Zweiter Dienstsitz unterm Dach

Knapp 40 Mitarbeiter zogen vom alten Kanzleramt ins Palais Schaumburg um - Und des Kanzlers Bürgerpost pendelt zwischen Berlin und Bonn

  Nostalgisch:  Günter Wagenknecht in einem der Hallstein-Räume.

Nostalgisch: Günter Wagenknecht in einem der Hallstein-Räume.

Bonn.Fast unbemerkt sind sie umgezogen. Während alle Augen auf Berlin und das neue Kanzleramt gerichtet sind, wurde der Bonner Dienstsitz vom alten ins noch ältere Kanzleramt, ins Palais Schaumburg, verlegt. Knapp 40 Mitarbeiter haben sich dort unterm Dach in frisch renovierten Räumen eingerichtet. Mitarbeiter des Inneren Dienstes, des Petitionsreferates, des für Beihilfen und Reisekosten zuständigen Referats und der Registratur. Bis auf zwei Ausnahmen durchweg Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes, die in Bonn für den Kanzler tapfer das Fähnlein hochhalten.

Bundeskanzleramt, Dienstsitz Bonn. So steht''s auf dem gelb-schwarzen Schild mit Bundesadler, festgemacht an dem Zaun, an dem der Kanzler einst so vehement gerüttelt hat. Den Haupteingang Görresstraße, früher von Bundesgrenzschützern bewacht, kontrolliert heute ein privater Wachdienst. Neuer Hausherr des alten Kanzleramtes inklusive Bungalow und Park ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), das nach der Sanierung voraussichtlich 2004 dort einziehen will.

Der zweite Dienstsitz des Kanzlers im Palais Schaumburg hat etwas Beschauliches. Wenn Günter Wagenknecht, Leiter des zur Planungsabteilung gehörigen Referats für Informationsanalyse und zuständig für die Presseauswertung, morgens um 5 Uhr "sein" Palais aufschließt, beschleicht ihn ein gediegenes Gefühl. Wagenknecht residiert parterre in einem der Hallstein-Räume und atmet dort den Staub der frühen Jahre. Das nostalgische Ambiente wurde mit Büromöbeln älterer Bauart ergänzt. Und nicht nur an den Fenstern der alten Kabinettsbibliothek nagt der Zahn der Zeit.

Unterm Dach ist dagegen alles picobello renoviert, für knapp eine halbe Million Mark. Das Dach musste abgedichtet werden, weil der Schwamm sich schon in den Mauern breitgemacht hatte, Farbe an den Wänden und neue Möbel haben die Räume in ganz passable Büros gewandelt. Allerdings ohne Klimaanlage. Im Hochsommer, erinnert sich mancher an alte Zeiten, der reinste Backofen. Zu erreichen ist das Dachgeschoss über zwei enge Wendeltreppen.

Das Palais als zweiter Dienstsitz des Kanzlers hat demzufolge auch ein Büro für den Kanzler. In der ersten Etage, wo früher Horst Ehmke saß und wo zuletzt übergangsmäßig ein "Kanzlerruheraum" sprich Schlafzimmer für Gerhard Schröder eingerichtet worden war, steht jetzt ein Schreibtisch mit Blick in den Park. Dazu gehört ein jederzeit zu aktivierendes Vorzimmer, für den Fall, dass der Kanzler in Bonn zu tun haben sollte. An den geschichtsträchtigen Räumen wie Kabinettssaal, Adenauerzimmer und Hallsteinräume ist nach wie vor das Haus der Geschichte interessiert. Museumsdirektor Herrmann Schäfer hat gerade wieder mal ein zehnseitiges Konzept nach Berlin geschickt, um die Details zu erklären. Ob schon im Herbst die ersten Ausstellungen und Kulturabende über die Bühne gehen können, ist in erster Linie eine finanzielle Frage, die "hoffentlich", so Schäfer, bald einvernehmlich mit dem Bund geklärt werden kann. Über die Zukunft des Kanzlerbungalows und einer möglichen Öffnung des Parks für die Bevölkerung ist noch nichts entschieden.

Dass die Bonner Dependance des Kanzleramtes sich "einem natürlichen Prozess" der Auflösung durch eine Strategie des Nicht-Nachbesetzens der Stellen auf Dauer nicht entziehen könnte, argwöhnen nicht nur Außenstehende. Wobei der Umstand, dass die Bürgerpost an den Bundeskanzler von Berlin nach Bonn geschickt, hier bearbeitet und dann nach Berlin zurückgeschickt wird, wo die Antwortschreiben mit dem Berliner Poststempel versehen werden, einer gewissen Komik nicht entbehrt. Aber soviel ist sicher: Bei der Taube, die sich dieser Tage in einem der Wintergärten des Berliner Kanzleramtes verirrte, handelt es sich nicht um eine Brieftaube aus Bonn.

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