Überflutungen im Kreis Ahrweiler Erst das Hochwasser, dann der Starkregen

KREIS AHRWEILER · Vor einem Jahr standen im Kreis Ahrweiler ganze Dörfer unter Wasser. Bürger zeigten große Solidarität. Konzepte zum Schutz vor Hochwasser aufgelegt.

Diese Tage Anfang Juni vor einem Jahr werden die Bürger im Kreis Ahrweiler so schnell nicht vergessen. Schwere Regenfälle in der Eifel führten am 2. Juni zu einem Extremhochwasser an der Mittelahr, am 4. Juni fielen bei Starkregen auf der Grafschaft binnen zwei Stunden 115 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter. Es kam zu massiven Überschwemmungen von Esch bis Nierendorf und von Oedingen und Unkelbach bis Gimmigen und Heppingen. Die Schäden gingen in die Millionen, die Aufräumarbeiten dauerten Tage. Ein Haus in Leimersdorf wurde komplett zerstört, etliche Häuser in Nierendorf waren für Monate nicht mehr bewohnbar. Ein Blick in die Details.

2. Juni 2016: Katastrophenalarm in der Verbandsgemeinde Altenahr: In dramatischen Rettungsaktionen wurde der Campingplatz in Kreuzberg evakuiert. Bis zur Brust standen die Menschen dort im Wasser der über die Ufer getretenen Ahr. Wohnwagen und Zelte waren geflutet, alle Zufahrtsstraßen gesperrt. Hubschrauber überflogen das Gebiet, nahmen 22 in Not geratene Menschen auf, 230 Rettungskräfte waren im Einsatz. Neun Menschen kamen mit kleineren Blessuren ins Krankenhaus.

Nach schweren Regenfällen war die Ahr in den Verbandsgemeinden Altenahr und Adenau aus ihrem Bett gestiegen und hatte für weiträumige Überflutungen gesorgt. Der Pegelstand in Altenahr betrug 3,69 Meter, normal sind 50 Zentimeter. In Altenahr schossen die Wassermengen durch den Straßentunnel der B 267. „Wenige Stunden zuvor war der benachbarte Parkplatz noch befahrbar. Nun steht hier meterhoch das Wasser“, sagte eine Anwohnerin damals. Die Durchgangsstraße wurde zum reißenden Fluss. Dramatisch verliefen Rettungsaktionen auf dem Campingplatz Kreuzberg. Camper waren zum Teil auf die Dächer ihrer Wohnwagen geflüchtet, andere flüchteten zur auf einem Hügel stehenden Kapelle in Altenburg, die aber auch umspült wurde. Mit Booten und Hubschraubern wurden die Menschen in Sicherheit gebracht. Land unter hieß es auch in Dernau, Rech, Mayschoß und Walporzheim.

3. Juni 2016: Seit dem Anstieg der Ahr am Vortag waren zwei Schulklassen aus Gerolstein und Niederkassel in der Naturschutzjugendherberge Altenahr eingeschlossen. Die Außenwelt war nur über einen steilen Bergpfad vom Langfigtal nach Altenburg erreichbar. Feuerwehrleute der Verbandsgemeinde Altenahr brachten die Kinder im Gänsemarsch in Sicherheit. Verbandsgemeindewehrleiter Frank Linnarz hatte an den beiden Tagen in Spitzenzeiten bis zu 250 Wehrleute im Einsatz, in der Verbandsgemeinde Adenau waren es 140.

4. Juni 2016: Nach einem Starkregen herrschte Ausnahmezustand auf der Grafschaft, in Gimmigen, Heppingen, Oedingen und Unkelbach. 115 Liter Niederschlag pro Quadratmeter innerhalb von nur zwei Stunden sorgten dafür, dass die Autobahn 61 bei Vettelhoven überflutet wurde. In Nierendorf lief das nagelneue Regenrückhaltebecken über und der Leimersdorfer Bach flutete den halben Ort. Direkt in Bachnähe stand das Wasser bis zu 1,80 Meter hoch in den Souterrainwohnungen.

Autos wurden weggeschwemmt. Ganze Ortschaften waren wegen Überflutungen nicht mehr erreichbar. Von Esch bis in die östlichen Stadtteile von Bad Neuenahr-Ahrweiler hieß es Land unter. Rettungskräfte und freiwillige Helfer versuchten mit Sandsacksperren zu retten, was zu retten war. Die Solidarität war groß. Freiwillige meldeten sich auf dem Gelände der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Ahrweiler zum Sandsackfüllen, andere taten es ihnen auf den Betriebshöfen der Kommunen gleich. Feuerwehren, Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz und auch Hubschrauber der Bundeswehr waren im Dauereinsatz.

In Oedingen liefen die Keller ebenso voll wie am Fuß der Landskrone; in Unkelbach wurde die Dorfstraße zum Wildwasser und schloss eine ganze Hochzeitsgesellschaft auf dem Platz vor der Kirche ein. Besonders hart traf es eine Familie in Leimersdorf. Dort hatten die Fluten des Baches die komplette Front eines nagelneuen Fertighauses weggerissen.

Hilfe: Von überall her kamen freiwillige Helfer, um in den vom Hochwasser gebeutelten Orten mit anzupacken, auch an den Folgetagen. Der Kreis richtete Sondertermine für Sperrmüll ein, die Kommunen eröffneten Spendenkonten für die geschädigten Bürger und sorgten auch für Soforthilfe. Dies nicht nur mit Geld, sondern auch mit der Bereitstellung von Bautrockneren, die vom überall her organisiert worden waren.

Konsequenzen: Alle Kommunen haben Hochwasserschutzkonzepte in Auftrag gegeben. Darin fließen die Erfahrungen und Erlebnisse der Bürger mit ein. Von Remagen bis zur Grafschaft ist die Meinung der Experten gefragt. Veranstaltungen zum Thema Hochwasserschutz gab es in allen Gemeinden. Die Umsetzung ist stellenweise schon angelaufen. So wurden etwa in Unkelbach Baumstämme als Treibgutsperre ins Bachbett gerammt, Felsbrocken als Regenrückhalt im Wald abgekippt und ein ganzer Spielplatz dient als Reservoir zum Befüllen von Sandsäcken. Denn er wurde statt der üblichen 20 Zentimer mit stattlichen 80 Zentimeter Sand befüllt.

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