Kirchenleben im Ahrtal Ökumenisches Bürgerfest in Bad Neuenahr

BAD NEUENAHR · Die Evangelische Kirchengemeinde Bad Neuenahr und die katholische Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler feierten mit einem ökumenischen Bürgerfest in Bad Neuenahr Premiere.

Durcheinander beim Aufstellen auf der Poststraße: Die Menge der Festteilnehmer in Bad Neuenahr hätte locker für zwei Menschenketten zwischen Sankt Marien und der Luther-Kirche gereicht.

Durcheinander beim Aufstellen auf der Poststraße: Die Menge der Festteilnehmer in Bad Neuenahr hätte locker für zwei Menschenketten zwischen Sankt Marien und der Luther-Kirche gereicht.

Foto: Martin Gausmann

Mit unerwartet hohem Besucherandrang haben die Evangelische Kirchengemeinde Bad Neuenahr und die katholische Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler den Reformationstag als großes ökumenisches Bürgerfest begonnen. Vertreter beider Konfessionen freuten sich über dermaßen viele Teilnehmer, die nicht nur die Menschenkette von Taufbecken zu Taufbecken zu einem großen Erfolg werden ließen, sondern auch die Kurgartenbrücke noch weit bis zum Abend bevölkerten.

„Das ist ja wie Weihnachten, nur ohne Tannenbaum“, rief der evangelische Pfarrer Karsten Wächter zum Anfang des Stationsgottesdienstes in der Rosenkranzkirche aus. Die Gläubigen beider Kirchen standen bis auf die Telegrafenstraße, um das Taufbecken im Eingangsbereich herum knubbelten sich die Menschen. Wächter hob den Gottesdienst mit der Feststellung an: „Wir erinnern daran, dass wir nicht die Herren der Kirche sind.“ Dies wäre nur Gott allein, wie beide Kirchen bekennen.

Dechant Jörg Meyrer erklärte den Sinn dieser ersten Gottesdienststation: „Das was uns eint: die Taufe.“ Dass es sich bei dieser Einheit nicht um billige Gleichmacherei handelt, wurde im gemeinsam gesprochenen Glaubensbekenntnis klar. Die evangelischen Christen bekannten ihren Glauben an die „christliche Kirche“, die Katholiken an die „katholische Kirche“. Vom geistlichen Aspekt her präsentierte sich der Reformationstag in der Kurstadt als ein Fest der versöhnten Verschiedenheit.

Musikalische Begleitung zum Fest

Laienvertreter und Geistliche kämpften sich ihren Weg zum Taufbecken durch und boten an symbolträchtigen zwölf Orten in der Kirche Taufwasser für die Gläubigen dar, die sich durch ein kleines Kreuzzeichen auf ihrer Stirn an die eigene Taufe erinnern konnten. Mittelstück und Höhepunkt des Gottesdienstes war die Menschenkette bis zur Martin-Luther-Kirche. Die Besuchermenge hätte locker für zwei Ketten ausgereicht. Begrüßt wurde die Kette vom Posaunenchor unter der Leitung von Pfarrer Rüdiger Stiehl. Durch die Kreuzstraße, die Poststraße und bis weit auf die Kurgartenbrücke standen die Menschen Hand in Hand und sangen zum Abschluss zweimal den Taizé-Gesang „Laudate Omnes Gentes“.

Für die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes zeichneten die evangelischen Kirchenmusiker Christoph Anselm Noll und Andrea Stenzel verantwortlich. Letztere leitete einen Projektchor aus beiden Konfessionen, der mit „Sonne der Gerechtigkeit“ und „Strahlen brechen viele“ der Feierlichkeit den nötigen Glanz verlieh.

Im Mittelpunkt des Gottesdienstes in der evangelischen Kirche stand der Paulus-Vergleich aus dem ersten Korintherbrief, mit dem er seine Sicht der Kirche erklärt. Wie der Körper viele Glieder hat, so ist auch die Kirche ein pluriformes Gebilde, das in seiner Gründung auf Jesus Christus geeint ist. Pfarrer Stiehl setzte in seiner Predigt einige Fragezeichen an dieses Geeintsein, indem er die Zuhörer fragte, was das für eine Ökumene sei, wenn man in wichtigen caritativen und sozialen Belangen immer noch nebeneinander agieren würde, in je eigenen Strukturen. „Wir bekommen auch all die Verletzungen in den Blick, die wir uns 500 Jahre lang angetan haben.“

Arbeit geht jetzt erst recht los

Als Gegenmittel gegen eine allzu überschwängliche Festtagsfreude setzte er die Frage „leiden wir noch?“ Wie in einer getrennten Beziehung muss es für ihn immer wieder schmerzen, wenn konfessionsverschiedene Paare nicht gemeinsam zum Abendmahl gehen dürfen und Weihnachten fast gleichzeitig in kaum räumlich voneinander getrennten Kirchen gefeiert würde. Zum Schluss bezog er sich auf „These Neuneinhalb“, welche die beiden Gemeinden Anfang Oktober vorgestellt hatten: „Wir werden nicht fertig.“

Zum Segen hielten Vertreter beider Kirchen Schilder hoch, die zusammen das Wort „Frieden“ bildeten. Sich gemeinsam an den Händen haltend, bekamen die Gläubigen jedoch noch einen Doppelpunkt mit auf den Weg, der zeigen soll, dass die Arbeit jetzt erst recht losgeht.

Doch nun war erst einmal die Festfreude an der Tagesordnung. Beatrix Knieps-Müller, Vorsitzende des Pfarreienrates, und Presbyteriumsvorsitzender Rüdiger Humke eröffneten das Bürgerfest auf den Stufen vor der Martin-Luther-Kirche. Landrat Jürgen Pföhler zeigte sich begeistert: „Es gibt keine bessere Kulisse.“ Er erinnerte daran, dass eine Aussöhnung zwischen Protestanten und Katholiken jahrhundertelang undenkbar gewesen wäre und freute sich über das kräftige Zeichen. Er dankte besonders dem ehrenamtlichen Engagement in den Kirchen: „ohne diese Arbeit kämen wir hier gar nicht aus.“

Bürgerfest ist "mutmachendes Vorbild"

Analogien aus dem Buddhismus zog Bürgermeister Guido Orthen. Mit dem Gruß „Namaste“ erkennt der Grüßende die Göttlichkeit im Angesprochenen an. Dies wünscht sich Orthen auch im Miteinander der Christen. „Vor 30 Jahren noch schier unvorstellbar“, wäre jetzt endlich „miteinander, nicht nebeneinander“ möglich.

Das ökumenische Bürgerfest sieht er als „ein mutmachendes Vorbild“ und hatte aus diesem Grund für beide Gemeinden als Geschenk ein Bild dabei, dass beide Kirche Bad Neuenahrs in den Fokus stellt. Den Begrüßungsreigen beschloss die Präsidentin der Are-Gilde, Eva Maria Kreuter. Sie kündigte die Versteigerung der Kunstbanner an, die seit einem Monat in der Poststraße aufgehangen waren. Der Gesamterlös des Festes ging an das Projekt „Treffpunkt :Kerit“, das eine neue Anlaufstelle in der Kurstadt zum Ziel hat, die unterschiedlichste soziale Notlagen versorgen kann.

Es entspann sich ein wuseliges Fest, bei dem Laien gegen Geistliche im Wettbewerb eine Holzkirche bauten, ausgiebig in einem Bücherflohmarkt gestöbert und sich an mittelalterlicher Gauklerkunst bei Lutherbier erfreut werden konnte. Den Bau der Holzkirchen gewannen übrigens die Laien. Dies, obwohl Pfarrer Kartens Wächter in Mönchskutte sein Bestes gab. Aber Seelsorger sind eben meist keine Haanwerker. Das hatten ihnen Jesus und Josef als Zimmerleute voraus.

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