Verkehrssicherheit im Rhein-Sieg-Kreis So arbeiten die Menschen hinter den Blitzern

Rhein-Sieg-Kreis · Geschwindigkeitsvergehen brachten im vergangenen Jahr 5,9 Millionen Euro in die Kreiskasse. Immer wieder werden Starenkästen beschädigt.

Sein Arbeitsplatz ist dunkel, eng und einsam – könnte man meinen. Für Andreas K. ist es der einzige geeignete Arbeitsplatz. „Ich bin gerne alleine und finde es schön, wenn mir keiner bei meiner Arbeit reinredet“, sagt der Mitarbeiter der mobilen Verkehrsüberwachung im Straßenverkehrsamt des Rhein-Sieg-Kreises.

Dennoch begleitet ihn immer die Befürchtung, dass ein Fahrer, der gerade geblitzt wurde, aussteigt und ihn anfeindet. Handgreiflich ging es schon einmal zu, nachdem es aus dem Volkswagen, in dem Andreas K. die meiste Zeit seiner Arbeitszeit verbringt, mal wieder geblitzt hatte. Wegen Bedenken, dass sich das wiederholen könnte, möchte er seinen Nachnamen nicht nennen. Seit sieben Jahren macht der 55-Jährige gemeinsam mit fünf weiteren Mitarbeitern diesen Job. Es ist noch dunkel, als er um 7.45 Uhr sein Fahrzeug vor der Fritz-Bauer-Gesamtschule an der Siegstraße in Sankt Augustin abstellt.

Im hinteren Teil des Fahrzeugs ist die Kamera eingebaut. Auch die Aufzeichnungsbox und daneben der Radarkopf mit Blitz befinden sich dort. Andreas K. richtet sich auf dem Stuhl vor seinen Bildschirmen ein. Ausgelöst wird die Kamera erst dann, wenn ein Fahrzeug mit 40 Stundenkilometern und schneller in der Dreißiger-Zone fährt. Kurz nach sieben Uhr aktiviert er die Kamera und schon fünf Minuten später blitzt es zum ersten Mal. 52 Stundenkilometer ist der Temposünder gefahren. Zwei Minuten später blitzt es erneut. „Das ist nicht besonders oft, ich hatte auch schon mal sieben geblitzte Fahrzeuge in einer Minute“, mein Andreas K. Am Ende der 90-minütigen Geschwindigkeitskontrolle vor der Schule haben 728 Fahrzeuge die mobile Messstation passiert. Elfmal hat es geblitzt und das schnellste Fahrzeug war in der Zone 30 mit 52 Stundenkilometern unterwegs.

Die Alternative zu den mobilen Messstationen sind die Starenkästen, die im Februar ihren 60. Geburtstag in Deutschland feierten. „Davor wurden die Geschwindigkeiten noch mit Stoppuhr gemessen“, sagt Harald Pütz, Leiter des Straßenverkehrsamtes im Rhein-Sieg-Kreis. Die stationäre Überwachung der Geschwindigkeit im Rhein-Sieg-Kreis begann vor rund 30 Jahren. 1998 kam die mobile Überwachung hinzu. Auf den Autobahnen misst nur die Polizei mit mobilen Geräten, auf Land- oder Gemeindestraßen sowie in den Städten misst der Kreis.

„Zunächst hatten wir nur ein Fahrzeug im Einsatz, jetzt sind zwei Fahrzeuge in zwei Schichten unterwegs“, sagt der Abteilungsleiter Verkehrssicherung Christoph Paßgang. Neben dem Straßenverkehrsamt führt natürlich auch die Polizei mobile Messungen im gesamten Kreis durch.

„Wir sprechen uns wegen der Standorte ab, aber sind sonst autark in unserer Entscheidung“, sagt Paßgang. Die ersten digitalen stationären Standorte wurden seit 2011 nach und nach eingeführt. „Bis heute gibt es aber auch noch Starenkästen mit Filmen und alter analoger Technik“, sagt der Abteilungsleiter. Die haben den Vorteil, dass kein Stromanschluss in direkter Nähe sein muss, weil sie batteriebetrieben werden. Reizpunkt sind die grauen Kästen, die so unangenehm blitzen können, früher wie heute immer gewesen. „Heute ist jedoch wesentlich mehr Gift drin“, sind sich Paßgang und Pütz einig. Während früher schon mal ein Maibaum an einen Starenkasten gesetzt wurde, werden die Blitzer heute immer häufiger zerstört.

Noch kritischer sei die Zunahme der Aggression im mobilen Bereich, sagen die beiden. „Die Menschen halten an, kommen zurück und wollen mit unseren Mitarbeitern diskutieren oder werden sogar handgreiflich. Dieses Verhalten nimmt eklatant zu“, sagt Pütz. So habe man inzwischen Bodycams für die Mitarbeiter angeschafft, um sie besser zu schützen, und sie besuchen zum Beispiel Schulungen zur Deeskalation. „Gerade hatten wir einen aktuellen Fall, bei dem eine Beule ins Auto getreten wurde“, erzählt Paßgang. Selbst Fußgänger würden schon mal Außenspiegel abbrechen, wenn sie erkennen, dass geblitzt wird.

Das Team im Außendienst besteht aus neun Personen, die nicht nur messen, sondern auch Filme, Batterien oder die Scheiben der Geräte austauschen. An 30 Standorten stehen die so unbeliebten Starenkästen, hinzu kommen rund 700 Stellen im Kreis, an denen mobil gemessen wird – vorzugsweise an Schulen. „Es gibt Standorte, an denen die Entwicklung wegen der Kamera dort sehr positiv verläuft“, sagt Paßgang. Auch Dialogdisplays, die anzeigen, ob man zu schnell unterwegs ist oder nicht, und Seitenstreifen-Radarmessgeräte (SDR) seien gute Verkehrserziehungsinstrumente.

„Nach rund vier Wochen verbraucht sich die Wirkung oft und schlägt manchmal sogar ins Gegenteil um“, weiß Paßgang. Die SDR-Geräte sind zunächst dazu da, Daten zu sammeln über Fahrzeugaufkommen, ob es Pkw, Lkw oder Motorräder sind, die dort fahren und zu welcher Tageszeiten viel oder wenig Verkehr dort ist. „Sie werden immer dann eingesetzt, wenn an uns Probleme herangetragen werden“, sagt Pütz.

Eines ist dem Leiter des Straßenverkehrsamtes besonders wichtig: „Auch wenn die Einnahmen mit rund 5,9 Millionen Euro im Jahr einen erheblichen Posten im Haushalt darstellen, es gibt keine Abzocke.“ Die Verkehrssicherheit stehe immer im Vordergrund. „Wir können an jeder Stelle die Sicherheitsrelevanz für eine Geschwindigkeitsmessung nachweisen“, ergänzt Paßgang. Auf Autobahnen muss von der Bezirksregierung eine besondere Unfallhäufigkeit festgestellt werden, bevor dort ein Blitzer installiert werden kann. Das ist derzeit nur auf der A59 Richtung Bonn im Rhein-Sieg-Kreis der Fall.

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