Radtour im Siebengebirge Quer durch den Oberhau

Königswinter · Im malerischen Hanfbachtal auf den Spuren vergessener Industriegeschichte mit dem Fahrrad unterwegs. Hier gibt es malerische Ausblicke und tiefe Einblicke.

Einsam und nahezu verlassen zeigt sich Anfang April der Campingplatz Hanfbachtal bei Krautscheid direkt an der Landesgrenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die eine oder andere Deutschlandflagge flattert verlassen im Wind, die meisten Wohnwagen und Blockhäuser befinden sich noch im Winterschlaf. Einzig Rentner Willi (74) aus Köln ist zu sehen. Er werkelt am Vorbau seines Wohnwagens. „Das ist hier fast die schönste Jahreszeit. Es ist kaum jemand da und man hat seine Ruhe“, sagt er. „Du machst ein paar Schritte und bist mitten in der Natur“, fügt er hinzu.

Natur „erfährt“ man reichlich, wenn man sich von Hennef aus mit dem Rad auf die Zweitälertour durch Hanfbachtal und Pleistal macht. Die 42-Kilometer-Fahrt beginnt am Hennefer Bahnhof, dessen Umfeld sich in den vergangenen Jahren gründlich verändert hat. Auf ehemaligen Gewerbebrachen ist ein modernes urbanes Areal entstanden. Das lässt der Radler aber schon nach wenigen Hundert Metern hinter sich, wenn er von der Bonner Straße ins Hanfbachtal abbiegt.

Schnell verschwindet die Bebauung und die Fahrt geht vorbei an Grünland, Streuobstwiesen und Äckern, durch Dörfer und Weiler, die Namen tragen wie Wiederhall, Zumhof, Hanf oder Halmshanf und oft nur aus einer Handvoll Häusern bestehen. Fast durchgehend hat der Radler dabei den Hanfbach im Blick, mal rechts mal links von der nur wenig befahrenen Straße.

Wonach er jedoch vergeblich Ausschau hält, sind Spuren der Kleinbahntrasse, die von 1892 bis zum Ende der 1960er Jahre durch das Tal verlief und Hennef mit Asbach verband. Diese Nebenstrecke der Bröltalbahn, deren Haupttrasse von Beuel über Sankt Augustin und Hennef bis nach Waldbröl führte, wurde in erster Linie gebaut, um zum Ende des 19. Jahrhunderts die industrielle Nutzung der vielen Steinbrüche im Hanfbachtal, dem Asbacher Land und dem Oberhau rund um Eudenbach zu erschließen.

Breiter Erdwall versperrt die Zufahrt

Diese Basaltsteinbrüche kamen durch den Gleisanschluss erst richtig zur wirtschaftlichen Entfaltung, als die Erweiterung der Bröltalbahn von Hennef nach Asbach 1892 in Betrieb ging, ersetzen Waggons den mühseligen Transport des Basalts per Pferdefuhrwerk. In den Steinbrüchen wurden die Kapazitäten deutlich erhöht und etliche Menschen in Lohn und Brot gebracht. Mit der Schmalspurbahn wurden unter anderem die Steinbrüche Eulenberg, Eudenberg, Stuxenberg und Bennau erschlossen.

Den Zugang zum ehemaligen Basaltbruch Eudenberg passiert der Radler rund 500 Meter hinter der Ortschaft Hanfmühle. Rechts neben der Straße versperrt ein breiter Erdwall die Zufahrt und ein Schild weist auf das Naturschutzgebiet hin. Ein Abstecher hinauf auf den Berg vorbei an alten Verladeeinrichtungen zum vor genau 51 Jahren aufgegebenen Steinbruch lohnt sich allemal. Belohnt wird man mit einem Blick auf einen glasklaren Kratersee, in dem sich zahlreiche Fische tummeln. Wegen des Naturschutzes ist der Abstieg vom Kraterrand hinab zum See allerdings verboten.

Das gilt auch für den zweiten riesigen Basaltbruch, den der Radler auf seiner Zweitälertour passieren wird. Zuvor muss er bei Krautscheid allerdings das Hanfbachtal verlassen und den steilen Anstieg hinauf nach Buchholz absolvieren. Am Beginn des Anstiegs passiert er dabei den einzigen Industriebetrieb im Hanfbachtal, die Firma Johnson Controls. In dem hochmodernen Werk werden vorwiegend Autobatterien umweltfreundlich recycelt. Das war nicht immer so. Denn den Betrieb dort gibt es bereits seit 1904 und er gehörte lange zur Firma Varta. Bis in die 1970er Jahre gelangten bei Störfällen immer wieder giftige Chemikalien in den Hanfbach und verseuchten das Gewässer.

Über Buchholz geht es weiter Richtung Eudenbach: Am Bundeswehrdepot neben dem Flugplatz Eudenbach erreicht der Radler mit 331 Metern über Normalnull den höchsten Punkt der Strecke, von dort aus geht es (fast) nur noch bergab.

Kurzer Anstieg nach Oberpleis

Kurz hinter Eudenbach, am Ortseingang vom Willmeroth liegt die Zufahrt zum Basaltsteinbruch Hühnerberg. Mehr als 900 Meter in der Nord-Süd-Achse und mehr als 500 Meter in der West-Ost-Ausdehnung erstreckt sich die Anlage mit dem kegelförmigen Krater. Ursprünglich war der Hühnerberg 336 Meter hoch und damit 15 Meter höher als der Drachenfels. Jetzt hat die Anhöhe nur noch eine Berghöhe von 176 Metern.

Am Hühnerberg wird seit Ende des 19. Jahrhunderts Basalt gefördert. 1976 wurden die Steinbrüche Willmeroth und Hühnerberg zusammengeschlossen. Seit den 1970er-Jahren betreibt die Rheinische Provinzial Basalt- und Lavawerke (RPBL) mit Sitz in Sinzig den Steinbruch, ein Unternehmen mit rund 260 Mitarbeitern.

Von den zehn Steinbrüchen der RPBL, die sich vorwiegend in der Eifel befinden, verfügt der Standort bei Eudenbach über die größte Kapazität. Jährlich werden am Hühnerberg 1,2 bis 1,4 Millionen Tonnen Basalt gefördert. Zerkleinert zu Schotter und Splitt unterschiedlichster Körnung wird er vor allem im Straßenbau für Asphalt oder Beton, aber auch für Produkte in der Bau- und Tonindustrie verwendet. Ausgeliefert wird nicht nur in den Großraum Bonn und das Ruhrgebiet, sondern auch nach Frankreich, Belgien und Holland.

Ehe es durch das Pleistal und den Geistinger Wald zurück nach Hennef geht, lohnt sich der kurze Anstieg nach Oberpleis. Denn das Ensemble mit der im frühen 12. Jahrhundert erbauten Pfarrkirche Sankt Pankratius – sie ist älter als der Kölner Dom – und ehemaliger Propstei ist auf jeden Fall sehenswert. Ein wenig erinnert das Areal an die „enclos paroissial“, die umfriedeten Pfarrbezirke in der Bretagne.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort