Winzer von der Ahr bekommt Denkmal in China

Sie haben ihn förmlich vergöttert und sich in tiefem Respekt vor ihm verbeugt: Zu Ehren des "Weinprofessors der Ahr", Norbert Görres, wurde in der chinesischen Provinz Shandong eine Bronzestatue enthüllt.

Winzer von der Ahr bekommt Denkmal in China
Foto: privat

Bad Neuenahr. Sie haben ihn förmlich vergöttert und sich in tiefem Respekt vor ihm verbeugt. Sie hörten ihm aufmerksam zu, weil sie wussten, dass er viel zu sagen hatte und sie alles von ihm lernen konnten.

Die Menschen der chinesischen Provinz Shandong am Gelben Fluss zeichneten den "Weinprofessor der Ahr", Norbert Görres, schon zu Lebzeiten mit der Freundschafts-Goldmedaille der Region, die mehr Einwohner als Deutschland hat, aus. Auch machten sie ihn zum Ehrenbürger, weil er ihnen als "Senior Expert" zeigte, wie Wein angebaut wird.

2009 dann sollte Görres in Peking die höchste Ehrung zuteil werden, die die chinesische Regierung an Nicht-Chinesen ausspricht: die Verleihung des "friendship awards". Doch der plötzliche Tod von Görres aus dem Bad Neuenahrer Weingut Sonnenberg im Mai 2009 machte diese Pläne zunichte.

Eine Delegation aus der Volksrepublik begleitete ihn auf seinem letzten Weg, die völkerverbindende Geschichte sollte damit jedoch noch nicht am Ende sein. Dafür waren die Spuren, die Görres in den Herzen der Menschen hinterlassen hatte, zu tief. Posthum ehrten sie ihn nun mit diesem Freundschafts-Preis und der Enthüllung eines bronzenen Denkmals, das ihn mit einem Glas Wein in der Hand darstellt.

Sein Enkel Marc, der das Weingut in dritter Generation führt, und dessen Partnerin Michaela Wolff, flogen für zehn Tage ins Reich der Mitte. Im Weingut "Hano" - Abkürzung für Hans Beu aus Walporzheim und Norbert Görres - nahmen sie im Kreise von Regierungs-, Partei-, Regions- und Stadtvertretern bei einem festlichen Akt die Würdigung entgegen.

"Das war schon ein bewegender Moment, als das rote Tuch gelüftet wurde und die überlebensgroße Statue meines Großvaters zum Vorschein kam", berichtet Winzer Linden. In den folgenden Reden der Funktionäre kamen der große Respekt, die extreme Wertschätzung und die vielen positiven Erinnerungen zum Ausdruck. "Wir können ihn nicht mehr vergessen", hörte Marc Linden in den folgenden zehn Tagen immer wieder.

Bevor der Winzermeister der Ahr ein Grußwort von Bürgermeister Guido Orthen sprach und das Wappen der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler überreichte, bedankte er sich ebenfalls bei den Gastgebern: "Das Wissen meines Großvaters über Pflanzen, speziell die Reben, wuchs mit seinen Lebensjahren und war am Ende sicherlich einzigartig.

Was ihn darüber hinaus jedoch wirklich ausgezeichnet hat und ihn zu einem ganz besonderen Menschen machte, war die Tatsache, dass er sein Wissen immer gerne an alle weitergegeben hat, die davon schöpfen wollten." Görres, Träger des Bundesverdienstkreuzes, sei bei allen Ehrungen und Erfolgen stets bodenständig, bescheiden, kritisch, selbstkritisch und ungeheuer fleißig geblieben.

"Er war ein unermüdlicher Mahner für Qualität und Unverkennbarkeit eines Weines", so sein Enkel in der Laudatio. "Ich wünsche uns allen, dass wir im Sinne von Norbert Görres weiterwirken", endete Linden. In dem Moment wusste er noch nicht, dass er diese Worte am Ende seiner ersten China-Reise mit Leben füllen würde.

Denn beim Rundgang übers weitläufige Terrain, beim Anblick der Rebstöcke auf 40 Hektar Fläche und dem Besuch der auf mehreren Ebenen angelegten Kellerei, wurde ihm schnell bewusst: Die 200 Menschen, denen sein Großvater eine Perspektive gegeben hatte, die durch ihn Hoffnung geschöpft hatten, sind nach seinem Tod in einen "Dornröschenschlaf" gefallen.

"Wenn keiner da ist, der sie anleitet, heißt das: nichts passiert", so Linden. Beispiel: In den Wingerten, die sein Großvater mit den Bauern angelegt hatte, wucherte alles wild. "Die Arbeiter werden nach Gewicht bezahlt, also trauen sie sich nicht, Beeren aus Qualitätsgründen raus zu schneiden. Ihnen müsste eine Entschädigung fürs Nicht-Lesen gezahlt werden. Sie beeren von Hand ab, obwohl es teure Entrappungsmaschinen gibt."

Kopfschütteln machte sich breit, als er sah, dass gerade mal 10 000 Liter in den riesigen Edelstahltanks lagern. "Da wird eher in Chile zugekauft, als den eigenen Anbau zu verbessern." Oder dass dem einzigen Rebenzüchter, der sein Handwerk von Görres gelernt hatte, die Regierung - 90 Prozent des Areals gehören dem Staat - die Stecklinge wegnimmt.

Auch beim Bau des millionenteuren modernen Kellereigebäudes, das auf einem Areal von 400 Hektar nebst Hotel und geplantem Golfplatz wie Schloss Neuschwanstein anmutet, hatte Görres beratend zur Seite gestanden. Auf Wunsch der Chinesen plante sein Freund, der Bad Neuenahrer Architekt Günter Lieverscheidt, die riesige Kellerei. "Sie ist aber schon jetzt in einem schockierenden Zustand", so Linden.

Ob es die Bitten der einfachen Bauern, die Winzerehre, an der der klägliche Zustand der Weinberge Marc Linden packte oder doch die "Macher-Gene" seines Opas waren: Statt einer geplanten touristischen Rundreise erarbeitete er mit Michaela Wolff noch vor Ort ein neunseitiges Konzeptpapier und unterschrieb einen Kooperationsvertrag.

Der sieht ein technisches Beraterprogramm für Weinbau und Kellertechnik vor. Er besagt auch, dass Techniker aus China an der Ahr geschult werden und beide Seiten Weine importieren dürfen.

Nach 500 gemachten Fotos, erlebter Gastfreundschaft und der Übernahme einer Patenschaft für ein Kind, um ihm eine Schulausbildung zu ermöglichen, ist Linden klar: Die nächste China-Reise kommt bestimmt. Im Frühjahr 2011. Vielleicht fährt Günter Lieverscheidt nochmal mit, um sich von der maroden Kellerei ein Bild zu machen.

Provinz ShandongDie Provinz Shandong(Hauptstadt Jinan) mit mehr als 91 Millionen Einwohnern, liegt an der chinesischen Ostküste am Unterlauf des Gelben Flusses. Dort herrscht ein Konsumklima mit heißen, regnerischen Sommern und trockenen, sonnigen Wintern.

Shandong ist eine der reichsten Provinzen Chinas; die Wirtschaft ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von 446 Milliarden US-Dollar die zweitgrößte der Volksrepublik. Qufu, der Geburtsort des Konfuzius, gehört zu den Nationalschätzen erster Ordnung.

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