Renommierter Weinhändler Brogsitter leitet Neubeginn für die "Kur AG" in Bad Neuenahr ein

BAD NEUENAHR · Seit einem halben Jahr gehört die "Kur AG" in Bad Neuenahr dem Weinhändler Hans-Joachim Brogsitter. Die Aktiengesellschaft Bad Neuenahr firmiert in Zukunft als reine Immobilienverwaltung.

Hans-Joachim Brogsitter ist bekannt dafür, seiner Heimat besonders verpflichtet zu sein. Seine Weingüter gehören zu den ältesten und renommiertesten der Welt, seit mehr als 400 Jahren widmet sich die Brogsitter-Familie dem Weinbau, seit 1860 ist sie als Exporteur deutscher Weine tätig: Der 1951 geborene Unternehmer wahrt als Nachkomme dieses alten Winzergeschlechtes, das seit dem 15. Jahrhundert im Ahrtal ansässig ist, Tradition und Erfahrung. „Ich bin hier verwurzelt, meiner Heimat bin ich sehr verbunden“, sagt er. Und gibt damit die Antwort auf die Frage, warum er in die Aktiengesellschaft Bad Neuenahr (AGBN) investiert hat.

Seit einem halben Jahr gehört ihm die ans Straucheln geratene „Kur AG“, die er aus der Insolvenz holte, um sie in eine neue Zukunft zu führen. 160 Jahre ist die Aktiengesellschaft Bad Neuenahr nun alt. Dass sie überhaupt noch einen Geburtstag feiern kann, verdankt sie dem Wein- und Sektgroßhändler.

Krise der AGBN beschäftigte ihn

Die Geschichte der 1858 mit Hilfe der Stadt gegründeten Aktiengesellschaft und ihr drohendes Ende hätten ihn sehr beschäftigt, sagt er im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Immer wieder sei er auf das vom Absturz bedrohte Traditionsunternehmen angesprochen worden, bis er schließlich selbst einen Schlussstrich unter die von Verdruss und Fehde mit der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler gezeichnete jüngere Firmenvita zog – und die „Kur AG“ selbst übernahm.

Der Investor kaufte 25 unbebaute, 23 bebaute und rund zehn Erbbaugrundstücke. Das Steigenberger Kurhotel, das Thermalbadehaus, das Casino oder auch das Kurhaus – allesamt geschichtsträchtige Gebäude, die das Flair der Kur- und Badestadt maßgeblich bestimmen – gehören dazu. Kaum war das vom Koblenzer Rechtsanwalt Jens Lieser gesteuerte Insolvenzverfahren zum Abschluss gebracht, stellte Brogsitter die übernommene Unternehmung neu auf. Die Aktiengesellschaft Bad Neuenahr, im Volksmund auch gerne „Kur AG“ genannt, lebt also weiter.

Dieter Sturm, stellvertretender Geschäftsführer der Brogsitter Unternehmensgruppe, und Ralph Orth, Inhaber der Area Consult – ein auf Immobilienvermarktung spezialisiertes Bad Neuenahrer Unternehmen –, bilden seit dem 1. Februar den Vorstand der Aktiengesellschaft. Orth hatte zuvor bereits den Hauptumsatzbringer der AGBN, die Seniorenresidenz „Villa Sibilla“ übernommen und war vor Jahren vom früheren Vorstand der Gesellschaft, Christoph Reinicke, mit der Vermarktung der firmeneigenen Ladenflächen betraut worden. Er kennt die AGBN also aus dem Effeff.

Alles rund um die Gesundheit

80 Prozent der zum Unternehmensvermögen gehörenden Flächen seien inzwischen vermietet, so Orth. Das Thermalbadehaus werde Zug um Zug saniert und als „Medical Center“ genutzt. Alles rund um die Gesundheit soll sich hier unter einem Dach vereinigen. Schon jetzt gibt es dort eine Radiologie, ein Orthopaedicum, eine Ergotherapie, eine Physiotherapie, eine Osteopathie, Neurologie, Psychiatrie, eine Ernährungsberatung, ein Sanitätshaus, Fußpflege, Ayurveda oder auch ein Medical Fitness Studio.

Sukzessive wolle man die bei Übernahme stark sanierungsbedürftige Immobilie weiter auf Vordermann bringen – stets in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Das erfordere Zeit. Auch die Außenfassade werde man in Angriff nehmen. Wann, vermochte Orth noch nicht zu sagen. Noch mehr als 20 Jahre laufe der Vertrag mit dem Steigenberger Hotel, in das ebenfalls kräftig investiert werde, wie auch das aus der Gründerzeit stammende Kurhaus im Bestand dauerhaft erhalten bleibe. Quasi als Dauer-Sanierungsaufgabe.

Im Gegensatz zur früheren Aktiengesellschaft betreibe man den medizinischen Bereich im Thermal-Badehaus nicht in Eigenregie, sondern vermiete lediglich die Flächen an Dienstleister im Gesundheitswesen. Anders als die AGBN der zurückliegenden Jahre arbeite man mit wenig Personal, sondern vielmehr nur mit einigen hoch spezialisierten Anbietern aus dem Gesundheitswesen. Soll heißen: Die Aktiengesellschaft sieht ihr Geschäft ausschließlich in der Flächen- und Immobilienvermarktung, nicht mehr in medizinischen Anwendungen, die vom eigenen Personal gestemmt werden müssen.

Brogsitter ist sich sicher, dass Orth und Sturm das Unternehmen, an dem die Stadt einst mit mehr als 27 Prozent beteiligt war, in eine gute Zukunft führen werden. Die Investition seiner Firmengruppe werde Zinsen bringen. Zunächst wohl in Form von zufriedenen Bad Neuenahrern, die, wie überall zu hören ist, mehr als froh sind, dass ihre „Kur AG“ nicht im Nichts verschwunden ist.

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