Vor Füchsen haben die Schafe keine Angst

Schäfer Kurt Niederberger berichtete Gästen auf seiner Wiese im Vischeltal über seine Arbeit - 400 Tiere der Rassen Merino und Schwarzkopf - Große Nachfrage nach Lammfleisch

Vor Füchsen haben die Schafe keine Angst
Foto: Vollrath

Altenahr. Mit gespitzten Ohren lässt Rex, seinen Blick über die Herde schweifen. Auf einmal rennt er los und treibt die Schafe zusammen. Kein einziges übersieht er dabei. Doch als Kurt Niederberger ihn ruft, hört der sechsjährige Schäferhund-Mix - wenn auch recht widerwillig - auf und kommt zurück. Als sei nichts gewesen, lässt er sich im Schatten des Schäfers nieder, legt den struppigen Kopf auf die Pfoten und döst vor sich hin.

Immer wieder erlebten die Besucher auf der Wiese im Altenahrer Vischeltal diese Szene. Rund 15 Erwachsene und Kinder nutzten die Gelegenheit, bei einer naturkundlichen Expedition der Kreisvolkshochschule einem echten Schäfer bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Mit seinen 400 Schafen der Rassen Merino und Schwarzkopf zieht Niederberger von Frühjahr bis Winter durch den Kreis Ahrweiler. Auf diesem Weg macht er auch regelmäßig in der unberührten Natur am Vischelbach bei Kreuzberg Station.

Seit acht Jahren betreibt der gebürtige Schwabe in der Region standortgebundene Wanderschafhaltung. "Im Sommer bin ich an der Ahr, im Winter auf der Grafschaft", erklärte Niederberger den interessierten Gästen.

In den Stall in Bengen kommen allerdings meist nur die Schafe, die ab Dezember lammen. Die übrigen fühlen sich auch bei Schnee und Kälte im Freien wohl. Krankheiten wie Lungenentzündung seien, wie der Schäfer hervorhob, eher im Frühjahr zu erwarten, wenn die Temperaturen häufig wechseln.

"Schafe hüten ist ein Vollzeitjob", machte der 32-Jährige klar, der tagtäglich mit einem seiner sechs Hütehunde auf die Tiere Acht gibt. In den Sommermonaten gehe so ein Arbeitstag in der Regel von 6.30 bis 22 Uhr. Wenn Niederberger morgens zu seiner Herde fährt, schaut er erstmal nach, ob alle Tiere gesund sind und ob eins gelammt hat. Damit über Nacht kein Schaf davonläuft, wird die Herde abends in ein Gehege gesperrt.

"Die größte Gefahr für die Tiere geht während dieser Zeit von freilaufenden Hunden aus", so Niederberger. "Vor fünf oder sechs Jahren hatten wir mal 25 tote Schafe", erinnerte sich der Schäfer. Als er am Morgen zur Weide kam, "war nur noch der Elektrozaun da". Ein einzelner Hund hatte die Schafe die ganze Nacht über angefallen und gejagt, so dass die Herde von Kalenborn bis Dernau verstreut war. Deshalb mahnte Kurt Niederberger eindringlich, Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb nicht herumstreunen zu lassen. Von Wildtieren haben die Schafe weniger zu befürchten. Wie der 32-jährige Bengener berichtete, gewöhnen sich die Waldbewohner schnell an die Wiederkäuer. So mache zum Beispiel ein Fuchs, der quer durch das Gehege laufe, den Schafen wenig Angst. Viel größer wurde da schon die Aufregung, als die Kinder sich von allen Seiten an die Tiere heranpirschten, damit sie ein paar Streicheleinheiten loswerden konnten.

Um den Kleinen etwas Besonderes zu bieten, holte Niederbergers Frau ein erst einen Tag altes Lamm von der Wiese - im Schlepptau die wütend schimpfende Mutter, die ihren Sprössling nicht eine Sekunde lang aus den Augen ließ. Aber auch das ein oder andere erwachsene Schaf hatte ein Einsehen und blieb geduldig bei den neugierigen Kindern stehen. Ihr wuscheliges Fell hatten die Tiere allerdings ein paar Tage zuvor eingebüßt. Mit vier Fachkräften hatte der Schäfer seine Herde geschoren. Doch reich werden kann er vom Verkauf der Wolle nicht. "Im Moment kostet die Wolle das, was sie bringt", schilderte der 32-Jährige. Verkauft wird sie nach Frankreich, da in Deutschland nur sehr wenige Betriebe Wolle verarbeiten.

Ohne öffentliche Subventionen wäre es Niederberger nicht möglich, seine Herde zu halten. "Wenn die Prämien drastisch gekürzt würden, müsste man die Schafe besser heute als morgen abschaffen", sagte er und verwies dabei auf Versicherungskosten, Pacht, Lohn für die Fachkräfte und Benzinkosten. Eine Familie ernähren könne ein Schäfer nur mit einer großen Herde. "Doch dann kennt man die Tiere nicht mit Namen, sondern erkennt sie an der Codenummer."

Obwohl der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche vor einigen Monaten auch für den Bengener Einschränkungen bedeutete, hat MKS für Niederberger auch einen Vorteil: "Die Nachfrage nach Lammfleisch ist derzeit sehr groß, da fast alles aus Deutschland kommt."

Normalerweise machten die Engländer durch Einfuhrtricks und billigere Produktion die Preise kaputt, ärgerte sich der Schäfer im Gespräch mit den Gästen.

Trotzdem kann sich Kurt Niederberger, der im Alter von 16 Jahren Schäfer wurde, kein anderes Leben vorstellen. Nur ein halbes Jahr lang hatte er es mit anderen Berufen probiert. Das war es einfach nicht: Niederberger schaffte sich wieder eine eigene Herde an. "Und wenn ich in Hönningen auf dem Berg stehe, weiß ich warum."

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