Autorität, mehr Teamgeist Ausbildung im Apollinaris-Unternehmen

BAD NEUENAHR · Der 23-jährige Fabian Schulz ist seit Anfang August Auszubildender bei Apollinaris. Gregor Sebastian (57) begann seine Berufslaufbahn dort 1977. Welche Parallelen gibt es und worin unterscheiden sich die Ausbildungswege einst und jetzt?

Vor vier Wochen begann Fabian Schulz aus Meckenheim seine Ausbildung zum Industriemechaniker im Bad Neuenahrer Coca-Cola-Werk. Der 23-Jährige ist einer von zehn Azubis im traditionsreichen Apollinaris-Unternehmen, das seit 2006 zum Cola-Weltkonzern gehört.

Gregor Sebastian aus Walporzheim hat vor mehr als 40 Jahren seine Lehre begonnen, seit drei Jahrzehnten ist er in der Produktionsplanung und in der Materialplanung des Brauseherstellers tätig. Zwischen seiner und Fabian Schulz' Ausbildung liegen nicht nur Zeiten, sondern Welten.

Der 57-jährige Walporzheimer startete 1977 in das Berufsleben. Wie könnte es in einem Weindorf an der Ahr anders sein, in einem Winzerbetrieb. „Getränke haben mich immer interessiert“, sagt der Coca-Cola-Mitarbeiter schmunzelnd, der im „Nebenberuf“ Ortsvorsteher in seinem Heimatort ist. Da die Familie eigene Weinberge bewirtschaftete, konzentrierte sich Sebastian zunächst auf den Weinanbau und die Verarbeitung des Rebensaftes. Drei Jahre dauerte die Ausbildung im Winzerbetrieb. Einmal in der Woche ging es mit dem Zug in die Berufsschule nach Boppard, die Prüfung musste im fernen Bad Kreuznach abgelegt werden.

Elternhaus als Wohnort in der Ausbildung

„Der Schwerpunkt der Lehre lag auf der praktischen Arbeit, graue Theorie gab es nur wenig“, erinnert er sich. 60 Mark hat Gregor Sebastian im ersten Lehrjahr bekommen, dann 80 Mark, im dritten Azubi-Jahr waren es dann 150 Mark – auch damals ein Hungerlohn. Klar, dass Lehrling Sebastian während seiner Ausbildungszeit da lieber bei seinen Eltern wohnen blieb.

Das ist bei Fabian Schulz nicht anders. Obwohl die Ausbildungsvergütungen heute in einer anderen Dimension angesiedelt sind. Wie viel er bekommt, wird bei Coca-Cola so geheim gehalten wie die Rezeptur des braunen Erfrischungsgetränkes. Nach dem Tarifvertrag der Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten) dürfte der Betrag für Industriemechaniker im ersten Jahr bei 800, im dritten bei rund 1050 Euro liegen.

Dreieinhalb Jahre lang wird der 23-jährige Meckenheimer in Bad Neuenahr ausgebildet. Voraussetzung war neben seinen guten Schulnoten ein Praktikum, das Schulz im Cola-Werk absolvierte. Mit dem Abitur in der Tasche hatte er sich bei Apollinaris beworben, da er was „Technisches“ machen wollte. Nun hält er die hoch komplizierten Anlagen in Schuss, muss Verschleißteile auswechseln, lässt sich an den in der Regel computergesteuerten Geräten ausbilden, macht sich mit deren Funktionsweise und Innenleben vertraut.

Berufsschule ist um die Ecke

„Ich habe mir das bei meiner Bewerbung alles genau so vorgestellt“, berichtet er. Für ihn sei es eine Ehre, für einen solchen Weltkonzern arbeiten zu dürfen. „Ich fühle mich wohl, wurde prima aufgenommen, bin Teil einer großen Gemeinschaft.“ Verbesserungsvorschläge – auch von Azubis –, oder Optimierungsideen würden gerne aufgenommen. Schulz: „Man kann sich prima einbringen.“

Wie Sebastian damals muss auch Schulz einmal wöchentlich in die Berufsschule. Die ist allerdings glücklicherweise gleich neben dem Apollinariswerk. Weite Fahrstrecken nach Boppard wie bei Sebastian bleiben ihm erspart. Werkstoffkunde, technisches Zeichnen, Sozial- und Wirtschaftskunde stehen neben klassischen Fächern wie Deutsch, Mathematik, Sport und Religion bei dem Berufsanfänger auf dem Stundenplan.

Bei Sebastian ging das alles etwas einfacher zu. Weniger spezialisiert. Im Fokus stand der Weinanbau, die praktische Arbeit. Vor allem gab es eines nicht: Computer und das „World Wide Web“. Als der Walporzheimer 1988 zu Apollinaris wechselte, begann für ihn ein neues Zeitalter. Zwar mussten die kleinen Wasserfläschchen für die Deutsche Lufthansa noch per Hand abgefüllt und die ebenfalls im Haus produzierten Schweppes-Produkte für den Export händisch in Kartons verpackt werden, doch hielt der technische Fortschritt schnell Einzug: Die Abfüllanlagen wurden auf Computersteuerung umgepolt, das gesamte Werk wurde im Rahmen der technischen Möglichkeiten digitalisiert.

Keine Zukunftsangst

Für Sebastian begann ein andauernder Lernprozess. In München ließ er sich zum Getränkemeister ausbilden, so dass er fortan wusste, „was in den Maschinen passiert“. Zudem dürfte er nun selber ausbilden. Vieles habe sich seither verändert. Mehr Mitbestimmung, weniger autoritäres Gehabe der Vorgesetzten, mehr Teamgeist, mehr Gemeinschaftsdenken. Und andere Arbeitszeiten. In seiner Lehrzeit musste Sebastian wöchentlich 48 Stunden arbeiten, Azubi Schulz hat nach 38 Stunden frei.

Eines haben beide heute wie damals gemein: Zukunftsangst hatte Sebastian nie. Auch für Schulz ist das ein Fremdwort. Er weiß, dass er nach seiner Lehre als Facharbeiter überall offene Türen vorfinden wird. Und Sebastian: Er geht in Kürze in den Vorruhestand. Langeweile erwartet ihn dort nicht. Schließlich ist er ja nach seinem langen Berufsleben noch Ortsvorsteher von Walporzheim.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort