Völkerverständigung auf Graswurzelebene

36 Jugendliche aus sieben Ländern sind zu Gast bei Campus 15 auf dem Malteserhof in Römlinghoven - Neue Visabestimmungen für einige Balkanstaaten erschweren den Weg zur Versöhnung

Völkerverständigung auf Graswurzelebene
Foto: Vogel

Römlinghoven. Für Lara Vujovic und ihre Freundin Ana Aligrudic aus dem montenegrinischen Bar war es äußerst schwierig, der Einladung nach Deutschland zu folgen.

Neue Visabestimmungen haben den 16-Jährigen wie ihren Altersgenossen aus Serbien und Bosnien-Herzogowina einen kräftezehrenden zeitlichen und finanziellen Einsatz abverlangt. Lara, Ana und die anderen haben ihn gemeistert und nehmen nun am Sommercamp des Vereins "Campus 15 - Jugend wagt den Frieden" auf dem Malteserhof teil.

36 Jugendliche aus sieben Ländern samt zehn Betreuern leben dort für drei Wochen Völkerverständigung "auf Graswurzelebene" vor. Der Verein Campus 15 will vor allem Jugendliche der einst verfeindeten ethnischen Gruppen des ehemaligen Jugoslawien versöhnen.

Mitunter ein schwieriges Unterfangen, wie der Campus-15-Vorsitzende Hubert Simon berichtete. Gleich zu Beginn des Camps bekam der Vereinsgründer etwa die politische Wirklichkeit auf dem Balkan vor Augen geführt. Gäste aus sechs Ländern hatte er eingeladen, aus sieben sind sie schließlich angereist.

Montenegro hatte sich nach einer Volksabstimmung zwischenzeitlich von Serbien losgesagt. Gerade die Realitäten "einer veränderten Landkarte" treiben die Campus 15-Verantwortlichen um. "Die jungen Menschen müssen einfach eine Chance bekommen, um sich zu treffen", sagte Simon.

Drei Wochen lang miteinander ungezwungen leben, arbeiten und feiern, fernab alter Ressentiments, um de neuen Versöhnungswillen in die Heimat zu tragen - das bleibt das simple, gleichwohl gehaltvolle Ziel. Vorurteile sind nach dem langen Bürgerkrieg und Massakern wie dem von Srebrenica immer noch allgegenwärtig.

Dass weiß auch die 16-jährige Ivana Peric aus dem kroatischen Gorica. Als Sechsjährige erlebte sie die Schrecken des Krieges, wie die Serben ihr Elternhaus beschossen. Bevor sie jetzt nach Deutschland kam, hatte sie darum viele Vorurteile. "Ich dachte, die Serben wären alle schlecht."

Nach rund zwei Wochen im Camp weiß sie: "Wir gehen hier ganz unverkrampft miteinander um, fernab von diesen alten Geschichten." Egal ob Montenegriner, Kroate, Bosnier oder Serbe, Polin, Niederländerin oder Deutsche, der Wir-Gedanke ist das tragende Element aller Veranstaltungen.

Der 16-jährige Oskar Grabarczyk aus Sankt Augustin weiß über vertrauensbildende Spiele zu berichten - vom Floßbauen ohne Nägel bis zum Klettern im Hochseilgarten. "Ich habe jetzt viel mehr Vertrauen zu denjenigen, mit denen ich zusammen gearbeitet habe."

Neben Partys, Ausflügen in die Region oder Kreativworkshops ist auf dem Maltesterhof auch die Politik Thema. "Wir haben etwas über die Länder der anderen Teilnehmer erfahren", berichtet die Kroatin Alisa Kekic (16). Die jungen Leute stellten spielerisch die eigenen Sitten und Gebräuche dar und machten sich Gedanken über die Europäische Union.

Ein EU-Mitgliedschaft ihres Staates wünschen sich viele - vor allem der Reisefreiheit wegen. Nicht von ungefähr schrieben die Jugendlichen einen eindeutigen Brief an die EU. Alle könnten sich zwar als gleichberechtigte Europäer fühlen, heißt es darin, aber immer noch seien einige im europäischen Haus eingeschlossen: "Wir wissen zwar, wie wir die Schlüssel benutzen können, aber einige von uns haben keinen".

Damit spielen sie auf verschärfte Visaregelungen an, die seit vergangenem Jahr auch für einige Balkanstaaten gelten. Früher wurden in jedem Land Visaanträge gesammelt und geschlossen bei der Botschaft eingereicht. "Jetzt muss jeder bei der Botschaft vorsprechen, was eine Tagesreise bedeuten kann", sagt Campus-15-Betreuer Erik Klär.

"Teilweise spielen sich an den Botschaften menschenunwürdige Szenen ab." Simon sieht schwere Zeiten auf seine Arbeit zukommen: "Auf der einen Seite fördert die EU unsere Sommercamps. Auf der anderen Seite wird durch diese Visapraxis das Ziel Europa für die Menschen in den westlichen Balkanländern verbaut."

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