Interview mit Andreas Geron Bürgermeister von Sinzig spricht über die ersten hundert Tage

Sinzig · Andreas Geron zieht eine Bilanz seiner ersten hundert Tage als Bürgermeister der Stadt Sinzig. Was hat den 52-jährigen Juristen in der Anfangszeit besonders beschäftigt, wie ist er im Rathaus empfangen worden?

Das Rick-Gelände: „Alles ist noch möglich“, meint Sinzigs neuer Bürgermeister Andreas Geron.

Das Rick-Gelände: „Alles ist noch möglich“, meint Sinzigs neuer Bürgermeister Andreas Geron.

Foto: Martin Gausmann

Seit hundert Tagen sind Sie im Amt. Wie war der Start?

Andreas Geron: Der Start war gut. Im Rathaus bin ich ausgesprochen herzlich empfangen worden. Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern und dem Personalrat läuft bis dato sehr gut. Viele Vereine, Institutionen und Bürger haben das Gespräch gesucht, um mich im Amt kennenzulernen. Da ich mich in viele Sachthemen einarbeiten und viele Gespräche führen musste, war der Start naturgemäß auch sehr arbeitsintensiv. Arbeitstage von zwölf und mehr Stunden, auch an den Wochenenden, waren an der Tagesordnung. Aber so langsam pendelt es sich ein.

Beruflich waren Sie zuvor als Juristen-Ausbilder tätig. Wie groß war der Sprung in ein völlig neues Betätigungsfeld?

Geron: Die Lehrtätigkeit war nur ein Teil meines früheren Berufs. Ich musste auch organisieren, planen, Entscheidungen treffen. Dieses Anforderungsprofil ist im Bürgermeisteramt ebenfalls gefragt. Neu ist das öffentliche Interesse an meiner Person. Aber das war mir mit der Entscheidung, zu kandidieren, natürlich bewusst. Dadurch, dass ich in Sinzig wohne und viel in der Stadt unterwegs bin, führe ich viele Gespräche und kann manche Anregung von Bürgern sofort umsetzen.

Ist Ihre persönliche Erwartungshaltung erfüllt worden oder gestaltet sich der Bürgermeisteralltag doch ganz anders als erwartet?

Geron: Bislang stelle ich kein Alltagsgefühl fest. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen. Und die Erwartung, mitgestalten zu können, erfüllt sich jeden Tag. Jeder Tag ist anders. Ich habe keinen Alltag.

Was waren die ersten großen Herausforderungen?

Geron: Gespräche mit Beschäftigten standen im Mittelpunkt. Das war oft sehr bewegend. Und der neue Haushalt musste aufgestellt und in den zuständigen Gremien beraten werden, das war anstrengend und zeitintensiv, aber durch die konstruktive Arbeit in den Gremien auch sehr fruchtbar.

Wie wurden Sie von den Mitarbeitern aufgenommen? Gab es wirklich diese große Unruhe und Verunsicherung, wie dies im letzten Amtsjahr von Wolfgang Kroeger kolportiert wurde?

Geron: Ja, diese Unruhe gibt es. Es bestehen teils erhebliche Konflikte. Wir arbeiten daran, diese zu lösen.

Sie haben – wie fast alle Kommunen an Rhein und Ahr – einen Haushalt mit Überschuss vorgelegt. Allerdings steigt die Kreditaufnahme stark an. Ist der Investitionsbedarf so groß, dass es nun diesen Nachholbedarf gibt?

Geron: Viele Projekte wurden schon vor Jahren beschlossen und müssen nun dringend umgesetzt werden. Bahnhof, Feuerwehrgerätehaus, Schulsporthalle Bad Bodendorf, Mensa, neue Kindertagesstätte, das sind Maßnahmen, die notwendig sind und viel Geld kosten werden, die aber wichtige Investitionen in die Zukunft sind. Hinzu kommen neue Vorhaben aus aktuellem Anlass wie beispielsweise die Kanalsanierung an der sogenannten Panzerstraße.

Die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Sinzig sind vergleichsweise gering. Wo gibt es denn überhaupt noch die Möglichkeit, zusätzliche Gewerbeflächen auszuweisen? Sie haben in Sinzig ja große Wasserschutzzonen.

Geron: Möglichkeiten bestehen. Dies zeigt der Flächennutzungsplan, der im April/Mai ausgelegt wird. Zum Beispiel in Bad Bodendorf an der B 266 und an der alten B 9 Richtung Remagen gibt es geeignete Flächen. Auch in der nächsten Gesprächsrunde mit den Ortsvorstehern wird dies ein Thema sein.

Wie schätzen Sie die Lage des Einzelhandels in Sinzig ein?

Geron: Dem Sinziger Einzelhandel geht es vergleichsweise gut. Wir haben eine unterdurchschnittliche Leerstandsquote. Der Leerstand ist hauptsächlich strukturell bedingt. Hier hoffen wir, dass sich mit der Aufnahme in das Förderprogramm „Stadtumbau“ und in Zusammenarbeit mit der Aktivgemeinschaft Anreize für Eigentümer ergeben, in ihre Immobilien zu investieren und diese somit marktfähig zu machen.

Stimmt der Branchenmix?

Geron: Der Branchenmix stimmt. Es werden alle Branchen, die üblicherweise in Innenstädten in unserer Größenordnung angeboten werden, abgedeckt. Glücklicherweise haben wir viele inhabergeführte Läden, die für Qualität und Verlässlichkeit stehen. Wir müssen aber auch frühzeitig an einer Planung arbeiten, die berücksichtigt, dass die Inhaber irgendwann in den Ruhestand gehen. In diesem Zusammenhang muss auch über andere Nutzungen wie Kultur, Dienstleistungen oder Wohnen in der Innenstadt nachgedacht werden. Dieses Thema wird auch von dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept behandelt, das wir im Sommer in Auftrag geben werden. Die Ergebnisse, die mit Hilfe intensiver Bürgerbeteiligung entstehen sollen, bilden dann die Grundlage für das Programm „Stadtumbau“.

Die Planung um ein Nahversorgungszentrum auf dem ehemaligen Rick-Gelände hatte hohe Wellen geschlagen. Nicht zuletzt Sie selbst haben sich vehement dagegen gewehrt. Wie ist der aktuelle Sachstand? Wann kann gebaut werden?

Geron: Als Privatperson habe ich eine klare Position: Ich stehe definitiv für Wohnbebauung auf dem Rick-Gelände. Da gibt es in Sinzig ganz erheblichen Nachholbedarf. Dies war eine zentrale Aussage in meinem Wahlkampf, und daran hat sich nichts geändert....

....außer, dass der Rat inzwischen beschlossen hat, das Nahversorgungszentrum möglich zu machen....

Geron: Alles ist noch möglich. Derzeit bewerten die Landesplanungsbehörden im Rahmen einer raumordnerischen Prüfung die Wünsche des Investors. Das Ergebnis steht noch aus und wird das weitere Verfahren beeinflussen. Danach stehen die Beteiligung von Bürgern und Trägern öffentlicher Interessen für den erforderlichen Bebauungsplan und das Flächennutzungsplanverfahren an. Auch ein Erschließungsvertrag mit dem Investor ist noch nicht abgeschlossen. Die entscheidende Willensbildung im Stadtrat sowie die maßgebliche Bürgerbeteiligung stehen also noch aus. Es gibt keinerlei rechtliche Vorbindungen der Stadt.

Eine Ihrer ersten personellen Entscheidungen war, den 2002 von Ihrem Vorgänger abberufenen Büroleiter 16 Jahre später wieder zu berufen. Im Rathaus und in Sitzungen wurde er bisher aber nicht gesichtet. Glauben Sie nicht, dass Büroleiter dort so etwas wie eine Präsenzpflicht haben?

Geron: Lassen Sie das getrost meine Sorge sein...

Sicherlich. Dennoch dürfte das im Kreis Ahrweiler ein gewisses Alleinstellungsmerkmal haben.

Geron: Der Büroleiter ist sehr präsent. Er prüft derzeit Möglichkeiten der Änderung in der Organisation. Ich bin froh, dass mit ihm ein kompetenter und erfahrener Mitarbeiter eine zentrale Position innehat. Wo sein Schreibtisch steht, ist nicht entscheidend für seine Arbeit.

In den vergangenen Monaten – vor Ihrem Amtsantritt – hatte es verschiedene arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen mit Rathausmitarbeitern gegeben. Sind die inzwischen alle beigelegt?

Geron: Leider nein. Und es sind neue Verfahren hinzugekommen. Alle Verfahren haben ihre Ursache in Ereignissen aus 2017 oder früher. Ich persönlich habe einen guten Kontakt zu allen Konfliktbeteiligten.

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