Ein Besuch in der Bad Neuenahrer Spielbank „Bitte das Spiel zu machen“

BAD NEUENAHR · Spielen ist Experimentieren mit dem Zufall, heißt es. So manchem haben Experiment und Zufall durchaus Glück und Gewinn gebracht, anderen Pech und Verdruss. In der Spielbank Bad Neuenahr kennt man beide Varianten.

 „Bitte das Spiel zu machen“ an Markus Nagels Roulettetisch.

„Bitte das Spiel zu machen“ an Markus Nagels Roulettetisch.

Foto: Martin Gausmann

Im ältesten Casino der Bundesrepublik wird jeden Tag gewonnen und verloren. Das geht seit 1949 so, als sich nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals die Tore in die Welt von Roulette, Black Jack und funkelnden Automaten öffneten. Spielbanken sind jedoch stark dem Wandel der Zeit unterworfen.

Galt früher das Glücksspiel als Kind der Habsucht, als Bruder der Sittenlosigkeit und Vater des Unheils, so hat sich das geändert. Der „Zocker-Markt“ ist stattdessen riesig geworden. Zum Leidwesen der alteingesessenen Casinos. Auch Bad Neuenahr hat das zu spüren bekommen.

Smoking und Fliege sind längst nicht mehr gefragt, wenn man das altehrwürdige, stilvoll eingerichtete Gebäude der Spielbank betritt. Auf 640 Quadratmetern leuchten im Erdgeschoss 120 hochmoderne Spielautomaten, in denen weit mehr Hightech steckt als in der Apollo 11-Rakete, die einst zum Mond flog. Es geht in erster Linie um Entertainment und auch ein bisschen darum, Geld zu gewinnen. Die unzähligen optischen Reize und 3-D-Effekte, denen man ausgesetzt ist, sind nicht nur attraktiv für jüngeres Publikum.

Auch ältere Besucher kommen mit den sich selbst erklärenden Geräten wie „Cat 4 Cash“, „Lady of Fortune“, „Lucky Cats“, „Ultimate Hot“ oder „Venezia D'Oro“ schnell zurecht: Alle Altersgruppen sind vertreten. Täglich kommen im Schnitt 200 Besucher, die Geld in die Automatenfächer einführen. Manche haben besonderes Glück: Erst jüngst gewann eine Dame 60 000 Euro an der „Bingo-Maschine“.

„Bitte das Spiel zu machen“ heißt es im ersten Obergeschoss, wo Markus Nagel seit 1988 als Croupier am Roulettetisch sitzt. „Wir erleben hier positive wie auch negative Emotionen“, berichtet er. Den Gewinner, der sich lautstark über seine gewonnenen Jetons freute, den Verlierer, der seinem Frust über den verlorenen Einsatz freien Lauf ließ, nachdem es hieß „Nichts geht mehr“. Wirklich unangenehme Erlebnisse, so Nagel, habe er jedoch nicht gehabt. Stil und Anstand regieren in der Regel im Bad Neuenahrer Casino, wo Glück und Pech so dicht beieinander liegen.

Natürlich erinnert er sich daran, wie ein Stammgast mehr als eine Million Euro am Roulettetisch einstrich. Damals gab es ein anständiges Trinkgeld, von dem Croupiers zum größten Teil ihre Einkünfte bestreiten. In den vergangenen Jahren habe die Spendierfreudigkeit der Spieler allerdings stark nachgelassen. Was auch an der größer gewordenen arabischen Kundschaft liege: „Die kennen Trinkgeld nicht.“

Vieles habe sich in den vergangenen Jahren verändert, berichtet Casino-Chef Michael Seegert. Als er 1986 seinen Job antrat, da gab es in Deutschland Lotto, Pferderennen, ein bisschen Fußballtoto, im Fernsehen die „Glücksspirale“ und zwischen Flensburg und Oberammergau 15 Spielbanken. „Man musste nur die Türe aufmachen, dann strömten die Leute rein“, erinnert er sich an die glanzvollen Zeiten. Heute sind es 80 Casinos, die in Deutschland täglich die Türen öffnen, es gibt Mittwochs-Lotto, Oddset-Fußballwetten, unzählige Spielhallen und -höllen in den Innenstädten und nicht zuletzt im Internet massenhaft präsentierte Online-Glücksspiele. Lange wird es zudem nicht mehr dauern, dann werden in den Innenstädten Läden eröffnet, in denen Sportwetten abgeschlossen werden können. Der Gesetzgeber hat derartige Konzessionierungen zugelassen. Wer also sein Glück herausfordern und finden will, dem bieten sich unzählige Möglichkeiten, die es vor einigen Jahrzehnten so nicht gab.

Nächstes Problem: In Köln – eine Stadt, aus der das Bad Neuenahrer Casino viele Besucher anlockt –, wird bis 2021 eine weitere Spielbank ans Netz gehen. Daneben gibt es noch in Aachen, in Duisburg, in Dortmund oder auch in Bad Ems heftige Konkurrenz.

Restriktive Regelungen, die Spielsucht eindämmen sollen, das Nichtraucherschutzgesetz, das wahren „Zockern“ ein Gräuel sein dürfte, das Registrieren von Besuchern, die sich inzwischen vor dem Zutritt mit dem Personalausweis zu identifizieren haben, all das macht Casinos zu schaffen.

„Die wahren Spielernaturen, die früher zu ihrem Vergnügen manchmal täglich gekommen sind, spielen von zu Hause aus im Schlafanzug. Die Atmosphäre und das Ambiente sind denen egal“, glaubt Seegert. Damit dürfte er richtig liegen: Zehn Milliarden Euro werden jährlich in Deutschland alleine in der großen weiten Welt der virtuellen Glücksspiele umgesetzt.

Das Spielbank-Stammpublikum an den Werktagen besteht in erster Linie aus älteren Gästen. Die demografische Lage birgt in der langfristigen Betrachtung eine weitere bittere Pille, die Spielbankbetreiber zu schlucken haben. „Wir haben einen natürlichen Schwund“, erklärt Seegert. Es wachse nichts nach. Anders sehe das an Wochenenden aus. Dann probierten auch jüngere Leute schon mal ihr Glück.

Dass sich die Welt der Spielbank sehr verändert hat, mussten auch die Bundesländer einsehen. Die so genannte Spielbankabgabe wurde gesenkt, damit es ein Überleben für die Casinos gibt.

In Rheinland-Pfalz fließen nur noch rund 60 statt 80 Prozent vom Bruttospielertrag in die Länderkasse. Davon gehen wiederum Teilbeträge an die Kommunen, in denen sich die Roulettekugeln drehen. Damit dem Fiskus auch nichts entgeht, ist ein Finanzbeamter Dauergast in der Spielbank. Automaten beispielsweise werden stets gemeinsam mit einem Vertreter des Finanzamtes geleert, das gesamte Abrechnungswesen wird scharf kontrolliert.

Auch wenn die Aussichten für die Casinos in den mondänen Kur- und Badeorten wie Bad Neuenahr, Baden-Baden oder Bad Ems nicht allzu rosig sind, so wird die Roulettekugel wohl noch lange rollen. Auch in Bad Neuenahr, ist sich Michael Seegert sicher. „Wenn nicht Spiel und Scherz ein natürliches Vergnügen enthielten, würde nicht eine so heftige Begierde der Menschen nach ihnen streben“, heißt es schließlich schon bei Seneca.

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