Plantiko in Handschellen abgeführt

Angeklagter vergleicht Bonner Gericht mit Hitler-Personal - Eine Woche Ordnungshaft für den 66-jährigen Rechtsanwalt und UWG-Stadtverordneten

  In Haft:  Ratsherr Claus Plantiko.

In Haft: Ratsherr Claus Plantiko.

Foto: Frommann

Bonn. Der wegen Beleidigung angeklagte UWG-Ratsherr Claus Plantiko ist am Mittwoch in Ordnungshaft genommen worden, weil er das Gericht in der Hauptverhandlung mit dem "Ausnahmegerichtspersonal" unter Hitler und Stalin verglichen hat. Strafrichter Alexander Fühling sah sich gezwungen, den 66-jährigen Rechtsanwalt für eine Woche in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach einzuquartieren, weil er die Würde des Gerichts in seinem letzten Wort gravierend verletzt habe.

Einige Minuten zuvor sah es noch danach aus, als würde der Prozess am zweiten Verhandlungstag enden. Die Staatsanwältin sah es als erwiesen an, dass Plantiko einige Richter in ehrverletzender Weise beleidigt hatte ( der GA berichtete). Die Bezeichnung der Würdenträger als Straftäter und Verbrecher habe in keinem Zusammenhang mit den Verfahren gestanden, die er als Rechtsanwalt betreute.

"Dem Angeklagten ist bekannt, dass er keine Schmähkritik äußern darf", verwies die Staatsanwältin darauf, dass der 66-Jährige einschlägig vorbestraft ist. Sie forderte eine Geldstrafe von 230 Tagessätzen à 50 Euro, also 11 500 Euro.

Der Pflichtverteidiger des diesmal ohne Anwaltsrobe erschienenen Angeklagten sagte, in drei Fällen sei der Tatbestand der Beleidigung nicht verwirklicht, im vierten Fall rechtfertige das Privileg auf Meinungsfreiheit die Äußerungen. Der Verteidiger sagte, Plantiko habe in Konjunktiven geschrieben und lediglich Hypothesen aufgestellt. Der Satz "Ein Straftäter ist immer befangen" könne sich "auf alles" beziehen.

Nach Ansicht des Pflichtverteidigers habe das Gericht es nicht mit einem Kriminellen zu tun, "sondern mit jemanden, der versucht, dem Rechtsstaat zu dienen und sich dabei Mitteln bedient, mit denen er anstößt".

Wie er das macht, demonstrierte Plantiko nachdrücklich mit seinem letzten Wort. "Ich beantrage natürlich Freispruch. Es liegt keine Straftat, sondern reine Willkür der Staatsanwältin vor." Es sei offensichtlich, dass sich die Justiz in ihrer Verfassungswidrigkeit ertappt fühle und der Richter ihn deshalb nach der Maxime behandle: "Du musst bestrafen, sonst bekommst du selber eins übergebraten."

Dann kam die entscheidende Passage: "Es liegt eine Grundrechtsverweigerung durch Versagen rechtlichen Gehörs und Entzug des gesetzlichen Richters mittels Zuweisung eines nachweislich ungesetzlichen Richters vor, also die Etablierung eines verfassungswidrigen Ausnahmegerichts, das, um seinen Unrechtsprechungsauftrag sicher zu erfüllen, mit nachweisbar befangenen Richtern besetzt werden muss. Die Parallele zu Stalins und Hitlers Ausnahmegerichtspersonal drängt sich auf ..." Da platzte Richter Fühling der Kragen: "Ich entziehe Ihnen das Wort."

Fühling ließ die entsprechenden Stellen aus Plantikos Vortrag protokollieren. Dann zog sich der Richter mit den Worten "Herr Plantiko, Sie bleiben hier sitzen!" in das Beratungszimmer zurück, um nach einer halben Minute - immer noch sichtlich verärgert - die Wachtmeister zu rufen, die den Angeklagten abführten. Es sei das erste Mal in seinem Leben, sagte Fühling, dass er Ordnungshaft gegen jemanden verhängen müsse.

"Ich habe eine ganz große Langmut bewiesen", sagte Fühling, aber: "Ein deutsches Gericht muss sich nicht mit Stalin und Hitler vergleichen lassen."

Wie Fühling erläuterte, kann Plantiko vor dem Oberlandesgericht Beschwerde gegen die Ordnungshaft einlegen. Dann wurde der 66-jährige in Handschellen abgeführt, fragte noch freundlich, ob "eine Hand reicht", und verließ mit einem Lächeln den Saal.

Ob der UWG-Stadtverordnete bis zur Ratssitzung am Donnerstag wieder auf freien Fuß gelangt, ist fraglich. So wird er seinen Antrag zum "Rauchen an Haltestellen" vielleicht nicht persönlich erläutern können; darin fordert er, den Nikotingenuss an Haltestellen der städtischen Verkehrsmittel im Umkreis von 25 Metern zu untersagen und Zuwiderhandlungen mit einem Bußgeld von 5 bis 50 Euro zu ahnden.

Das Strafverfahren gegen Plantiko soll am 21. März fortgesetzt werden.

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