Bombenfund in der Ahrweiler Altstadt Ein Relikt, das alles auf den Kopf stellt

Ahrweiler · Für Ahrweiler ist der Bombenfund und die Entschärfung am kommenden Wochenende in der Altstadt eine Premiere. Die Stadt Remagen hat bereits Erfahrung mit Blindgängern.

Kommenden Sonntag wird in Ahrweiler die vergangene Woche Mittwoch auf einem Grundstück an der Schützbahn gefundene Fünf-Zentner-Bombe entschärft. Für die Kreisstadt ist das eine Premiere, inklusive der Evakuierung von 3600 Menschen im Umkreis von 500 Metern rund um den Fundort. Die Fäden für die komplette Maßnahme laufen im Rathaus zusammen. Wobei auch der Blick in Richtung Remagen geht. Denn dort fielen zum Ende des Zweiten Weltkrieges Unmengen von Bomben und es wurden immer wieder Blindgänger entdeckt.

Die jüngste Entschärfungsaktion erlebte die Rheinstadt am 18. Februar vor 13 Jahren. Das war ein Mittwoch. Zwei Tage zuvor hatte der Kampfmittelräumdienst Koblenz bei Sondierungsarbeiten im Neubaugebiet „Am Römerhof“ eine amerikanische 20-Zentner-Bombe gefunden und so für den größten vorbeugenden Ernstfalleinsatz in der Geschichte der Stadt gesorgt. Für die Entschärfung des Ungetüms, das das vierfache Gewicht seines Ahrweiler Gegenstücks auf die Waage brachte, mussten damals 4400 Menschen im Umkreis von 1000 Metern nachmittags ihre Wohnungen, Häuser und Büros verlassen.

Bis zur Sperrung des Gebietes und der kurzzeitigen Schließung von Bundesstraße 9 und Bahnstrecke hatte in Remagen Alltag geherrscht. Die Schulen erteilten Unterricht bis zur sechsten Stunde, sorgten dann für die umgehende Heimkehr der Schüler.

Zu diesem Zeitpunkt lief im Krankenhaus Maria Stern bereits die Evakuierung. 50 Zimmer mussten unter Federführung von Pflegedienstleiter Hermann-Josef Bliersbach geräumt und 100 Patienten in den rückwärtigen Bereich des Krankenhauses verlegt werden. Drei Intensiv-Patienten wurden im OP-Trakt in Sicherheit gebracht. Für bettlägrige Patienten hatten die Verantwortlichen die Aula hergerichtet. „Unser Operationsprogramm haben wir um 12.30 Uhr beendet, und für den Notfall drei alternative Intensivräume eingerichtet“, berichtete damals Verwaltungsdirektor Herbert Leonhard dem General-Anzeiger.

Wie in Ahrweiler war damals in Remagen ein Seniorenheim am ärgsten von der Evakuierung betroffen. Die Curanum-Seniorenresidenz mit ihren 120 Bewohnern musste vollständig geräumt werden. Und da gab es Nachbarschaftshilfe. Denn alle Turnhallen in Remagen lagen mitten im Sperrgebiet. Da sprang Sinzig mit der Rhein-Ahr-Halle ein. Diese glich an diesem Nachmittag einem riesigen Lazarett, denn allein 50 Betten waren vom Roten Kreuz kurzfristig aufgeschlagen worden. Für den Transport von Rollstuhlfahrern war mit Spezialfahrzeugen gesorgt worden. 15 Rettungswagen übernahmen den Transport der Senioren. Und dafür, dass es auch mit der Versorgung klappte, sorgte der Küchenzug des Roten Kreuzes aus Weibern.

85 Polizisten aus Remagen und Mayen, 70 Helfer des Deutschen Roten Kreuzes und 50 Feuerwehrleute waren vor 13 Jahren im Einsatz, um Straßen zu sperren, das Sperrgebiet zu räumen, Familien und Kinder zu betreuen sowie bettlägrige und nicht gehfähige Menschen an einen sicheren Ort zu bringen. Gerade einmal sieben Minuten dauerte an diesem Nachmittag die Entschärfung der Bombe. Feuerwerker Dietmar Schmied hatte ganze Arbeit geleistet und einen Kopfaufschlagzünder, der die Größe einer Handgranate hatte, entfernt. Die Bombe in Ahrweiler verfügt ebenfalls über einen solchen mechanischen Zündmechanismus. „Wäre es ein Säurezünder, hätte sie schon längst entschärft werden müssen“, hatte Bürgermeister Guido Orthen erklärt, nachdem der Kampfmittelräumdienst den Typ des Sprengkörpers festgestellt hatte.

Im August 1998 brauchte der Kampfmittelräumdienst für die Entschärfung einer 1000-Kilo-Bombe auf dem späteren Gelände der Fachhochschule zehn Minuten, 1500 Menschen mussten evakuiert werden. 1999 entschärfte Dietmar Schmied ein weiteres 20-Zentner-Monstrum im Remagener Wald. Dafür mussten 20 Häuser am „Wässigertal“ evakuiert werden. Für den Profi-Feuerwerker galt auch damals der Wahlspruch, den seine Kollegen im Kampfmittelräumdienst heute beherzigen: „Das darf niemals Routine werden.“

Während die Mehrzahl der auf Remagen niedergegangenen Bomben zum Ende des Zweiten Weltkriegs ihre Ursache im Fluchtweg der Wehrmachtseinheiten über die Ludendorff-Brücke hatten, stammt die Bombe von Ahrweiler aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Luftangriff am 29. Januar 1945. Damals wurde im Umfeld des heutigen Fundortes die Ahrhutstraße zerbombt. Der Angriff forderte 86 Menschenleben. An die Opfer erinnert eine Gedenkstätte auf dem Ahrweiler Ahrtorfriedhof.

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