er Spätburgunder belohnt

24 Stunden im Einsatz war auch Frank Piontek. Der 53-Jährige war auf der Strecke unterwegs und fuhr die Verpflegungsstationen ab, um dort nach dem rechten zu sehen. „Die Route vereint eine ganze Region mit vielen Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten“, erklärt der Cheforganisator, der selbst ein geübter 100-Kilometer-Mann ist. „Wichtig war mir, dass wir Bonn, den Rhein und das Ahrtal dabei haben. Und dass wir auch die Brückentürme von Remagen noch haben integrieren können, ist eine tolle Sache“, so Piontek, den bereits zur Halbzeit die Nachricht erreicht hatte, dass einige bereits aufgegeben haben. Aber auch für sie war gesorgt. Wie bei der Tour de France folgte ein „Besenwagen“ dem Feld, um Zurückgebliebene in Walporzheim, Mayschoß und in Kalenborn einzusammeln.

Auch die letzten 20 Kilometer hat Ferdi Heuwagen überstanden. Nach einer Gehzeit von 19:45 Stunden hat er das Rheinbacher Stadion erreicht. Wie alle „Finisher“ ist auch der Ahrweiler im Ziel mit einer Flasche 2015er Spätburgunder belohnt. worden. Zeit zum Ausruhen blieb Ferdi Heuwagen allerdings nicht. Er ist noch am Sonntag zur Hochzeit seiner Tochter nach London weitergereist.

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