GA-Serie "Rheinische Redensarten" Wenn Kinde op jruße Hüüsje jonn, fallen se dorch de Brell

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

 Wenn Kinder auf die große Toilette gehen, fallen sie durch die Brille.

Wenn Kinder auf die große Toilette gehen, fallen sie durch die Brille.

Foto: GA-Grafik

Ein wunderschönes Gleichnis, das man aber durchaus auch wörtlich verstehen kann, ist unsere heutige Redewendung. Das Bild ist unmittelbar verständlich, es hat aber im Abgang noch eine viel weitreichendere Bedeutung. „Wenn Kinde op jruße Hüüsje jonn, fallen se dorch de Brell.“ Das heißt wörtlich übersetzt so viel wie: „Wenn Kinder auf die Toilette der Großen gehen, dann fallen sie durch die Brille.“ So weit, so gut.

Das Wort Hüüsje, also Häuschen, leitet sich aus der Historie her, denn in früheren Zeiten hatten die Häuser noch keine wassergespülte Toilette, sondern ein Plumpsklo auf dem Hof. Und da war der Durchlass so groß, dass die kleinen Kinder im schlimmsten Fall durchflutschten. Mit dem Effekt, dass sie ziemlich tief im Unrat saßen. Das ganze war also regelrecht gefährlich. Manche Plumpsklos hatten eine große und eine kleine Brille. Da kam es für den Nachwuchs darauf an, das nicht zu verwechseln.

Heutzutage ist die wörtliche Bedeutung allerdings in den Hintergrund getreten, denn für die Kleinen gibt es Aufsätze, die die unmittelbare Gefahr abwenden. Außerdem kann man beim Wasserklosett (WC) nicht mehr so tief fallen. Deshalb hat der Satz heutzutage nur noch seine übergeordnete Bedeutung bewahrt. Und die lautet: Es gibt Dinge, da müssen sich die Kinder raushalten. Und es gibt Dinge, die sollten sich Kinder noch nicht zumuten, weil sie sonst scheitern würden.

Man darf die Redewendung aber auch auf die Erwachsenenwelt anwenden. Denn auch dort gibt es Angelegenheiten, mit denen sich der Einzelne leicht übernehmen kann, weil er die körperlichen oder geistigen Fertigkeiten nicht besitzt, oder vielleicht die finanziellen Möglichkeiten nicht hat. Es geht also um Selbstüberschätzung und die Unterschied zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Und so kann man ganz vorsichtig durch die Blume sagen, was anders vielleicht als Beleidigung wahrgenommen würde. Aber da es ein Ruf aus der Vergangenheit und aus der Kinderwelt zu sein scheint, tut es nur halb so weh.

Die Artikel zum rheinischen Dialekt entstehen in Zusammenarbeit mit dem Heimatfilmer Georg Divossen (www.bönnsch-abc.de). Haben auch Sie einen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns an rheinisch@ga.de.

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