Nur Helmut Kohl macht sich seit Wochen rar

Prominente Stammgäste halten ihren Lieblingslokalen aus Bonner Zeiten im Siebengebirge die Treue - "Der Umzug hat uns nicht weh getan"

  Es hat sich nicht viel geändert:  Statt Abgeordneten und Staatssekretären tafeln bei "Maruzzella"-Chef Giovanni Russo heute häufiger Vorstandschefs.

Es hat sich nicht viel geändert: Statt Abgeordneten und Staatssekretären tafeln bei "Maruzzella"-Chef Giovanni Russo heute häufiger Vorstandschefs.

Foto: Frank Homann

Siebengebirge. Vorbei sind die Zeiten, als Minister, Abgeordnete und Staatsekretäre ihren Chianti im Schatten des Drachenfelses genossen. Der Bonn/Berlin-Umzug ist so gut wie abgeschlossen, und im Sog der Bundes-
regierung sind die meisten Ministerien sowie das Parlament an die Spree übergesiedelt. Vor allem die Gastronomie in der Siebengebirgsregion hat den Umzug mit einer Träne im Knopfloch verfolgt.

Der General-Anzeiger hat sich in den Häusern, die sich nicht zuletzt bei der Bonner Polit-Prominenz größter Beliebtheit erfreuten, umgehört.

"Wir haben keine großen Einbußen und geändert hat sich auch nicht viel", meint Giovanni Russo, Chef des Restaurants "Maruzzella" in Stieldorf. Unter dem Bonn/Berlin-Umzug litten wohl eher die Bonner Kollegen wegen des fehlenden Mittagsgeschäfts. Natürlich würden ihm auch die Abgeordneten und Staatssekretäre fehlen, aber seine prominenten Stammgäste wie die "rechte Hand" Helmut Kohls, Juliane Weber, dessen ehemaliger Berater Eduard Ackermann, Ex-Minister Norbert Blüm und Peter Hinze kämen nach wie vor. Außerdem hielten immer häufiger große Firmen wie die Deutsche Telekom ihre "Vorstandsessen" bei ihm ab.

Zufrieden ist auch Nicola Tucci vom Restaurant "Caesareo" in Rhöndorf. "Unsere prominenten Gäste kommen nicht mehr so oft wie früher, aber immer noch regelmäßig", sagt Tucci. Norbert Blüm schaue häufig vorbei, Ministerpräsident Wolfgang Clement sei ständiger Gast und Bundeskanzler Gerhard Schröder esse auch bei ihm, wenn er gerade in der Nähe zu tun habe. Nur Alt-Kanzler Helmut Kohl habe sich seit einiger Zeit sehr rar gemacht. Von dem Umzug ist auch das Rommersdorfer Weinhaus Steinbach nicht betroffen. Denn, so der Chef des Hauses, Peter Mohr, seine beiden prominenten Stammgäste Wolfgang Clement und Bundespräsident Johannes Rau ließen sich die Bratkartoffeln immer noch bei ihm schmecken.

Mit dem Umzug wurde im September 1999 das Erstnutzungsrecht der Bundesregierung für den Petersberg aufgehoben. "Für uns war das insofern entscheidend, als das wir den Firmen vorher keine Zusagen machen konnten", erklärt der Direktor des Hauses, Horst Jüntgen. Positive Konsequenz: Im vergangenen Jahr hat der Petersberg seine Belegungszahlen um zehn Prozent steigern können. "Mittlerweile hat auch die Industrie die erstklassigen Bedingungen für Tagungen und andere Veranstaltungen entdeckt", sagt Jüntgen weiter. Nicht zuletzt liege das Gästehaus auf dem Petersberg auch sehr günstig. Die unmittelbare Nähe zur Autobahn und auch zum Flughafen sei gerade für Gäste aus dem Bonner Raum interessant. "Der Weggang der Regierung hat keine negative Wirkung auf unser Haus gehabt", fasst Jüntgen zusammen. So habe es auch im vergangenen Jahr den ein oder anderen Staatsbesuch gegeben. Außerdem werde der Petersberg auch in Zukunft hin und wieder von der Bundesregierung genutzt werden.

"Der Umzug hat uns nicht weh getan", meint auch Michael Holmer Gerdes, Leiter des Kongressparks Bad Honnef, zu dem die beiden Hotels Seminaris und avendi gehören. Die Bundesregierung sei nie das eigentliche Standbein der beiden Häuser gewesen. Die Besuchergruppen aus dem politischen Bonn seien gänzlich weggefallen. Dafür entwickelte sich verstärkt das Kerngeschäft mit Seminaren und Tagungen. "Keinerlei Einbußen für die Königswinterer Hotelbetriebe" konstatiert Manfred Maderer, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes der Siebengebirgsstadt. "Wir haben gedacht, dass es Jahre dauern wird, bis wir den Umzug aufgefangen haben. Das war allerdings ganz und gar nicht so, der Übergang ist reibungslos erfolgt", freut er sich. Vor allem durch Tagungen von Firmen wie Post AG und Deutsche Telekom habe der Verlust schnell kompensiert werden können.

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