Rein in die Stadt oder raus aufs Land?

Kurze Wege gegen Natur pur: Familien aus der Region beschreiben ihren idealen Lebensraum. Hier gibt es Familien, die es hinaus ins Grüne zieht, während andere tädtische Strukturen bevorzugen.

 Wenn man lange genug im Kiez wohnt, ist es fast wie auf dem Land, sagen die überzeugten Innenstadt-Bewohner Alexandra und Micky Schiller mit Philipp (2) und Helen (4).

Wenn man lange genug im Kiez wohnt, ist es fast wie auf dem Land, sagen die überzeugten Innenstadt-Bewohner Alexandra und Micky Schiller mit Philipp (2) und Helen (4).

Foto: Sascha Stienen

Gleichwohl lässt sich in der Region zwischen ländlichem Raum und urbanen Zentren differenzieren. Und auch hier gibt es Familien, die es hinaus ins Grüne zieht, während andere die wenn auch kleinstädtischen Strukturen bevorzugen.

Zum Thema Lesen Sie dazu auch " Ein Trend kehrt sich um"Ob Überzeugung oder Vernunft die Entscheidung für die eine und gegen die andere Variante beeinflusst, ist nicht immer auszumachen. Die Grenzen scheinen fließend. Aber was macht, einmal abgesehen vom nahezu zwingenden Argument des bezahlbaren Baulands, das Leben auf dem Land eigentlich so lebenswert?

Und warum ziehen überzeugte Städter kurze Wege und eine gute Infrastruktur der guten Landluft, erholsamer Ruhe, naher Natur und gelebter Gemeinschaft vor? Vier Familien aus Bonn und der Region werfen ihre Argumente für ihren Wohnort in die Waagschale.

  • Überzeugte StädterAls überzeugte Städter kann man Alexandra (35) und Micky (39) Schiller bezeichnen. Die Buchhändlerin und der Musiklehrer leben mit ihren Kindern Helen (4) und Philipp (2) in der Bonner Altstadt. Die Familie hat kein Auto und will mittlerweile auch keins mehr. "Wir haben alles ums Eck", sagt Alexandra Schiller. "Und so sparen wir eine Menge (Sprit-)Geld." Hauptverkehrsmittel ist das Fahrrad. Das Schöne am Stadtleben: Die Schillers haben alles, was sie brauchen, im näheren Umfeld. Nicht nur Einkaufsmöglichkeiten und Nachtleben, sondern auch viel Kultur. Und: "Wenn man lang genug im gleichen Kiez wohnt, ist es wie auf dem Land", sagt Alexandra Schiller. "Man kennt den Bäcker, die Verkäuferinnen im Supermarkt, und in der Eisdiele wissen sie auch, welches Eis du gerne magst." Für die Kinder wäre es vielleicht noch schöner, auf dem Land zu wohnen. "Hier kann man nicht die Tür aufreißen und sagen: Kommt um Sechs wieder zum Abendessen." Dafür haben die Schillers einen Garten, einen großen Altstadtspielplatz und das Frankenbad.
  • Die Fingerhuts lieben das LandlebenFür Hans und Gabi Fingerhut war ihre Entscheidung von 1994, im 600-Einwohner-Dorf Dünstekoven zu bauen, "wie ein Sechser im Lotto". Ein ähnlich großes Grundstück sei in Bonn nicht zu bezahlen gewesen. Der 53-jährige Logistik-Leiter und die 45-jährige Sekretärin wohnen gerne im Grünen, genießen den Feierabend im Garten, den sie zuweilen mit Turmfalken, Fröschen, Rebhühnern und Igeln teilen, und den Zusammenhalt im Dorf. "Wir haben nette Nachbarn, die Kinder können sich frei entfalten, man erfährt gegenseitige Aufmerksamkeit." Was sie stört, sind die "schlechten und zu teuren" Busverbindungen nach Bonn. Das findet auch der 13-jährige Sohn Fabian, der das Pallotti-Kolleg in Rheinbach besucht. Die meisten Freunde wohnen in Rheinbach, dort verbringt er auch einen Teil seiner Freizeit im Jugendzentrum Live. Er sagt: "In Dünstekoven ist es manchmal schon etwas langweilig." Dagegen sehen sich die Eltern am idealen Ort, um nach dem Stress im Job wieder aufzutanken. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive.
  • Die Bandaks leben ihren Traum vom Siegburger AltbauEs muss ein Altbau sein, mitten in der Stadt - ein Traum, den Jale und Oktay Bandak seit bald 20 Jahren in Siegburg leben. "Man hat hier alle Möglichkeiten", schwärmt die in der Kreisstadt geborene 39-jährige Erzieherin in Elternzeit mit Blick auf Sohn Kayra (18 Monate). Zum Spielplatz auf dem Michaelsberg ist es nicht weit, der Kinderarzt ist fußläufig zu erreichen und auch Kindergarten und Schule sind in unmittelbarer Nähe. Es sind vor allem die kurzen Wege und die damit verbundene Selbstständigkeit, die sie begeistern. "Ein Auto brauchen wir nur selten, sagt Oktay Bandak. Der 40-Jährige, der 1992 von Griechenland nach Siegburg zog, fährt an der Sieg entlang mit dem Fahrrad zur Arbeit nach Troisdorf. "Es gibt viele Angebote für Kinder", nennt Jale Bandak einen weiteren Pluspunkt für das städtische Leben. Zudem liebt sie es, über den Siegburger Markt zu schlendern. Ihr 104 Jahre altes Häuschen, in dem auch Jales Eltern leben, möchte die Familie in keinem Fall gegen ein Haus im Grünen eintauschen: "Wir lieben Siegburg."
  • "Die Entscheidung für Asbach war goldrichtig"Vor 13 Jahren stand für Ruth und Johannes Brings die Entscheidung an, wo sie für sich und die Familie ein Nest bauen wollten. Das erste Kind war unterwegs, "und wir wussten, wir wollen vier Kinder. Da braucht man Platz", erzählt die 36-jährige Erzieherin. Die Suche nach Immobilien in Bad Honnef, Ruths Geburts- und beider Wohnort, generierte Frust. "Immobilien, die groß genug waren, waren Sanierungsfälle, Neubauten und Grundstücke viel zu teuer." Asbach kannte der 46-Jährige, der beruflich nach Bad Honnef pendelt, aus der Kindheit. Das Paar wurde fündig, baute mit sehr viel Eigenleistung das Haus mit großem Garten - Raum zur Entfaltung für die heute vier Kinder: "Die Entscheidung war für uns goldrichtig." Die Infrastruktur mit Einkaufsmöglichkeiten, Kindergärten, Schulen, der Anbindung etwa nach Köln, wo Ruth eine Ausbildung zur Bewegungstherapeutin macht, dazu finanzielle Vergünstigungen in Kindergärten und im Hort in Rheinland-Pfalz, das alles veranlasse Familien oft zum "Sprung über die Grenze von NRW".
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