Angebot des Hospiz-Vereins Ein Ort für Trauernde in Bad Neuenahr

KREIS AHRWEILER · Wer nach dem Verlust eines nahe stehenden Menschen mit seinen Emotionen nicht allein bleiben will, kann sich beim Hospiz-Verein Rhein-Ahr-Eifel mit anderen Trauernden austauschen. Die Treffs unter fachkundiger Leitung sollen die Rückkehr ins Alltagsleben erleichtern.

Nicht die Weihnachtszeit ist die schlimmste Zeit für Trauernde, sondern die Zeit nach dem Jahreswechsel. Diese Erfahrung hat Berta Bauer in den vergangenen 15 Jahren gemacht, in denen sie Trauertreffs beim Hospiz-Verein Rhein-Ahr-Eifel leitet: „Da ist zum einen das Gefühl, dass vieles, was im vergangenen Jahr gewesen ist, zu Ende ist. Zum anderen ist da die Frage: Jetzt habe ich das ganze Jahr vor mir. Wie fülle ich das?“

Mit der Beantwortung dieser Frage, aber auch mit den anderen Emotionen Trauernder befassen sich die Treffs: mit Zweifeln und Unsicherheiten, Angst, Wut, Ohnmacht und Schuld. „Fast jeder, der kommt, fragt sich: Warum? Bin ich schuld? Was habe ich unterlassen oder nicht bemerkt?“, sagt Berta Bauer.

Viele müssen sich umorientieren

Wer in Trauer ist, hat eine dünne Haut, und die ist sehr verletzbar, erklärt sie weiter: „Da braucht es manchmal nur ein Wort, das ein anderer überhaupt nicht böse meint, und der Trauernde ist verletzt. Oder er fühlt sich nicht mehr gemocht oder gewollt, wenn jemand mal keine Zeit für ihn hat, obwohl er es vom Kopf her anders weiß. Aber Trauernde fühlen sich ja eh schon verlassen, weil sie einen ihnen nahe stehenden Menschen verloren haben. Und dann ist da die eigene Positionierung im Leben, die Umorientierung. Manchmal passt man in alte Konstellationen nicht mehr rein, oft bleiben nicht viele alte Freundschaften.“

Die Trauertreffs böten Zeit und Raum, innezuhalten, Solidarität zu spüren und einander Trost zu schenken. Ganz vielen helfe es schon, nur einmal oder auch einige Male in die Gruppe oder zum ebenfalls möglichen Einzelgespräch zu kommen, um zu erleben, dass sie ‚normal’ reagieren auf den Verlust des geliebten Menschen. In der Gruppe erführen sie Gemeinschaft und dass andere ähnliche Gefühle haben, so Bauer. Für ein Treffen unter Gleichgesinnten bietet der Hospiz-Verein Rhein-Ahr-Eifel Trauernden drei Termine an: Die Frühstücksgruppe am Morgen in Bad Neuenahr, die Berta Bauer leitet, sowie eine Nachmittagsgruppe in Adenau unter der Leitung von Sabine Bilnik-Clauß und einen Trauertreff am Abend mit Winfried Seifert.

Verlust und Gewinn

Alle Gruppen treffen sich einmal im Monat. „Ziel ist, dass die Trauernden über ihre Trauer reden können und wieder zum Alltagsleben zurückfinden und auch etwas Positives in ihrem Leben sehen trotz des erlittenen Verlusts. Denn wer auf der einen Seite etwas verliert, gewinnt auf der anderen Seite oft auch etwas“, sagt Bauer. Manche entdeckten Freiheiten neu: Dass es auf einmal keine Rolle mehr spielt, ob sie etwas kochen oder nicht, oder dass sie sich mit anderen treffen können, wann sie wollen. Oft seien es kleine Dinge, die helfen, sich auf den Weg zu machen. „Und wer herkommt, hat ja schon den ersten Schritt getan und für sich festgestellt, dass es so wie es ist nicht bleiben kann.“

Die meisten kommen etwa eindreiviertel bis ein Jahr nach dem Tod eines Angehörigen zu den Trauertreffs, „aber egal, wann man kommt: Wenn das Bedürfnis zu kommen da ist, ist der Zeitpunkt richtig“, sagt Bauer. Die Mutter von fünf Kindern, die vor 25 Jahren plötzlich ihren Mann verlor, hat eine Ausbildung als Trauerbegleiterin absolviert. Rund 70 trauernde Menschen hat sie im vergangenen Jahr bei den Treffs in Bad Neuenahr betreut. Für jede monatliche Zusammenkunft gibt es ein Leitthema, aber nicht selten geht es auch um ganz andere aktuelle Fragen. Eine Frau habe einmal geklagt, sie komme nicht aus dem Handyvertrag ihres verstorbenen Mannes heraus – dann seien unter anderem Probleme mit Versicherungen thematisiert worden. Viele seien auch froh, in dieser Runde einfach mal weinen zu können, wenn Verwandte und Bekannte sagen: „Deine Trauer dauert jetzt schon drei Monate, und du hast uns deine Wehwehchen schon 50 Mal erzählt.“

Gemeinsame Unternehmungen

Zusätzlich zu den Gesprächsrunden werden zahlreiche Aktivitäten angeboten. Im vergangenen Jahr zählten dazu eine Wanderung mit Schiffsfahrt von Remagen nach Linz und zurück, eine Fahrt zum Konzert nach Köln, eine Tour mit dem Vulkanexpress und Plätzchenbacken für den Uferlichter-Stand des Hospiz-Vereins im Dezember. Termine sind oft am Wochenende oder abends, weil diese Zeiten die schlimmsten für Trauernde sind, berichtet Berta Bauer.

Hochachtung habe sie vor all denen, die sich gerade im hohen Alter noch einmal auf den Weg machen in einen neuen Lebensabschnitt, Fahrstunden nehmen und nach Jahren wieder Auto fahren oder ganz neue Hobbys für sich finden.

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