Realschule plus in Altenburg Ahrtalschule kooperiert mit Verein „AhA“

ALTENBURG · Die Realschule plus Altenahr in Altenburg kooperiert mit dem Verein „AhA“ zur Förderung der Sozialkompetenz. Schauspieler Jeremy Mockridge will Schirmherrschaft über den Verein übernehmen.

 Sozialkompetenz im Mittelpunkt: Die Sechstklässler mit (Mitte, von links) Marlies Erz, Hubert Stentenbach und Barbara Hölscher.

Sozialkompetenz im Mittelpunkt: Die Sechstklässler mit (Mitte, von links) Marlies Erz, Hubert Stentenbach und Barbara Hölscher.

Foto: Martin Gausmann

Der aktuelle Fall: Niklas P. aus Bad Breisig wird in Bad Godesberg zu Tode geprügelt. Eine Gewalttat, die alle bewegt, von denen nur wenige erahnen können, was es heißt, einen Menschen so jung zu verlieren. Die aber auch nach Gewaltpräventionsprogrammen in Schulen schreit, um soziale Kompetenz zu fördern. Eine, die weiß, was in den Köpfen der Familie von Niklas P. vorgeht, ist Barbara Hölscher (62) aus Odendorf. Sie hat vor zehn Jahren ihre Tochter unter tragischen Umständen verloren. Mobbing-Opfer an einem Gymnasium, entschied sich die Zehntklässlerin, ein USA-Auslandsjahr zu machen. Danach, so hoffte sie, werde in der Oberstufe, in dem es keinen Klassenverbund, sondern nur noch Kurse gibt, alles besser. Doch sie kehrte nie mehr nach Hause zurück, verunglückte tödlich bei einem Schulunfall.

„Wenn so etwas in Amerika passiert, bekommen Sie von der Versicherung viel Geld. Doch wie viel war das Leben meiner Tochter wert? Ich wollte die negativen Gedanken in etwas Positives lenken und habe 2010 den Verein 'AhA' – Achtsamkeit hilft Allen – gegründet. Das Geld sorgt heute noch dafür, dass wir niemandem verpflichtet sind und unabhängig agieren können, aber den teilnehmenden Schulen auch keine Kosten entstehen“, so Hölscher im GA-Gespräch.

Sozialerziehung als Prävention für Gewalt und Mobbing an Schulen – das sind die Themen, mit denen sich die Erzieherin Hölscher und ihre Mitstreiter, darunter auch Marlies Erz (66), Lehrerin mit fast 40-jähriger Sonderschulerfahrung, auseinandersetzen. „Das Erschreckende: Fast alle Kinder und Jugendliche haben Mobbing-Erfahrung. Würde jeder nach dem Prinzip 'Was Du nicht willst, was man Dir tut, das füg' auch keinem anderen zu' agieren, hätten wir die Probleme nicht“, so Erz.

Der Zufall wollte es, dass der Verein über die Krälinger Vischeltalschule Kontakt zu Hubert Stentenbach, Schulleiter der Ahrtalschule Realschule plus Altenahr in Altenburg mit 230 Schülern, bekam. Damit ging der Verein über die Landesgrenze nach Rheinland-Pfalz und lief bei dem Pädagogen Stentenbach offene Türen ein. „Wir arbeiten schon seit Jahren präventiv, sehen unsere Schule als ein großes Ganzes. Unsere Lehrer haben bei der Caritas ein Sozialkompetenztraining absolviert. Als 'AhA' sich in der Kollegenrunde vorstellte, wurde eine Kooperation und Patenschaft mit dem Verein einstimmig beschlossen“, betont der Schulleiter, der das Prinzip der Förderung des Sozialverhaltens auch aus dem Sport kennt: „Die Erlebnispädagogik nutzt beispielsweise einen Kletterpark, um beim Absichern eines Kameraden Verantwortung zu übernehmen und Vertrauen zu schaffen.“

Erlebten Hölscher und Erz an vielen Schulen, dass die Lehrer zwar die Notwendigkeit von Präventivmaßnahmen einsahen und immer mal wieder eigene Förderungen durchführten, so blockten sie oft aber die Zusammenarbeit mit „AhA“ aus Angst vor zusätzlicher Arbeit ab. „Das war in Altenburg ganz anders. Da war mal ein Schulleiter, der nicht nur mit halbem Ohr zuhörte. Der überzeugt ist, dass Erziehung nicht mal eben so nebenher geht. Und wir wissen, dass für Eltern das Thema enorm wichtig ist“, so Hölscher.

Für die Fünftklässler beginnt die Förderung spielerisch, dann wird es abstrakter. Geplant ist jetzt, mit einer Lehrer-Fachgruppe die Prävention im Schulprogramm zu verankern und sie dann jährlich zu wiederholen. Da ist beispielsweise die Wolfs- und Giraffensprache: Der Wolf steht für das, was Kommunikation schwierig macht, er ist aggressiv und verletzend. Die Giraffe versucht, keine Ängste und Unsicherheiten zu wecken und ist bemüht um einen achtsamen Umgang.

„'Achtsamkeit und Anerkennung', so heißen auch die Unterrichtsmaterialien zur Förderung des Sozialverhaltens von der Grundschule bis zur neunten Klasse der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“, erklärt Hölscher. Sie können im Klassensatz von jeder Schule kostenlos beim BfgA bestellt werden und bieten Übungen für die strukturierte Sozialerziehung an, die im Bausteinprinzip aufeinander aufbauen. Somit kann jeder Lehrer sofort beginnen.

Mit Leben gefüllt werden kann die Kompetenz dann auch durch einen Klassenrat oder mit einem Gerichtsverfahren in gewaltfreier Sprache. Es geht im Alltag besonders um kleine Dinge wie „Tür aufhalten“ oder „ausreden lassen“. Zu Wort kommen soll in der Ahrtalschule dann bald ein Prominenter: Schauspieler Jeremy Mockridge, der mit Tatort-Kommissar Richy Müller für die Polizei den Jugendkrimi „Netzangriff“ drehte, der Cybermobbing als neue Form von Gewalt aufgriff, und 10.000 Mal in Deutschland verteilt wurde. Er hat signalisiert, die Schirmherrschaft über den Verein zu übernehmen. Es kann also durchaus sein, dass er den teilnehmenden Klassen im Ahrtal die Urkunde persönlich überreicht.

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