Wo das Geräusch aufhört, fängt der Lärm an

15 Sekunden der Stille sollen am Mittwoch das Bewusstsein für die Lärmproblematik schärfen - 80 Prozent der Deutschen fühlen sich belästigt - Krach stört den Nachbarn - Straßenverkehr, Flugzeuge und Züge sind auch im Rhein-Sieg-Kreis die offensichtlichsten Lärmfaktoren

  Lärmteppich:  Ob Züge, Flugzeuge, Motoren, Arbeitsgeräte oder spielende Kinder - Krach stört subjektiv und belastet die Psyche des Menschen. Montage: Arndt

Lärmteppich: Ob Züge, Flugzeuge, Motoren, Arbeitsgeräte oder spielende Kinder - Krach stört subjektiv und belastet die Psyche des Menschen. Montage: Arndt

Rhein-Sieg-Kreis. Lärm ist überall. Ob Flugzeuge im An- oder Abflug, Lastwagen auf der nahen Autobahn, über die Schienen ratternde Züge, Presslufthammer von Arbeitern oder einfach nur die mitunter latente Geräuschkulisse im Büro. Oft sind uns die Lärmquellen gar nicht mehr bewusst.

Erst ein nächtlicher Spaziergang auf dem Land, auf einem Feldweg irgendwo zwischen Neunkirchen und Much vielleicht, offenbart, was uns im täglichen Leben fehlt: Stille. Wenigstens für 15 Sekunden können wir am Mittwoch vielleicht nachempfinden, wie es ist, einfach einmal gar nichts mehr zu hören. Die Deutsche Gesellschaft für Akustik (DEGA) ruft am Tag gegen den Lärm ab 14.15 Uhr zur Lärmpause auf.

Mit ihrem achten bundesweiten Aktionstag will die DEGA auf die Lärmproblematik aufmerksam machen und das Bewusstsein für die Sinneswahrnehmung Hören stärken. Denn Lärm gefährdet das Gehör - und belastet die Psyche. Und nicht nur richtig lauter Krach belastet, sondern auch dauerhafte Geräusche unterhalb der Schmerzgrenze, die bei 120 Dezibel liegt.

Schwerhörigkeit, Tinnitus, Schlafstörungen, Herz- und Kreislauf-Erkrankungen können Folge von erhöhter Geräuschbelastung sein. Laut Statistik sind 80 Prozent der Deutschen in irgendeiner Weise von Lärm betroffen, über die Hälfte der Bevölkerung sogar durch mehrere Lärmquellen zugleich.

Mehr als ein Drittel fühlt sich durch den Straßenverkehr, rund ein Viertel durch den Schienenverkehr beeinträchtigt. Fast 15 Prozent der Deutschen stört Fluglärm - und davon gibt es in der Region auch nachts einigen zu hören.

Straßenverkehr, Flugzeuge und Züge sind auch im Rhein-Sieg-Kreis die offensichtlichsten Lärmfaktoren. So kämpfen etwa viele Kommunen für Lärmschutzwälle, Umgehungsstraßen und die Verbannung von Lastwagen aus den Städten.

Jahrzehntelangem Einsatz Troisdorfer Bürger ist es zu verdanken, dass die EL 332 den Verkehr um die Aggerstadt herumleitet. Es fehlt noch der Anschluss der Ortsumgehung Sieglar und Eschmar. Im Mai wird die Umgehungsstraße L 269 N eingeweiht, für die die Niederkasseler lange gekämpft hatten. Mit der neuen ICE-Trasse zwischen Köln und Frankfurt wuchsen zahlreiche Lärmschutzwände entlang der Schienen.

Extrem laut ist die alte Eisenbahnbrücke zwischen Menden und Friedrich-Wilhelms-Hütte. Die starre Stahlkonstruktion aus den ersten Nachkriegsjahren verursacht allein durch ihre Bauweise einen erheblichen Lärmteppich, wenn sie von einem Zug passiert wird. Ein Gutachter hat gemessen, dass die Züge auf der Brücke mit 70 Dezibel zwei- bis dreimal lauter sind als auf festem Untergrund.

Pro Tag verkehren rund 400 Züge auf dem Streckenabschnitt zwischen Troisdorf und dem Rheintal, überwiegend ohnehin schon laute Güterzüge. Doch die Anwohner können aufatmen: Wie der General-Anzeiger berichtete, soll die Stahlbrücke derart saniert werden, dass der Lärm von Güter- und Personenzügen deutlich gesenkt wird.

Ein Dauerthema seit Jahren ist auch der Fluglärm rund um den Airport Köln/Bonn. Vor allem in den Start- und Landekorridoren sind die Anwohner rund um die Uhr dem Dröhnen der Düsentriebwerke ausgesetzt. Der Flughafen hat etliche Millionen Euro für den passiven Lärmschutz wie etwa Schallschutzlüftungen und -fenster an einigen tausend Wohnungen ausgegeben.

In seinem monatlichen Lärm-Report gibt der Airport zudem Auskunft über den Krach bei Tag und Nacht und darüber, welches Flugzeug wann an welcher der 17 Lärmmessstellen den Referenzpegel überschreitet. Damit werden besonders laute Überflüge registriert.

So verzeichnet der Noise-Report für Januar 29 Pegelüberschreitungen. Den absoluten Rekord stellte eine betagte Transportmaschine vom Typ Ilyushin 76 auf. Sie wurde am 2. Januar im Landeanflug an der Messstelle Rambrücken im Sülztal mit 103,2 Dezibel gemessen. Die Maschine war im Einsatz für das Rote Kreuz und transportierte Hilfsgüter für die Flutopfer in Südostasien. Vergangenes Jahr wurden die Referenzpegel bei 152 648 Starts und Landungen 77 Mal überschritten.

Um den Fluglärm soll sich demnächst auch das Bundesverfassungsgericht kümmern. Lohmarer, die mit einer Entschädigungsklage vor dem Bundesgerichtshof gescheitert waren, haben gegen dieses Urteil Beschwerde beim Verfassungsgericht eingelegt.

Der Großteil der rund 2 500 Anrufer, die sich jedes Jahr beim Arbeitsring für Lärmbekämpfung in Düsseldorf melden, beschwert sich allerdings weder über Flugzeuge, noch über Lkw-Verkehr, sondern über etwas ganz anderes: die lieben Nachbarn.

Das reicht vom Rasenmähen während der Mittagsruhe bis hin zum leisen Geplätscher eines Springbrunnens, weiß Ludger Visse vom Arbeitsring. Dabei kann einen Menschen durchaus belasten, was einen anderen nicht stört: "Wo das Geräusch aufhört und der Lärm anfängt, das entscheidet der Empfänger."

Beschwerden von Nachbarn haben auch wiederholt zu Polizeieinsätzen am Bürgerhaus in Kaldauen geführt: Sie hatten sich durch die Feiernden, ihre Musik und an- und abfahrende Autos belästigt gefühlt. Die Folge: Seit anderthalb Jahren dürfen im Haus für die Bürger nur noch Mitglieder der Kaldauer Vereine feiern.

Die Bezirksregierung Köln bietet am Mittwoch zwischen 10 und 17 Uhr eine Telefonaktion zum Thema Lärm an. Arbeitsschutz- und Umweltexperten sowie Mediziner informieren unter der Rufnummer (02 21) 1 47 38 01 über Lärm am Arbeitsplatz sowie medizinische Fragen und unter der Rufnummer (02 21) 1 47 38 02 über Umweltlärm.

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