Rhein-Ahr-Schützen passen sich an Öffnung nach vielen Seiten

KREIS AHRWEILER · Der Schützenbezirk Rhein-Ahr bezieht liberale Positionen zu Andersgläubigen und der sexuellen Orientierung. Bezirksbundesmeister Sigmund Belz forderte zudem mehr Engagement bei der Nachwuchsgewinnung.

 Herbert Ritterrath ist Präses der Schütze im Kreis Ahrweiler.

Herbert Ritterrath ist Präses der Schütze im Kreis Ahrweiler.

Foto: Günther Schmitt

400.000 Schützen in 1300 Vereinen diskutieren in den kommenden Wochen den neuen Orientierungrahmen des Bundes der Historischen deutschen Schützenbruderschaften. Dabei geht es maßgeblich um den Umgang mit Konfessionslosen und Andersgläubigen innerhalb der Vereine und der Hierarchie des Dachverbandes. Beschlussfassendes Organ ist am 12. März in Leverkusen die Bundesvertreterversammlung. Am Sonntag positionierte sich die Delegiertenversammlung der Schützen im Bezirk Rhein-Ahr. Diese vertritt rund 1450 Mitglieder in 18 Vereinen zwischen Remagen und Schuld.

Unisono erklärte unter Zustimmung der Versammlung im Königsfelder Schützenhaus Bezirksbundesmeister Sigmund Belz: „Wir haben kein Problem mit Andersgläubigen. Denn der Andersgläubige hat sich in seiner Familie, in seiner Welt und in seinem Glauben so vorgefunden. Niemand kann erwarten, dass er sich jetzt verbiegen soll. Er wird angenommen und akzeptiert in dem Glauben, den er hat.“ Und Präses Pfarrer Herbert Ritterrath führte das Beispiel der Ahrweiler Bürgerschützen an: „Wenn ein Muslim bittet aufgenommen zu werden und sich mit den Werten der Schützen identifiziert, dann soll das auch geschehen.“

Auch die sexuelle Orientierung von Schützenbrüdern oder Schützenschwestern spielt für Mitgliedschaft oder Funktion keine Rolle mehr. Dabei zitierte Präses Ritterrath Papst Franziskus: „Wer bin ich, dass ich da richten soll“. Die Tagesordnung der Bundesvertreterversammlung sieht vor, entsprechende Paragrafen, die es bislang gab, aber nicht mehr angewandt wurden, komplett aus den Statuten zu streichen.

Kein Problem mit Kirchenaustretern

Schwieriger tat sich der Bezirksbundesmeister allerdings mit dem Beschlussvorschlag des Bundes, dass aus der Kirche ausgetretenen Schützen nahegelegt werden soll, keine Leitungsfunktion von örtlicher bis zu Bundesebene auszuüben. „Das entbehrt jeglichem Realitätsbezug“, erklärte Belz und unterstrich seine „grundsätzlich liberale Einstellung“. Warum sollte ein Schützenbruder, der bis dato in einem Verein hervorragende Arbeit in einem Vorstand geleistet habe, diese „ von heute auf morgen nicht mehr ausüben, weil er aus der Kirche austritt?“, fragte Belz. „Wir können uns die guten Leute doch nicht von den Bäumen pflücken.“

Seinen Austritt aus der Kirche habe jeder nur mit seinem Gewissen zu vereinbaren. Es gebe viele Menschen, die dennoch zu christlichen Werten stünden. Der Bundesmeister legt bei diesem Thema Wert auf Entscheidungen im Einzelfall.

Dafür tritt auch der Bundesjungschützenrat in sein Positionspapier zum Orientierungsrahmen ein. Dort wird klar gefordert, der „persönlichen Qualifikation und gelebten christlichen Werten eine größere Rolle als anderen Kriterien einzuräumen“. Das befürwortete im Gespräch mit dem General-Anzeiger bei der Versammlung auch Jürgen Knieps, der als Hauptmann bei der Versammlung mehr als 700 nicht-schießende Ahrweiler Sebastianer repräsentierte: „Wichtig bei allem ist die persönliche Lebenssituation jedes Einzelnen. Wir sind keine Dogmatiker.“ Und Bundesmeister Belz forderte ein: „Höflichkeit, Respekt, Treue, Ehrlichkeit und Zusammenhalt.“

Weniger Schützen tragen die Tracht

Letzteres auch in „düsteren Zeiten“, denn würden Ahrweiler und Remagen mit zusammen 790 Mitgliedern sowie 39 Schüler- und 65 Jungschützen von der Ist-Zahl im Bezirk abgezogen, verblieben in den restlichen 16 Vereinen an Rhein und Ahr lediglich noch 556 Mitglieder, ein Schnitt von 35 Schützen pro Verein.

Noch vor zehn Jahre habe der Bezirk 20 Mitgliedsvereine gehabt. „Immer weniger Schützen sind bereit, Schützentracht zu tragen und damit wird auch die Präsenz in der Öffentlichkeit immer bescheidener“, bedauerte Belz und forderte mehr Engagement in Sachen Nachwuchs- und Mitgliederwerbung. Dabei gelte es besonders auf Frauen und Mädchen zuzugehen. Er sah Nachholbedarf bei Mitgliedsvereinen des Bezirks, „die Frauen scheuen wie der Teufel das Weihwasser“.

Verärgert zeigte sich der Bundesmeister über die Absage des Bundesjungschützentages zum Stadtjubiläum von Sinzig durch den Diözesanverband. Dies sei geschehen, obwohl der Bezirk noch am selben Tag die Finanzen durch einen Hauptsponsor hätte sichern können. Positiv anerkannt wurde von der Versammlung, dass die Brohler Hubertus-Schützen ihr 150-jähriges Bestehen in diesem Jahr komplett einem sozialen Projekt widmen. Alle Einnahmen und Zuwendungen gehen an das Hospiz Rhein-Ahr in der Kreisstadt.

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