Start up aus Holzweiler Mini-„Flöten“ schützen vor Allergie

HOLZWEILER · Am Vortag der Oscar-Verleihung stellt die Grafschafterin Ramona Mignon in Los Angeles ihre „Flutees“ vor.

 Ramona Mignon ist stolz auf ihre „Flutees“, die möglich machen, dass auch Nickelallergiker wieder Modeschmuck tragen können. FOTO: GAUSMANN

Ramona Mignon ist stolz auf ihre „Flutees“, die möglich machen, dass auch Nickelallergiker wieder Modeschmuck tragen können. FOTO: GAUSMANN

Foto: Martin Gausmann

Das kennen alle Frauen: Wenn das Glück der Welt an diesem Tag von einem einzigen Paar Schuhe abhängt, wird es auch eine Nummer kleiner gekauft. „Nein sagen“ konnte Ramona Mignon aus Holzweiler auch nicht, als ihr Mann ihr ein paar hübsche Modeschmuck-Ohrringe kaufen wollte. „Obwohl ich ja wusste, dass ich das Los einer Nickelallergie mit rund 20 Millionen Menschen in Deutschland teile, wollte ich es noch mal versuchen“, so die 47-jährige Marketing-Expertin, die seit 15 Jahren auf der Grafschaft lebt.

Als sie dann wieder heftig reagiert, die Ohren jucken, schmerzen und nässen, macht Mignon aus der Not eine Tugend. Sie bringt die Gründung ihres Unternehmens „Flutees“ auf den Weg – Flutees, das englische Wort für Flöte mit einem zusätzlichen „e“ – und entwickelt in zwei Jahren Kunststoff-Schutzhülsen für Ohrstecker.

Der erfolgreiche Versuch, ihr „Baby“ zum Laufen zu bringen – „Flutees“ gibt es derweil bundesweit in Apotheken und bei Juwelieren – gipfelt nun für sie völlig überraschend in eine Einladung nach Los Angeles zum Branchenmeeting „Honoring the Academy Awards“.

Dort treffen am Vorabend der Oscar-Verleihung 40 international selektierte Start-Up-Unternehmen auf mehr als 100 Stars und Sternchen aus dem amerikanischen Showbiz. Mignon ist die einzige Unternehmerin aus Deutschland, die dort an einem Messestand ihr Produkt vorstellen kann, der Großteil der Kollegen stammt aus USA, Kanada und Australien.

Mignons‘ Geschichte haftet wirklich ein wenig der Hauch vom amerikanischen Traum an. Und dass ihr das Glück in die Hände spielt, weil die deutsche Frau des Award-Organisators bei ihrem jüngsten Besuch in der Heimat auf die Schutzhülsen aufmerksam wird, freut Mignon umso mehr. „Vor zwei Wochen erreichte mich die Mail mit der Einladung nach Kalifornien. Viel mehr weiß ich selbst nicht, die Amerikaner sind da verschlossen wie die Austern. Ich sehe in der Möglichkeit der Präsentation jedoch genau das Quäntchen Glück, das jeder zu seinem Know-how braucht“, so die 47-Jährige im GA-Gespräch. „Es ist für mich eine große Ehre, in LA auf das Unternehmen, das aus einem kleinen Grafschafter Dorf heraus gegründet wurde, aufmerksam zu machen.“

Spricht aus der Geschäftsführerin momentan der Stolz, die Neugierde auf die Woche in Kalifornien und die Überzeugung, mit „Flutees“ ein hochwertiges Marken-Qualitätsprodukt geschaffen zu haben, forderte die Produktentwicklungsphase alle Aufmerksamkeit, unendlich viel Fleiß, privates Kapital und extrem viel Zeit. Denn als Mignon nach intensiver Recherche bewusst wurde, dass es für das millionenfache Problem der Kontaktallergie bis dato keine Lösung gibt, arbeitete ihr Ehrgeiz bereits auf Hochtouren.

"Ganz oder gar nicht"

„So was schaffen Sie nicht abends zwischen 18 und 20 Uhr. Das war mein Ding, meine Herzenssache und schnell war klar: ganz oder gar nicht.“ Unzählige Gespräche mit Ingenieuren und Herstellern folgen, um den passenden Kunststoff, der medizinisch zugelassen ist, zu finden. „Ich wollte keinen industriellen Kunststoff in mein Ohrloch einführen, doch für diesen Bereich der Mikrotechnologie sind spezielle Maschinen und Werkzeuge vonnöten.“

Nachdem eines der wenigen Unternehmen gefunden war, musste die nächste Hürde genommen werden: „Hochwertiger Kunststoff hätte einen Produktpreis von 60 Euro erfordert. Das lässt sich nicht am Markt durchsetzen.“ Wieder half Kollege „Zufall“, ein neues Unternehmen mit einem Material in der Zulassungsphase, war bereit, die extrem teuren und präzisen Werkzeuge auf die „Flutees“ abzustimmen.

„Die Hülsen sind als Medizinprodukt zugelassen, die Anmeldung zum Patent läuft, ein Münchener Sicherheitsbeauftragter achtet auf die Qualitätssicherheit. Sie sind, steril verpackt, freigegeben zur einmaligen Verwendung. Auch wenn sie eine Mehrfachnutzung hergeben, sind sie stark vergleichbar mit Einmal-Kontaktlinsen“, erklärt die gelernte Betriebswirtschaftlerin. Die Produktion – pro Jahr könnten 250 000 Packungen à fünf Paar hergestellt werden – sitzt in Thüringen, verpackt werden die Mini-Teile in Karlsruhe.

Gärt bei ihr bereits das Thema „Schutzhülsen für Piercings“, möchte sich die 47-Jährige jetzt erst einmal auf LA konzentrieren. „Wer weiß, was bei den sogenannten ‚follow-up meetings‘ passiert, wen ich treffe und wen mein Produkt anspricht. Wichtig ist, wahrgenommen zu werden.

Eine Chance ist der Academy Award am 27. Februar allemal. Und natürlich werde ich am nächsten Tag bei der Oscar-Verleihung am roten Teppich stehen.“ „And the winner is“: Mignons Mischung aus Innovation, Fleiß, Mut und Hoffnung hat einen Sieger namens „Flutees“ hervorgebracht. Ganz zu schweigen von den vielen Frauen, die nun wieder zu Modeschmuck greifen können.

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