Informationsflut und Vertrauensverluste Diskussionen über Neue Medien bei den Ahrweiler Freiheitswochen

BAD NEUENAHR · „Alte Medien, Neue Medien – Die Zukunft der Demokratie“ lautete der Titel einer Diskussionsveranstaltung der Ahrweiler Freiheitswochen. Der Chefredakteur des General-Anzeigers, Helge Matthiesen, übernahm die Moderation der Debatte.

„Fakten, alternative Fakten und Meinungen im Spannungsfeld der journalistischen Aufarbeitung – das ist ein spannendes Thema“, freute sich Bürgermeister Guido Orthen in seiner Begrüßung zur Diskussionsveranstaltung, die in Kooperation mit dem General-Anzeiger stattfand. Spannend wurde es. Schließlich ging es um die Gefahr, dass mit hoher Pulsfrequenz mehr und mehr alles Geschriebene in die Cybersphäre verfrachtet wird, digitale Worte in Zeiten der steigenden Informationsflut zum Wegwerfartikel werden, ein Kontrollverlust nicht mehr ausgeschlossen werden kann, langsames (Nach-) Denken in einer immer schneller werdenden Gesellschaft seltener möglich ist.

„Kommunikation läuft heute anders als früher“, unterstrich die 17-jährige Calvarienberg-Schülerin Hannah Wiemer. Nämlich über Whatsapp, Facebook oder Twitter. „Neue Medien sind in unserem Alltag ganz normal“, führte sie aus. Sie traue sich sehr wohl zu, unseriöse Nachrichten von seriösen zu unterscheiden. Was den Jugendmedienschutz anbetrifft, so räumte sie ein: „Wir sind sensibilisiert. Trotzdem werden Verbotsgrenzen überschritten. Meistens sind wir einen Schritt weiter als unsere Eltern oder Lehrer.“

"Eltern sind in der Pflicht"

Arne Busse von der Bundeszentrale für Politische Bildung appellierte an die Erwachsenen, ihren Kindern einen souveränen Umgang mit den neuen Medien zu vermitteln. Die Bundeszentrale schaffe einfache Zugänge in das Thema Digitale Gesellschaft, sie vermittele Kompetenz und Verständnis. Dennoch seien Eltern in der Pflicht. Das bestätigte auch Oliver Havlat, Leitender Redakteur Digitales bei der Verbraucherzentrale. Aber: Nicht alle Eltern könnten für einen pädagogisch sinnvollen Umgang mit den neuen Medien erreicht werden. Dies gelinge nur beim Bildungsbürgertum.

Umso mehr müssten die einschlägig bekannten Plattformen in die Pflicht genommen werden: „Der Presserat mit seiner Wächterfunktion ist ja eine freiwillige Veranstaltung.“ Eine Selbstverpflichtung forderte auch Mario Anastasiadis. Der Geschäftsführer des Graduiertenkollegs „Digitale Gesellschaft“ an der Universität Bonn: „Fake News gab es schon immer. Nicht nur die Politik, auch die Medien werden heute zunehmend kritischer gesehen.“

„Die Lüge ist interessanter als die Wahrheit“

Ob sich das Denken in der Demokratie durch die neuen Medien verändere, fragte GA-Chefredakteur Matthiesen. „Es ändert sich der Rahmen, in dem das stattfindet“, so Anastasiadis. Dass klassische Medien mit ihren engen Bindungen zu ihren Konsumenten für viele als besonders glaubwürdig gelten, unterstrich Tilman Rauh, Studioleiter beim WDR in Bonn. Es werde immer schwieriger, Fake News in den elektronischen Medien zu erkennen. „Die Lüge ist interessanter als die Wahrheit“, so Rauh. Zwar habe auch der WDR zahlreiche Follower in den neuen Medien: Um den Preis der journalistischen Glaubwürdigkeit wolle er aber nicht auf Digitales setzen. Die klassischen Medien stünden für sorgfältige Recherche und Qualitätsjournalismus. Hierfür garantiere deren Unabhängigkeit. Rauh: „Es gibt keinerlei Einflussnahme.“

Vertrauen und Glaubwürdigkeit seien die wichtigsten Kriterien, so Busse, Nachrichten, die nicht überprüfbar seien, stehe man skeptisch gegenüber. Das Meinungsspektrum müsse abgebildet sein. „Demokratie heißt: die Herrschaft des Volkes. Das Grundprinzip der Beteiligung aller muss dabei gewährleistet sein.“ Havlat verwies auf den hohen Geschwindigkeitsdruck, mit dem in den neuen Medien gearbeitet werde. Immer mehr Blogs arbeiteten daran, Vertrauen zu schaffen.

Und die Zukunft der Zeitung? „Das Geschäftsmodell hat sich gewandelt“, so GA-Chefredakteur Helge Matthiesen. „Ein Massenmedium wird es nicht mehr sein“, schloss Oliver Havlat.

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