Wein Lese im Ahrtal läuft auf vollen Touren

KREIS AHRWEILER · "Der Wein ist die Arznei der Welt." Wenn dieses Sprichwort stimmt, dann gehört das Ahrtal zu den Regionen der ganz großen Heilmittelproduzenten. Seit einigen Tagen sind die Winzer mit ihren Helfern in den Weinbergen, um die Ernte einzufahren.

 Lese im Ahrweiler Rosenthal (von links): Karl-Heinz Strahl, Moritz Stoos und Marianna Winkelmann.

Lese im Ahrweiler Rosenthal (von links): Karl-Heinz Strahl, Moritz Stoos und Marianna Winkelmann.

Foto: Günther Schmitt

Der Wein hat schon immer große Taten hervorgebracht: Diesmal die zum Teil sehr anstrengende Lese in den Steillagen der Hänge an der Ahr. Mühevoll ist die Arbeit, anstrengend. Beispielsweise an der Landskrone oberhalb von Heppingen, wo Winzer Hubert Pauly vom Weingut Burg Adenbach in Ahrweiler mit zwölf Erntehelfern die ersten Beeren von den Reben schneidet.

Es nieselt leicht, der Boden ist rutschig. Kein gutes Wetter für die Lese. Trotzdem ist die Stimmung gut. Was nicht zuletzt am Humor des 62-jährigen Weinbauern liegt. Paulys Weingut bewirtschaftet etwa sieben Hektar Weinberge. Die Betriebsstätte des alten Weinbaubetriebes befindet sich samt Straußwirtschaft in Dernau, die Kellerei im ehemaligen Weinbauverein unterhalb des Adenbachtores in Ahrweiler. Dort hat sich auch die Lese-Mannschaft versammelt. Rentner, Studenten, polnische Erntehelfer, der GA-Redakteur.

Mit Traktor, Hängern und kleinen Transportern geht es in die Weinberge. Scheren und Kisten werden verteilt, die Ernte-Teams in Zweiergruppen und bestimmte Leseabschnitte eingeteilt, ein an einer Stahlseilwinde befestigter "Lastenaufzug", der Leseschlitten, wird installiert. Rebe für Rebe wird bearbeitet, in den Kisten sammeln sich weiße Rivaner-Trauben, eine Sorte, die an Klima und Bodenbeschaffenheit relativ geringe Ansprüche stellt. Die Reben reifen früh und bringen große Erträge.

Auch an der Landskrone. Zumal dort die Wildschweine nicht so gewütet haben, wie dies im vergangenen Jahr noch der Fall war. Der Grund: Die Schwarzkittel haben so viele Eicheln zu fressen, dass sie derzeit auf kulinarische Abwechslung im Wingert kaum erpicht sind. Das große Eichelaufkommen wertete Hubert Pauly, seit 2010 übrigens auch Präsident des Weinbauverbands Ahr, als sicheres Zeichen dafür, dass es einen harten Winter geben wird.

Schwiegervater Erwin ist inzwischen knatternd mit einem Traktor vorgefahren und bringt das Mittagsessen vorbei: Warme Mettwurst, belegte Brote, Kaffee, Wasser und alkoholfreies Bier. Wein gibt es keinen. Immerhin kann man den bekanntlich nur begrenzte Zeit mit Verstand trinken. Denn auch weißer Wein macht rote Nasen. Motto: Je stärker der Wein, desto schwächer das Bein. "Der Wein wandelt einen Maulwurf in einen Adler", weiß Pauly.

Deshalb gibt es keine "Stärkungen" aus dem Hause Burg Adenbach, sondern Gänsewein (Wasser). Schließlich ist der Umgang mit der Schere nicht ganz ohne. Schnell hat man sich bei der Lese in den Finger geschnitten. Auch gilt es, in der Steillage das Gleichgewicht zu halten, was anstrengend ist und Ungeübten einen höllischen Muskelkater beschert.

Per Seilwinde werden die mit Beeren gefüllte Kisten aus dem Wingert gezogen und an Ort und Stelle entrappt. Bedeutet: Von Stiel und Stängel getrennt. Im heimischen Weingut werden die Trauben schließlich in eine Presse gepumpt und in riesige Gärtanks gefüllt. Am Montag waren Pauly und seine Mannen oberhalb der Ahrweiler Laurentiuskirche am Weltjugendtagskreuz zu Gange.

"Dornfelder", eine frühreifende rote Rebsorte, wurde aus den Reben geschnitten. "Wenn Gott verboten hätte, Wein zu trinken, würde er dann diesen Wein so herrlich wachsen lassen?" zitierte Hubert Pauly einen Aphorismus von Armand Jean du Plessis Richelieu, und lässt seinen Blick über Ahrweiler und seine Hänge schweifen. Eine Landschaft, so wahrhaftig wie der Wein. Denn in ihm liegt ja bekanntlich die Wahrheit.

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