Ein Buch gegen Unwissen und Mitleid Über das Leben mit der Dialyse

KREIS AHRWEILER · Im Alter von 19 Jahren erhielt Christian Paul die Diagnose „Chronische Niereninsuffizienz“. Der Burgbrohler hat ein Buch über seinen Kampf mit der Krankheit und über sein Leben mit der Dialyse geschrieben.

 Dialysepatient Christian Paul mit seinem Buch.

Dialysepatient Christian Paul mit seinem Buch.

Foto: Martin Gausmann

Immer wieder die gleichen Fragen, die gleichen Reaktionen und derselbe Effekt. Wenn Christian Paul ausgeht oder irgendwo eingeladen ist, ist er schnell Thema Nummer Eins im Raum. „Es fängt meist an, wenn jemandem auffällt, dass ich den ganzen Abend fast nichts trinke oder nicht zur Toilette gehe, weil ich ja keinen Urin mehr ausscheide“, berichtet der 1973 in Bad Neuenahr geborene Burgbrohler, der seit 20 Jahren Dialysepatient ist.

Immer wieder hat er in dieser Zeit Sätze gehört wie: „Du musst viel trinken. Viel Flüssigkeit ist doch gut für die Nieren.“ Deshalb hat er ein Buch geschrieben über sein Leben als Dialysepatient. „Ich hatte schlicht und einfach keine Lust mehr, ständig die gleichen Fragen bezüglich meiner Nierenkrankheit zu beantworten.“ Und Mitleid will er auch nicht. „Diese Blicke manchmal. Das ist schlimm.“ Lieber ist ihm Verständnis, wenn seine Symptome ihn mal wieder nicht so machen lassen wie er will, wenn er Termine nicht wahrnehmen kann oder Einladungen kurzfristig absagen muss.

Aufklären will er mit seinem Buch, Betroffene genauso wie deren Angehörige, und Mut machen. „Denn ich lebe ja trotzdem ein glückliches Leben. Wenn man ein paar Regeln einhält, gelingt das den allermeisten Dialysepatienten“, sagt er. Und er sei mehr als nur seine Krankheit, mehr als ein Patient. Das vergesse mancher: „Sobald viele erfahren, dass ich Dialysepatient bin, geht es nur noch darum. Dann will keiner mehr wissen, welche Musik ich früher gemacht habe oder welche Hobbys ich sonst habe.“

In seinem Buch geht es auch und gerade um den Menschen Christian Paul, der 1992 im Alter von 19 Jahren die Diagnose „Chronische Niereninsuffizienz“ erhielt, nachdem nach der Musterung auffällige Werte festgestellt wurden.

„5928 Stiche – Leben mit der Dialyse“ heißt das Werk, weil er genauso viele Stiche bei der Dialyse bekam: von da an, als er 1998 dialysepflichtig wurde, bis zum ersten Schreiben an seinem Buch. Er erzählt nicht chronologisch, sondern eher in thematischen Episoden von seinem Kampf gegen und mit seiner Krankheit, von lebensbedrohlichen genauso wie von skurrilen, sogar komischen Situationen. Er berichtet offen darüber, wie er die zunehmende Vergiftung seines Körpers lange verdrängte, eigentlich zu lange, wie er sagt. Es traten Symptome auf wie „Gummi-Muskeln“, Kraftlosigkeit, Krämpfe, Übelkeit und Brechattacken, selbst Kaubewegungen beim Essen fielen ihm schwer.

Paul brach seine Ausbildung wegen der Krankheit ab

Fachliches etwa zur Nierenbiopsie, zum Essen und Trinken als Dialysepatient, zu alternativen Behandlungsmethoden und zur Möglichkeit der Transplantation werden an passenden Stellen in Einschüben behandelt. Paul schreibt über seine „wilden Jahre“, lange Nächte und kurze Tage, die Zeit mit seiner Band und als Lichttechniker, über Privatleben und Beruf. Gerade da hat er viele Träume aufgeben müssen. Wegen der Krankheit musste er die Ausbildung in seinem Traumberuf als Kunstschmied in Maria Laach vorzeitig beenden. Wegen seiner Leidenschaft für Musik wurde er dann Musikalienhändler und musste auch diesen Beruf aufgeben.

Genauso wie den Traum, professionell als Lichttechniker bei Veranstaltungen tätig zu sein, was schon früh auch sein Hobby war. „Trotzdem ist mit der Dialyse nicht alles zu Ende“, sagt Paul, nicht zuletzt mit Blick auf seine Frau, die er während seiner dialysepflichtigen Zeit kennenlernte. Sogar der Maschine kann er etwas abgewinnen: „Sie erhält mich schließlich am Leben.“

Dreimal in der Woche muss er für mindestens fünf Stunden an die Dialyse. Zuerst hat er noch Vollzeit gearbeitet. „Das war wie ein Zweitjob. Mittlerweile nutze ich die Zeit, um für mich selber etwas zu tun.“ Üben für Fernkurse, etwa in Englisch, Schachspielen, Lesen und eben Bücherschreiben. Denn er hat ein weiteres Buch beendet mit Kurzgeschichten und dem Titel „Die merkwürdigen Verhaltensweisen der anderen“. Parallel arbeitet er gerade an einem Krimi und an einer Beziehungskomödie.

Sein erstes Buch stellt Christian Paul bei einer Lesung zugunsten des guten Zwecks am Sonntag, 28. Oktober, ab 20 Uhr im Bistro-Pub „V8“, Beckstraße 5-7 in Andernach, vor. Erhältlich ist „5928 Stiche. Leben mit der Dialyse“, 272 Seiten, Hardcover, im tredition verlag, ISBN 978-3-7439-3. Infos: www.christian-paul.info.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort