Terror, Castor, Euro und immer weniger Leute

Bonner Polizei hat als Folge des Umzugsbeschlusses in sieben Jahren 759 Beamte verloren - Die Gewerkschaft klagt: Ordnungshüter müssen immer mehr leisten - Der Bürger hat das Nachsehen

Bonn. Die Bonner Polizei hat in den vergangenen sieben Jahren 759 Beamte verloren. Die Zahl sank von 2 242 auf 1 483. In dieser Zeit musste die Behörde zusätzlich auf zwölf Angestellte und 14 Arbeiter verzichten. "Bis 1991 waren wir Bundeshauptstadt, heute sind wir nur noch Bundesstadt. Dem muss die Polizei Rechnung tragen", sagt Udo Schott, Bonner Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Der Umwandlungsprozess, der erst mit einem Präsidiumsneubau abgeschlossen sei, sei "relativ gut und geräuschlos gelaufen. Auch deshalb, weil die Kollegen gewisse Notwendigkeiten eingesehen haben".

Allerdings, so gesteht der Gewerkschafter, hätten die Bürger unter der Umstrukturierung schon gelitten. Die Kritik der Bevölkerung, die Polizei brauche zu lange zum Einsatzort und sie sei nicht mehr zu sehen, sei richtig. "Die Präsenz ist deutlich zurückgegangen", aber das bleibe bei einer solchen Personalreduzierung natürlich nicht aus.

So wurde im Oktober 2000 mit dem Personen- und Objektschutz die ehemals größte Polizeidienststelle in Nordrhein-Westfalen aufgelöst. Zeitweise waren dort bis zu 700 Beamte beschäftigt. Mit dem Wegzug der Regierung gingen auch Demonstrationen und Mahnwachen sowie Staatsbesuche zurück. Waren es 1998 noch 296 Veranstaltungen, hat die Statistik im vergangenen Jahr nur noch 30 verzeichnet.

Andere Zahlen sind seit 1991 dagegen in die Höhe gegangen. So etwa die Einwohnerzahl im 600 Quadratkilometer großen Gebiet der Kreispolizeibehörde (Stadt Bonn, Alfter, Bornheim, Meckenheim, Rheinbach, Swisttal, Wachtberg, Bad Honnef und Königswinter) um einige Tausend wie auch die Zahl der Pendler. Passierten vor zehn Jahren noch 89 000 die Stadtgrenzen, sind es jetzt 107 000 Pendler. Die Stadt hat heute 146 000 Arbeitsplätze, 10 000 mehr als vor zehn Jahren.

Trotz des Regierungsumzugs - die Aufgaben sind nicht weniger geworden, "zumal die Politik uns ständig neue Prioritäten aufdrückt", so Schott. Er nennt Beispiele: Erst werden jede Menge Finanzermittler eingesetzt, die anlassunabhängig arbeiten sollen, dann wird die Abteilung Organisierte Kriminalität aufgestockt, dann heißt es, die Wirtschaftskriminalität hat Priorität, also werden Beamte dorthin versetzt.

Und jetzt wird aufgrund der aktuellen politischen Weltlage ein verstärktes Augenmerk auf Bin-Laden-Gelder gerichtet. Schott: "Das heißt, jede Woche gibt''s neue Prioritäten, aber all das soll mit der gleichen Anzahl von Beamten geschehen."

Zwei Jahre hat eine Arbeitsgruppe am Modell "Bonn 2000" - Auflösung von Dienststellen, Umschichtung von Arbeitsplätzen und den vom Düsseldorfer Innenministerium verordneten Personalabbau - gearbeitet. "Uns hat nie einer gesagt, wie es umzusetzen ist, aber wir haben es geschafft", lobt Polizeipräsident Dierk Henning Schnitzler sich und seine Abteilungsleiter.

Nach der von Düsseldorf vorgegebenen "Belastungsbezogenen Kräfteverteilung" (BKV), hat die Behörde aber immer noch zu viele Beamte. Schnitzler: "Ende des Jahres werden es 35 Mann über der BKV sein." Die GdP klagt über zu hohe Belastungen: "Immer weniger Ordnungshüter müssen immer mehr leisten."

So sei nach den Terroranschlägen von New York und Washington der Objekt- und Personenschutz verstärkt worden - in Bonn seien es 80 Objekte -, Mitte November stehe voraussichtlich der nächste Castor-Transport an, Ende des Jahres die Euro-Einführung.

Das Innenministerium sieht für die Bonner Polizei keinen Grund zur Klage. "Die Situation ist nicht schlechter als in anderen Behörden in Nordrhein-Westfalen. Wir helfen aber, wo wir können, wie das aufklärerische Schreiben an die Bezirksregierung zeigt", sagt Sprecher Ulrich Rungwerth und spricht damit die Finanzkrise bei der Bonner Polizei an. Das Ministerium hatte der Kölner Behörde einen Rüffel erteilt, weil die die Mittel für Liegenschaften nach einem bestimmten Schlüssel verteilt, der in den Augen des Ministeriums der falsche ist.

"Der Bürger draußen erfährt nur die heile Polizeiwelt. Leider ist die Wahrheit oft eine andere. Diese Polizei ist zurzeit in keinem guten Zustand." Das hat Schott vor knapp einem Jahr gesagt, und zu dieser Aussage stehe er nach wie vor, "weil sie der Wahrheit entspricht". Dagegen lautet die offizielle Aussage der Behörde zur Lage der Polizei: "Bonn ist sicher, unsere Arbeit ist professionell. Hektische Reaktionen können und wollen wir uns, insbesondere vor dem Hintergrund schrumpfender Ressourcen, nicht leisten."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Der Druck kommt zu spät" von Dagmar Blesel.

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