Chorvereine im Kreis Ahrweiler "Die Zeichen der Zeit nicht erkannt"

Wenn man nichts tut, tut sich nichts." Das ist Günter Nergers Motto, wenn es darum geht, Menschen für den Gesang im Chor zu begeistern.

Weil immer mehr Männergesangvereine im Kreis über Nachwuchsmangel und Überalterung klagen 2014 lösten sich in Bad Breisig, Hönningen und Kirchdaun sogar ganze Traditionsvereine ganz auf - will der Vorsitzende des Kreis-Chorverbandes (KCV) neue Wege beschreiten. Marion Monreal sprach mit ihm darüber, wie man dem "Chorsterben" entgegenwirken kann.

Was sind die Gründe, dass viele Chöre ums Weiterbestehen bangen?
Günter Nerger: Es sind mehrere Gründe. Fast jedes Dorf hat einen eigenen Chor, was bedeutet, dass es eine kleine Einheit besonders schwer hat zu überleben und Nachwuchs zu rekrutieren. Dann glaube ich, dass es einige Vereine gibt, die nicht rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt haben. Ein Beispiel aus meiner Heimat Niederzissen: Da haben wir vom Männergesangverein über Jahre 1000 Familien mit potenziellen Sängern besucht, also Klinken geputzt und das "Feld beackert".

In mehreren Werbeaktionen wurden die Bürger handverlesen angeschrieben und dann zeitnah besucht. Ergebnis: 17 neue Sänger und, was nicht weniger wichtig ist, 160 fördernde neue Mitglieder. Man muss um jeden Sänger kämpfen. Globale Gründe liegen aber in der alternden Gesellschaft, dem erhöhten beruflichen Stress, hohem Freizeitangebot, fehlender Bereitschaft, sich zu binden und schon gar nicht, Ehrenämter zu übernehmen. Das trifft ja im Übrigen auch auf andere Vereine zu.

Und wie nimmt man die jungen Menschen mit? Neue Chöre und gemischte Projektchöre boomen bundesweit. Demnach scheint der Spaß am Singen ja da zu sein.
Nerger: Ohne Zweifel, der Spaß am Gesang ist ungebrochen. Steigende Zahlen bei den neugegründeten Chören belegen das. Leider öffnen viele beim Wort "Männergesangverein" die Klischee-Schublade "altbacken" und traditionelles Liedgut. Wir singen mehr als nur "Am Brunnen vor dem Tore". Viele würden sich wundern, wenn sie die Repertoires der heutigen Chöre kennen würden. Da erklingen auch moderne Rock- und Pop-Lieder, Musicals und Gospels, da werden Songs in Englisch, Italienisch oder gar Afrikanisch vorgetragen.

Aber wir können auch Bruckners "Ave Maria". Was alles möglich ist, davon kann sich jeder gerne am 26. April in der Bad Neuenahrer Konzerthalle beim Kreischorkonzert mit sechs Chören überzeugen. In den Projektchören liegen in der Tat große Chancen, den Chorgesang weiterzuentwickeln.

Haben Sie ein Erfolgs-Beispiel?
Nerger: Ja. Wir gründeten 2012 zum 110-jährigen Bestehen des MGV Niederzissen einen gemischten Projektchor. Die Frauen und Männer waren derart begeistert, dass der Chor "Grenzenlos" nun weiter agiert als eine MGV-Abteilung mit 60 guten Sängerinnen und Sängern.

Welche Maßnahmen könnten Früchte tragen?
Nerger: Wenn wir uns heute in Ringen zum KCV-Delegiertentag treffen, dann möchten wir den Posten eines Jugendreferenten besetzen. Darüber hinaus leisten wir wichtige Hilfestellungen, zum Beispiel bei der Aus- und Weiterbildung von Chorleitern, beraten in Sachen Steuer-, Versicherungs- und Vertragsrecht, unterstützen aber auch bei der Mitgliederwerbung. Und eine starke Option ist natürlich, dass sich Chöre in Dörfern zusammenschließen. Bei reinen Neugründungen gibt es auch auf Landes- und Bundesverbandsebene viel Unterstützung. Da lohnt es sich, Beratung und Rückendeckung zu holen.

Worum wird sich der Jugendreferent kümmern?
Nerger: Wir wollen verstärkt in Kindergärten gehen - der Landesverband zeichnet aktive Kitas mit der Plakette "Caruso" aus - und Kindergärtnerinnen schulen. Über das jährlich in Bad Neuenahr stattfindende Schulchorsingen hinaus wird der Jugendreferent Kontakte mit den Schulen suchen. Denn wir möchten gerade mit unseren Möglichkeiten dafür sorgen, dass dort für den Gesang der Grundstein gelegt wird. Wer einmal in einem Chor gesungen hat, wird später wieder den Weg dorthin finden. Was bei den Sportvereinen an Nachwuchsarbeit geleistet wird, muss künftig bei den Chören auch drin sein. Fakt bleibt: Die Chöre müssen in ihrem Beritt aktiv werden, es hat da leider in der Vergangenheit oft an Professionalität gefehlt.

Wie schauen Sie in die Zukunft?
Nerger: Optimistisch, unseren Chören geht nicht die Luft aus. Es kann ja nach der Talfahrt nur besser werden, denn Wellenbewegungen in den Mitgliederzahlen gab es immer. Wir müssen über ein Miteinander aller Generationen nachdenken und vermitteln: Wir sind fortschrittlich und modern, Singen in der Gemeinschaft ist für jedes Alter eine Bereicherung. Und: Aus medizinischer Sicht fördert es die Gesundheit von Körper und Geist.

Zur Person

Günter Nerger (66), in Sinzig groß geworden, lebt in Niederzissen. Der ehemalige KSK-Mitarbeiter, PR- und Marketingmann löste 2013 Norbert Reineri als Chef des Kreis-Chorverbandes (KCV) mit rund 40 Chören und 1300 Mitgliedern ab. Der Vater von drei erwachsenen Kindern leitet seit 22 Jahren den mit rund 270 Mitgliedern zweitgrößten Gesangverein im Kreis, den MGV Niederzissen 1902.

Nerger möchte, sofern er beim heutigen KCV-Delegiertentag im Amt bestätigt wird, mit seinem Vorstandsteam Aktivitäten wie das Kreis-Chorkonzert wiederbeleben, aber auch bei der Nachwuchs-Akquise mit einem Jugendreferenten neue Wege gehen.

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