Wildschweine fressen ganze Weintraubenernte in Mayschoß auf

Weinberg am Altenahrer Eck ist verwüstet, komplette Eiswein-Lese fällt aus

Wildschweine fressen ganze Weintraubenernte in Mayschoß auf
Foto: Martin Gausmann

Mayschoß. Fassungslos stehen Rudolf Mies und Werner Josten im steilen Weinberg am Altenahrer Eck. Auf jeder Terrasse liegen umgeknickte Rebstöcke und Geröll. Die Rieslingtrauben für den Eiswein sind weg. Wildschweine haben über Nacht die gesamte Ernte gefressen.

"So etwas habe ich noch nicht erlebt. Hier wird seit 70 Jahren Wein angebaut und noch nie sind Wildschweine eingefallen", sagt Werner Josten. Er und sein Bruder Berthold, dem der Weinberg gehört, haben den Schaden am Morgen entdeckt. 1 400 Rebstöcke auf sieben Terrassen haben die Wildschweine abgefressen, etwa 2 500 Kilo Trauben. Auch über die 600 Rebstöcke des benachbarten Weinguts Deutzer Hof sind die Tiere hergefallen.

Den Schaden für die ausgefallene Ernte trägt die Winzergenossenschaft Mayschoß/Altenahr. Denn die Weinanbauer wickeln die Eiswein-Produktion über die Solidargemeinschaft ab, damit nicht ein einzelner Winzer das hohe Ausfallrisiko eingehen muss. "Der Schaden liegt mindestens bei 25 000 Euro", schätzt Genossenschafts-Präsident Mies.

Dass die Wildschweine überhaupt den Hang entdecken und abfressen konnten, kann er kaum glauben. Die Lagen darüber hatten die Winzer bereits abgeerntet, und zwischen den einzelnen Terrassen liegen meterhohe Mauern mit sehr steilen Treppen. Weil die Stufen mit Steinen und Ästen übersäht sind, vermutet Mies, dass die Wildschweine mit ihrer Schnauze Geröll über die Stufen geschoben haben und dann darauf heruntergerutscht sind.

Am Fuße des Weinbergs, an der Rotweinstraße, deuten tiefe Furchen unter dem Maschendrahtzaun an, dass die Sauen darunter her gekrochen und weitergezogen sind. "Vielleicht sind sie auf der gegenüber liegenden Seite über den Arlberg ins Naturschutzgebiet gezogen", vermutet Mies.

Besonders in diesem Jahr sei der Schaden durch Wildschweine extrem. Auf etwa 100 000 Euro Verlust schätzt er die Folgen der Sauerei alleine im Gebiet Altenahr und Mayschoß. Verluste, die alleine die Winzer tragen: Denn im Gegensatz zu Getreide- oder Maisfeldern sind die Weinberge so genannte "Sonderkulturen". Die Folge: Die Jagdpächter sind nicht schadensersatzpflichtig.

Mies fordert jetzt einen runden Tisch mit allen Beteiligten: "Wir müssen dieses Problem schnellstens angehen", sagt der Genossenschafts-Präsident und denkt dabei vor allem an eine verstärkte, revierübergreifende Jagd.

Noch höher als der finanzielle Verlust sei der Imageschaden für die Region: "Unsere Eisweine werden überall empfohlen. Aber was, wenn die Ernte ausbleibt? Und wer ist denn noch in Zukunft bereit, so ein hohes Risiko einzugehen?", fragt sich Mies. Elektrozäune oder ähnliche Dinge zum Schutz der Weinberge seien für einzelne Winzer nicht finanzierbar.

"Das Problem mit den Wildschweinen besteht nicht nur im Altenahrer Eck, sondern im ganzen Kreis", sagt Andreas Zedler, Revierleiter des Forstreviers Mittelahr. "Das massive Eichelaufkommen im Vorjahr war für die Wildschweine eine hervorragende Nahrungsgrundlage. Dadurch haben sie sich explosionsartig vermehrt", so der Förster. In diesem Jahr seien deutlich weniger Eicheln vorhanden, dadurch suche die größere Population verstärkt nach Nahrung.

"Die Schweine haben Hunger", sagt Zedler, der einen runden Tisch für "eine sehr sinnvolle Idee" hält. Dass nur in einzelnen Revieren gejagt werde, reiche nicht mehr aus, da die Schweine dann in andere Gebiete flüchten würden. "Ein geschlossenes Vorgehen ist notwendig, um das Problem wenigstens teilweise zu lösen", so der Revierleiter.

Mies und Josten haben gehört, dass sich die Wildschweine immer näher an die Häuser trauen. Sogar in der Nähe der Grund- und Hauptschule in Altenburg seien schon Sauen gesehen worden. Genossenschafts-Präsident Mies blickt jetzt sorgenvoll auf die zwei kleineren Weinberge am Mayschosser Mönchsberg, wo die letzten Trauben für den diesjährigen Eiswein hängen.

Etwa 800 Rebstöcke stehen dort zwischen Mayschoß und Rech. Mies: "Wir können nur hoffen, dass die Schweine diese Weinberge nicht finden."

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