Ehemaliges KZ im Ahrtal Broschüre zum Lager Rebstock ist Makulatur

MARIENTHAL · Die Landeszentrale für politische Bildung in Mainz zieht ihr Heft „Das Lager Rebstock 1943/44 – Rüstungsbetrieb und KZ im Ahrtal“ zurück. Als Gründe für die Rückrufaktion werden inhaltliche Fehler und methodische Mängel angeführt.

 Wolfgang Gückelhorn (Mitte) erläuterte beim Besuch der Grünen-Landtagsabgeordneten die Erinnerungsstätte Marienthal. Das Großbild des einstigen Tunneleingangs im Hintergrund zeigt nicht das Original. Es gab nur ein passendes Foto des gegenüberliegenden Tunnels.

Wolfgang Gückelhorn (Mitte) erläuterte beim Besuch der Grünen-Landtagsabgeordneten die Erinnerungsstätte Marienthal. Das Großbild des einstigen Tunneleingangs im Hintergrund zeigt nicht das Original. Es gab nur ein passendes Foto des gegenüberliegenden Tunnels.

Foto: Martin Gausmann

Die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) hat ihre Info-Broschüre zum „Lager Rebstock“ in Marienthal vom Markt genommen. Grund: inhaltliche Fehler. Das teilte deren Leiter, Uwe Bader, mit. Band 70 in der Reihe „Blätter zum Land“, der wie die anderen Bände als Material für Schulen gedacht war, ist Makulatur. Dito die entsprechende Internetseite, die von den Mainzern aus dem Netz genommen wurde.

Doch schön von vorn.1987 wurde am alten Bahndamm bei Dernau eine Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus angebracht, seit Ende der 1980er Jahre gab es erste, zum Teil abenteuerliche Literatur zu einem Lager bei Marienthal, 2016 erschien in der Reihe „Blätter zum Land“ der Landeszentrale für politische Bildung das Heft „Das Lager Rebstock 1943/44 – Rüstungsbetrieb und KZ im Ahrtal“ mit einer Auflage von 10 000 Exemplaren, seit November 2017 befindet sich vor dem Hauptportal des ehemaligen Regierungsbunkers eine Erinnerungsstätte.

Streit der Hobby-Historiker begann nach der Einweihung

All dies ist von Anfang an kontrovers diskutiert worden. Doch erst seit der Einweihung der Erinnerungsstätte gibt es einen Streit der Hobby-Historiker. Auf der einen Seite Wolfgang Gückelhorn aus Bad Breisig, Autor des „Rebstock-Heftes“, auf der anderen Matthias Bertram, in Ahrweiler lebender gebürtiger Dernauer, der Gückelhorns Ausführungen über Galgen, Hinrichtungen, Zeiten und auch Zahlen anzweifelt, sich auf Zeitzeugen beruft.

Bisheriger Höhepunkt: ein Faktencheck in der ehemaligen Synagoge von Ahrweiler unter Moderation von Dieter Burgard, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der NS-Gedenkstätten. Eine Aktion auf Initiative des Bürgervereins Synagoge, der auch Träger der Marienthaler Einrichtung ist. Ausgang: nur noch mehr Fragen.

Burgard riet Bertram, doch ein Buch zu schreiben. Das hat dieser getan (der GA berichtete) und das Werk mit vielen Fragezeichen der Landeszentrale übermittelt. Dito eine Liste mit Kritikpunkten, die er schon beim Faktencheck genannt hatte. Gückelhorn hat am Montag noch einmal seine Rechercheunterlagen nach Mainz gemailt.

Per Mail wurde er dann auch von der Landeszentrale über die Zweifel informiert, die zum Stopp der von ihm verfassten Broschüre führten. „Da wird es eine Art Schiedsrichter geben, der meine und Bertrams Unterlagen prüft“, ist sich Gückelhorn sicher. „Meine Unterlagen zeigen den Sachstand von 2015 auf.“ Die Landeszentrale kündigt indes an: „Die LpB wird in Kürze eine umfassende geschichtswissenschaftliche Studie über das 'Lager Rebstock' in Auftrag geben. Für diese Aufarbeitung ist die LpB dabei, einen ausgewiesenen Historiker auszuwählen.“

Auf Nachfrage des General-Anzeigers erklärte Uwe Bader, der 2016 Gückelhorns Schrift in Ahrweiler präsentiert hatte: „Bei den eigenen Nachforschungen, die aufgrund von Hinweisen durch den Buchautor Matthias Bertram erfolgten, wurde festgestellt, dass der Stopp des Blattes zum Land vor allem auf Grund von methodischen Mängeln notwendig ist. Umformulierungen von Zitaten aus Primärquellen und nicht zweifelsfrei belegbare Schlussfolgerungen sind Gründe dafür, dass eine Korrekturfassung nicht sinnvoll wäre. Durch den Sprachfluss und Aussagen des Autors, alles sei belegt, wurde dies nicht rechtzeitig erkannt.“

Landeszentrale „bedauert die Fehler außerordentlich“

Die Landeszentrale anerkenne aber Gückelhorns Arbeit, die durch „großes Detailwissen, umfangreiche Quellenrecherchen in Archiven und durch die Nutzung zahlreicher Primärquellen“ geprägt sei. Dennoch, so räumt die LpB in einer Pressemitteilung ein: „Einige methodisch-handwerkliche Fehler des mit der Schrift beauftragten Autors wie unkorrekt wiedergegebene oder sprachlich veränderte Zitate und eine bislang wissenschaftlich nicht belegbare Interpretation der Quellen und der Forschungsliteratur bei der Frage, ob im Lager Rebstock bewusst und regelmäßig kranke Häftlinge getötet wurden, führen dazu, das entsprechende Heft in dieser Form nicht mehr anzubieten. Die Fehler bedauert die LpB außerordentlich.“

Die LpB kündigt an, dass die Studie des noch auszuwählende Wissenschaftlers die „Ergebnisse der Forschungen von Gückelhorn und Bertram unter die Lupe nehmen wird. Sie wird dann aber auch benennen, was aufgrund der Quellenlage nicht eindeutig ist und im Dunkeln bleiben muss oder wo Bewertungen zu korrigieren sind.“ Eine Neuausgabe des „Blattes zum Land“ werde es erst in Abstimmung des Verfassers der wissenschaftlichen Studie geben.

Mainz bietet dem Bürgerverein Synagoge als Träger Hilfe an

Wichtig für die Erinnerungsstätte, an der sich auch die Kreisstadt, die Grafschaft und die Verbandsgemeinde Altenahr beteiligt haben: „Sollten auch an der Gedenkstätte Fehler zu korrigieren sein, wird die Landeszentrale nach Vorliegen der wissenschaftlichen Studie dem Bürgerverein Synagoge Ahrweiler bei eventuell erforderlichen Veränderungen behilflich sein“, sagte Bader dem General-Anzeiger.

Die Erinnerungsstätte besuchten just am Tag der Pressemeldung aus Mainz auf Einladung des Grünen-Kreisverbandes um Christoph Scheuer die beiden Grünen-Landtagsabgeordneten Katharina Binz und Pia Schellhammer, die sich in ihrer Fraktion um das Thema Gedenkarbeit kümmern.

Abgeordnete begrüßen, dass der Sache nachgegangen wird

Die Abgeordneten auf Sommertour betonten im GA-Gespräch, wie „wichtig die Arbeit vor Ort dafür ist“. Marienthal sei ein positives Beispiel. Zum neuen Kurs der LpB sagte Binz: „Es ist gut, dass der Sache nachgegangen wird. Und wenn in zehn Jahren wieder neue Fakten da sind, muss das Blatt eben wieder überarbeitet werden. Das ist keine Steuergeldverschwendung.“

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