Frau und Beruf Förderung steht an erster Stelle

BAD NEUENAHR · Familienministerin Anne Spiegel besucht die Gesellschaft für Berufsbildung und Berufstraining in Bad Neuenahr.

Sie ist 36 Jahre alt und hat drei kleine Kinder. Weiß also um die Mehrfachbelastung, wenn es heißt, täglich Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen. Sie weiß auch um die Nöte einer Alleinerziehenden, wurde sie doch von ihrer Mutter groß gezogen und nennt diese Frauen „Heldinnen des Alltags“. Sie kennt Beispiele, wo gar Akademikerinnen in Altersarmut enden. Und doch ist Anne Spiegel keine Ratsuchende bei der Gesellschaft für Berufsbildung und Berufstraining (GBB) mbH mit Sitz in Ahrweiler, sondern die Familienministerin des Landes. „Das Thema Gleichberechtigung und die Tatsache, dass zwar vieles erreicht, wir aber noch lange nicht am Ziel sind, hat mich in die Politik gebracht“, sagt die Grünen-Politikerin beim Besuch der GBB im Haus der Familie in Bad Neuenahr. Dort informierte sie sich über die von ihrem Haus geförderten Programme (siehe Infokasten) aus erster Hand.

Christa Lenz, die Leiterin der Beratungsstelle „Neue Chancen“, begrüßte auf dem Podium neben der Staatsministerin auch den Kreisbeigeordneten Friedhelm Münch, Bürgermeister Guido Orthen sowie die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises, Rita Gilles. Neben den Seminarteilnehmerinnen, die der Ministerin ihre überaus positiven Erfahrungen mit der GBB bei der Rückkehr in den Beruf schilderten, saßen zwei Pionierinnen. Die ehemalige SPD-Landtags- und Kreistagsabgeordnete Petra Elsner, „die dafür sorgte, dass aus dem Modell GBB eine Regelinstitution wurde und die mir im Kreistag, den wir vor gut einem Vierteljahrhundert gestürmt haben, Rederecht verschaffte“, so Lenz. Und Anita Saal, vierfache Mutter, die sich in einem der ersten Seminare qualifiziert hat und dann noch 20 Jahre im Berufsleben stand.

Wenn eine Ministerin die Beratungsstelle besucht, so hat das Gewicht, fand Bürgermjeister Orthen, der, statt seinen Geburtstag zu feiern, den Besuch aus Mainz begrüßte: „Wir sind noch lange nicht da angekommen, wo unsere freie Gesellschaft im 21. Jahrhundert stehen sollte. So lange wird es die GBB geben, zumal die Integration der Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt eine neue Herausforderung darstellt.“ Münch betonte, dass der Kreis die GBB mit einer freiwilligen Leistung von jährlich 10 000 Euro unterstütze: „Wir müssen der Altersarmut und der Ungerechtigkeit, dass Frauen immer noch weniger Geld für ihre Arbeit bekommen als Männer, den Kampf ansagen.“

„Hier bei Ihnen merkt man, dass viele an einem Strang ziehen. Ich spüre viel Engagement“, fand Ministerin Spiegel, die dem Kreis für die finanzielle Unterstützung, aber auch den Kämpferinnen von einst dankte: „Bei frauenpolitischen Themen darf man auch mal zu unorthodoxen Mitteln greifen.“ Einen dringenden Handlungsbedarf sieht sie darin, Flüchtlingsfrauen und -kinder auf dem Weg der Integration mitzunehmen. „Das war bei den ersten Gastarbeitern ein klares Versäumnis.“ Andere Regionen im Land könnten sich von der Arbeit der GBB, aber auch von der Vernetzung innerhalb des Kreises eine große Scheibe abschneiden. Berufswiedereinsteigerinnen seien, so ihre Erfahrung, hoch motiviert, ihnen mache in Sachen Stressresistenz so schnell keiner was vor. Rita Gilles ergänzte: „Es ist wichtig, das Arbeitgeber das Potenzial der Rückkehrerinnen erkennen, auch mit dem Blick auf den Fachkräftemangel.“ Es sei aber auch von Bedeutung, dass Frauen ihr Können vermarkten. „Ich sitze beim Kreis in jedem Einstellungsgespräch dabei. Sie sprechen nie über ihre Gehaltsforderungen.“ Sparhaushalte hin, die schwarze Schäuble-Null her: „Wir werden hier nicht kürzen“, versprach die Ministerin zum Abschied.

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