Vortrag und Diskussion in Bad Neuenahr Der Politik fehlt es an Leidenschaft für Europa

BAD NEUENAHR · Eine lebhafte Diskussion zur Zukunft der EU bestimmte im Bad Neuenahrer Wohnstift Augustinum eine der wichtigsten Veranstaltungen anlässlich der vierten Ahrweiler Freiheitswochen.

 Diskutieren über die Zukunft der EU: Eckhard Lübkemeier (v.l.), Thomas Schwarz, Ebba Hagenberg-Miliu und Siebo M. H. Janssen.

Diskutieren über die Zukunft der EU: Eckhard Lübkemeier (v.l.), Thomas Schwarz, Ebba Hagenberg-Miliu und Siebo M. H. Janssen.

Foto: Martin Gausmann

Drei Befürworter des Europäischen Staatenbündnisses diskutierten dabei im Theatersaal vor knapp 100 Zuhörern über das Thema „Die Zukunft unserer Europäischen Union“ und stellten sich den Fragen von Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu. Die Sichtweise der drei auf die aktuelle Lage hätte unterschiedlicher nicht sein können.

Für den Dozenten und Referenten in EU-Fragen, Siebo M.H. Janssen, etwa befindet sich Europa derzeit in einer existenziellen Krise, die auf gleich drei Gründen fußt: der derzeit gebremsten Finanzkrise, die durch Italien in voller Absicht, die EU durch die Schwächung des Finanzsystems zu zerstören, wieder heraufbeschworen werden könnte. Weiterhin ungelöst sei die Asyl- und Flüchtlingsfrage, zumal die Zahl flüchtender Menschen im Jahr 2050 auf mehr als 220 Millionen und damit fast vier Mal so hoch wie aktuell geschätzt werde.

Außerdem gebe es eine rasante Zunahme des Populismus, überall in Europa seien autoritäre Tendenzen spürbar. Janssens Vorschlag zur Lösung: „Über eine 'Koalition der Willigen' nachdenken und nicht jede Entscheidung von 27 Mitgliedern genehmigen lassen.“

Friedensgedanke zeigt heute keine Wirkung mehr

Publizist Thomas Schwarz betrachtete Europa aus globaler Sicht und stellt vielfach eine falsche Wortwahl fest. So gebe es keine Flüchtlingskrise, es müsse einzig die Flüchtlingsfrage besprochen werden. „Was mir fehlt, ist die Begeisterung für Europa“, so Schwarz, der auch feststellte, dass der dem Staatenbündnis zugrunde liegende Friedensgedanke heute keine Wirkung mehr zeige. „Ich will morgens als erstes das Fenster aufmachen und 'Frieden – Freiheit – Europa' rufen.“ Damit stoße er bei der jungen Generation auf Kopfschütteln.

Der ehemalige Botschafter Eckhard Lübkemeier ist auch der Überzeugung, Europa brauche mehr Leidenschaft, vor allen Dingen in den politischen Führungen der Mitgliedsstaaten. „Europa ist ein Vernunftprojekt, aber auch eines, dass diese Leidenschaft erfordert“, so Lübkemeier. Er hatte eine klare Ansage an das Auditorium: „Gehen Sie am 26. Mai wählen.“ Denn das Projekt Europa, das sich seit zehn Jahren in einer Dauerkrise bewege, stehe auf der Kippe.

Zusammenarbeit mit Frankreich stärken

Europa ist in ständiger Bewegung, und darum wollte Moderatorin Ebba Hagenberg-Miliu wissen, ob der Tag der Podiumsdiskussion, an dem sich der Bundestag für eine verstärkte parlamentarische Zusammenarbeit mit Frankreich aussprach, an dem von der EU gegen Google eine 1,49 Milliarden-Euro-Strafe verhängt wurde, an dem der Brexit in die Verlängerung zu gehen schien und an dem Ungarns Ministerpräsident Orban und seine Fidesz-Partei von der Europäischen Volkspartei kaltgestellt wurden, ein guter Tag für Europa gewesen sei.

„Eindeutig ja“, so Lübkemeier: „Der Aachener Vertrag hebt die Beziehung zu Frankreich auf eine neue Stufe. Aber die deutsche Politik darf nicht nur Antworten geben, sie muss sagen, wie sich Deutschland die künftige EU vorstellt.“ Janssen sieht es ähnlich: „In der Regierung ist keiner mit Herz für die EU, mit Martin Schulz ging der letzte richtige Europa-Kämpfer. Tragisch, dass die SPD ihn verbrannt hat.“ Schwarz, der in Budapest wohnte, machte klar: „Dass eine Partei wie Fidesz überhaupt Teil eines demokratischen Systems ist, ist ein 'no go'.“

Schließlich kam auch das Publikum zu Wort. Das hatte die Diskussion über eine gemeinsame Verteidigungspolitik vermisst. Da wurde gefragt, wie man Europa der Jugend schmackhaft machen könne oder ob Zeit für eine neue europäische Verfassung sei. Themen gab es genug, in den 90 Minuten konnte lediglich die aktuelle Situation angerissen werden.

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