GA-Serie „Rheinische Redensarten“ Ovends danze un springe, morjens de Botz net finge

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

Diese Situation könnte man als menschlich, allzu menschlich bezeichnen. Die Redensart „Des ovends danze un springe, un morjens de Botz net finge“ ist mitten aus dem Leben gegriffen. Und jeder unserer Mundartexperten kann sie mit eigenen Erlebnissen illustrieren.

Wörtlich übersetzt heißt das: „Abends tanzen und springen, und morgens die Hose nicht finden.“ Da muss man gar nicht länger nach einer höheren Bedeutungsebene suchen. „Das ist mir auch schon passiert, dass ich die Klamotten nicht gefunden habe, weil ich abends zu viel getanzt habe“, berichtet etwa Dialektsachverständige Wilhelmine Schönenberg. Etwas drastischer drückt es Maria Kopp aus: „Die Redensart sagt, dass man es am Abend so doll getrieben hat, dass man nicht mehr weiß, wo man seine Hose hingelegt hat.“

Einen etwas bürgerlicheren Blick mit einem Akzent auf die Pflichtvergessenheit hat Simone Fritzen: „Nachts Party machen und am nächsten Tag übermüdet sein und nicht arbeiten können.“ So ihre Bedeutungserklärung. Helene Schulenberg erinnert sich an den Königsball im Dorf: „Das war montags, und dienstags war trotzdem Arbeiten angesagt.“

Es gab also schon immer echte Feierbiester. Das ist auch nicht verwunderlich, gab es in früheren Jahrzehnten vielleicht sogar weniger Möglichkeit zum Feiern. Auf den Dörfern waren Maifeier, Schützenfest und Kirmes prädestiniert dafür, einmal über die Stränge zu schlagen.

Und so war es keineswegs selten, dass die jungen Leute quasi ohne Rücksicht auf die eigenen Konstitution feierten. Wer also „am Morgen die Hose nicht fand“, war gewissermaßen gezwungen im Bett zu bleiben. Und niemand argwöhnte, dass vielleicht eher der Kopf als das fehlende Beinkleid der eigentliche Grund dafür sein könnte. Niemand gibt schließlich gerne zu, nicht viel zu vertragen.

Die Artikel zum rheinischen Dialekt entstehen in Zusammenarbeit mit dem Heimatfilmer Georg Divossen (www.bönnsch-abc.de). Seine Filme sind abrufbar unter www.ga.de/rheinisch. Haben auch Sie einen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns an rheinisch@ga.de

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