Attentat vom 20. Juli 1944 Erinnerung an Philipp Freiherr von Boeselager

Kreis Ahrweiler · Philipp Freiherr von Boeselager gehörte zu den Verschwörern des 20. Juli 1944. "Sein Name bleibt bis heute untrennbar damit verbunden, während des Zweiten Weltkriegs den Mut zum Aufstand gehabt zu haben", sagt der Ahrweiler Landrat Jürgen Pföhler.

 Die Realschule an der Schützenstraße in Ahrweiler trägt den Namen des einstigen Widerstandskämpfers.

Die Realschule an der Schützenstraße in Ahrweiler trägt den Namen des einstigen Widerstandskämpfers.

Foto: Martin Gausmann

Am 20. Juli 1944, an diesem Samstag vor 75 Jahren, wurde im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ in Ostpreußen der bedeutendste Anschlag auf Adolf Hitler verübt. Er war der Versuch, dem sinnlosen Sterben an den Fronten des Zweiten Weltkriegs, den Greueltaten an der Zivilbevölkerung hinter der Front und dem Quälen und Morden in den Konzentrationslagern ein Ende zu machen. An Vorbereitung und Durchführung dieses Attentats war auch der Wehrmachtsoffizier beteiligt, der rund 60 Jahre später, am 15. Juni 2005, zum ersten und bislang einzigen Ehrenbürger des Kreises Ahrweiler ernannt werden sollte: Philipp Freiherr von Boeselager.

Der am 6. September 1917 geborene Offizier war Mitglied des innersten Kreises der militärischen Widerstandsgruppe um Generalmajor Henning von Tresckow und Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Zum 75. Jahrestag des gescheiterten Attentats sagt der Ahrweiler Landrat Jürgen Pföhler über von Boeselager: „Sein Name bleibt bis heute untrennbar damit verbunden, während des Zweiten Weltkriegs den Mut zum Aufstand gehabt zu haben.“ Der junge Wehrmachtsoffizier habe sein Leben für ein besseres Deutschland eingesetzt.

Philipp von Boeselager war am 6. September 1917 als fünftes von zehn Kindern auf Burg Heimerzheim bei Bonn in eine rheinisch-katholische Adelsfamilie hineingeboren worden. Nachdem er 1936 am Aloisiuskolleg in Bad Godesberg Abitur gemacht hatte, wollte er Jura studieren und Diplomat werden. Während seiner militärischen Ausbildung beim Reiterregiment Nr. 15 in Paderborn aber entschied er sich für die Offizierslaufbahn.

Bald begann der Zweite Weltkrieg. Als Ordonnanzoffizier von Generalfeldmarschall Günther von Kluge war es Boeselagers Aufgabe, eingehende Meldungen zu sichten und weiterzuleiten. In einer SS-Depesche von der Ostfront las er im Juni 1942: „Fünf Zigeuner sonderbehandelt.“ Auf Nachfrage erfuhr er, dass sogenannte Einsatzkommandos im Hinterland der Front systematisch Sinti, Roma und Juden ermordeten. Da wurde Boeselager klar, dass er Handlanger eines verbrecherischen Unrechtsregimes war. Von da an fühlte er sich dem Eid, den er auf den Führer persönlich abgelegt hatte, nicht länger verpflichtet. Und er beschloss, im Widerstand mitzuarbeiten.

In den beiden folgenden Jahren war er an drei Anschlägen auf Hitler beteiligt – etwa an einem für den 13. März 1943 geplanten Attentat. Hitler hatte für diesen Tag einen Besuch in Begleitung von SS-Reichsführer Heinrich Himmler an der Ostfront angekündigt. Philipp von Boeselager, sein ebenfalls im Widerstand tätiger Bruder Georg und sechs weitere Soldaten planten, Hitler und Himmler beim gemeinsamen Mittagessen im Kasino aus kürzester Distanz mit ihren Pistolen zu erschießen. Generalfeldmarschall von Kluge war in den Plan eingeweiht.

Nachdem Himmlers Teilnahme aber kurzfristig abgesagt worden war, untersagte von Kluge das Attentat. Für den Fall, dass Himmler überlebte, befürchtete er nämlich einen Bürgerkrieg zwischen Wehrmacht und SS. Später sollten zwei Bomben, die Boeselager besorgt hatte und die als Cognacflaschen getarnt waren, Hitler nach einem Frontbesuch im Flugzeug töten. Aber auch dieser Anschlagsversuch scheiterte: Die Säurezünder explodierten nicht, weil sie im unbeheizten Gepäckraum des Flugzeugs eingefroren waren.

Am 20. Juli 1944 sollte Hitler dann bei einer Besprechung in einer Baracke der „Wolfsschanze“ getötet werden – ebenfalls durch eine Bombe. Diese explodierte und tötete vier der insgesamt 24 Besprechungsteilnehmer, neun weitere wurden schwer verletzt. Hitler aber kam mit leichten Verletzungen davon. Boeselager hatte bei diesem Attentat die Aufgabe übernommen, mit 1200 Kavalleristen von der Ostfront nach Berlin zu kommen. Nach dem Attentat sollten die Männer dort Heinrich Himmler und Propagandaminister Joseph Goebbels verhaften und im Innen- und im Propagandaministerium für Ruhe sorgen. In einem Gewaltritt hatten die Kavalleristen bereits die ersten 200 Kilometer in Richtung Berlin zurückgelegt, als Philipp von Boeselager von seinem Bruder Georg einen Zettel mit der Losung „Alles in die alten Löcher“ erhielt. Sie bedeutete, dass das Attentat misslungen war. Boeselager und seine Reiter ritten deshalb an die Front zurück.

Hitler begann währenddessen, sich für diesen Anschlag grausam an den Verschwörern zu rächen. Mehr als 200 Männer ließ er in den nächsten Tagen und Monaten hinrichten oder in den Selbstmord zwingen. Boeselager aber blieb unentdeckt. Das hatte er seinen Mitverschwörern zu verdanken, die seinen Namen trotz Folter nicht preisgaben.

Nach Kriegsende studierte Philipp von Boeselager in Köln Jura und Volkswirtschaft. 1948 heiratete er und zog mit seiner Frau in den Kreis Ahrweiler, auf Burg Kreuzberg oberhalb von Kreuzberg. In den Jahrzehnten, die folgten, erwarb er sich große Verdienste – insbesondere im Bereich Forstwirtschaft und bei den Maltesern. Und das Berichten über den Widerstand in Nazi-Deutschland wurde ihm im Alter zur Mission. Ungezählte Male trat Boeselager vor Schulklassen und Studenten, vor Fernsehkameras und Mikrofone.

Philipp von Boeselager, der für seine Verdienste höchste Auszeichnungen erhalten hatte, starb am 1. Mai 2008 im Alter von 90 Jahren auf Burg Kreuzberg. An der Trauerfeier in der Sankt-Laurentius-Kirche in Ahrweiler und anschließend auf dem Marktplatz nahmen rund 1000 Gäste teil. Das Wachbataillon der Bundeswehr gab dem einstigen Ritterkreuzträger das letzte Geleit.

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