Bad Neuenahr in Jecken-Hand Akrobatik im närrischen Gewand

BAD NEUENAHR · 850 Jecken feierten eine ausgelassene Kurhaussitzung in Bad Neuenahr. Das Kasalla-Finale fand wegen eines Unfalls auf der A 61 mit einer Stunde Verspätung statt.

 Ein närrisches Gespann: Klaus (rechts) und Willi.

Ein närrisches Gespann: Klaus (rechts) und Willi.

Foto: Martin Gausmann

Auch wenn sich die Kölner Karnevalsprofis mittlerweile auf vielen Sitzungen im Ahrtal die Klinke in die Hand geben, die „Mutter“ aller kölschen Sitzungen hierzulande bleibt die im Kurhaus, traditionell neun Tage vor Weiberdonnerstag. Das, was der „Müllemer Jong“ Oskar Hauger Ende der 1970er Jahre an die Ahr brachte, ging nur an diesem Dienstags-Termin, weil dann in Köln Sitzungspause war.

Seinerzeit war es der einstige Sportverein „SC 07“, der mit dem Event seine Kassen aufpäppelte, das Publikum kam in Abendgarderobe. Heute hat die Nachfolge des SC 07 die „Elferrat Kurhaus Bad Neuenahr GbR“ angetreten. Die füllt auch Kassen, aber für soziale Zwecke. So kamen am Dienstag an Spenden viele Tausend Euro zusammen, die in diesem Jahr dem Verein „Bunter Kreis Rheinland” zugutekommen.

Längst ist es eine Kostümsitzung, selbst Bürgermeister Guido Orthen kam im knallgrünen Gärtnerdress und machte damit Werbung für die Landesgartenschau 2022. Oskar Hauger aber stand staatsgekleidet im schwarzen Anzug an seinem Tisch, weil es ihn nicht auf dem Stuhl hielt. Putzmunter feierte er dort seine Ü80-Party, blieb bis zum Schluss und freute sich über das Ständchen des Traditionscorps der Kölner Altstädter zum Geburtstag seiner Frau Jaitip. Weil die Kurhaussitzung immer von einem Corps eröffnet wird, präsentierte sich dieses Mal die 100-köpfige grün-rote Garde zu einem tollen Auftaktbild.

25-jähriges Jubiläum der Saalkapelle

In der Folge bevölkerten viele die Bühne, die dort in der Vergangenheit schon oft standen. Bauchredner Klaus Rupprecht mit seinem frechen Affen Willi zum Beispiel. Der hatte zugenommen, sprach aber nicht vom Bauch, sondern vom Feinkostgewölbe. Und weil die beiden nur gemeinsam zur Toilette gehen, heißt das neudeutsch „Paarschiffen.“ Ebenfalls ein alter Bekannter: „Berniebärchen“ Bernd Stelter. Der kam höchst politisch rüber: „Wenn Putin, Erdogan und Trump gemeinsam mit einem Schiff untergehen, wer wird gerettet? – Die Welt.“ Auch das gab massig Beifall.

Den gab es von der Bühne herab aber auch für die Saalkapelle „Markus Quodt“, die in diesem Jahr kein närrisches, aber das 25-jährige Jubiläum feiert. Sie begleiten alle Künstler live und haben musikalisch für jeden Pott einen Deckel. „Mucke“ vom Band ließen nur die Koblenzer Leidenschafts-Rentner Willi & Ernst einspielen, sie waren kurzfristig für den erkrankten Jürgen Beckers eingesprungen.

Dem allgemeinen Trend folgend, war aber auch die diesjährige Kurhaussitzung eine, in der die Redner in der Unterzahl waren. Party war angesagt. Etwas fürs Auge boten da noch die „Höppemötzjer“, das hoch dekorierte Tanzcorps der Kölschen Narrengilde. Sie zeigten akkurate Tänze, während im Hintergrund zu kölscher Traditionsmusik die Mädchen akrobatisch durch die Lüfte gewirbelt wurden. „Das ist Hochleistungssport im närrischen Gewand“, freute sich Sitzungspräsident Udo Groß, der da noch nicht ahnte, dass er im späten Verlauf, ebenso wie seine Hauskapelle, noch mächtig ins Schwitzen kommen würde.

Sitzungspräsident startete Riesen-Polonaise

Und dass es tatsächlich langjährige Karnevalisten geben soll, die noch nie im Kurhaussaal auftraten, bewahrheitete sich ebenfalls. 17 Jahre lang sind „Brings“ schon auf jecker Tour, erstmals nun im Kurhaus. Da kam der „Ihrefelder Jung“ Peter Brings aus dem Schwärmen für den schönen Saal gar nicht mehr raus, ehe er diesen mit seinen Jungs zum Tollhaus machte. „Besoffe vüür Jlöck“ feierte die jecke Meute den „Kölsche Jung“ und tanzte dazu „Polka, Polka, Polka.“

Es war der Auftakt zum Bewegungs-Part der Sitzung. Nächster Akt: die „Klüngelköpp.“ „Jedäuf met 4711“ drehten sie weiter heftig am Stimmungsregler des Publikums. In ihrer tollen Bühnenshow ließ das Sextett einen Ballon zu den Sternen steigen und lud zur „kölschen Fiesta“ ein. Und dann das Team mit dem Sessionshit schlechthin. Als die „Paveier“ ihr „Leev Marie“ anstimmten, stand der mit 850 Gästen ausverkaufte Kurhaussaal Kopf.

Zugaben gab es von den Paveiern nur kurz, sie mussten weiter, aber der Schluss-Akt „Kasalla“ steckte im Stau nach einem Unfall auf der A 61. Jetzt begann die Zeit des Improvisierens. So ließ der Elferrat Tausende von Papierherzen zum Valentinstag in den Saal schießen und der Sitzungspräsident startete eine Riesen-Polonaise. Das Beste: Kaum einer verließ den Saal, und als dann die fünf Kasalla-Nachwuchsrocker aus der „Stadt mit K“ mit einstündiger Verspätung zum Schlussakkord aufliefen, explodierte die Stimmung.

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