Niederbachemer "Polengrab" verwildert am Waldrand

Seit gut einem Jahr wächst Gras über die Ruhestätte - Wachtberger Reservisten-Kameradschaft will sich jetzt um Pflege kümmern

  Das alte Kreuz  am "Polengrab" ist vermodert. An seiner Stelle haben Paul Giersberg und Peter Schmitz ein schlichtes Holzkreuz aufgestellt.

Das alte Kreuz am "Polengrab" ist vermodert. An seiner Stelle haben Paul Giersberg und Peter Schmitz ein schlichtes Holzkreuz aufgestellt.

Foto: Jochen Wagner

Niederbachem. Oberhalb von Niederbachem verwildert das so genannte Polengrab. Zuvor wurde es jahrzehntelang von Josef Schäfer - im Ländchen nur Bäckers Jupp genannt - aus Kürrighoven liebevoll gepflegt.

Auch andere Wachtberger kümmerten sich von Zeit zu Zeit um das Grab. Vizebürgermeister Paul Giersberg aus Kürrighoven hatte dort vor einiger Zeit in Zusammenarbeit mit Ehrenbürgermeister Peter Schmitz ein schlichtes Kreuz zur Erinnerung an zwei erschossene Kriegsgefangene aufgesetzt.

Seit gut einem Jahr wächst an der Stelle im wahrsten Sinne des Wortes Gras über die Grabstätte, die von schlimmen Zeiten zeugt. Bei den Toten soll es sich um zwei Zwangsarbeiter aus der Ukraine handeln. Sie waren mit etwa 300 anderen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern (meist Polen) in der Landwirtschaft eingesetzt und nach einem Arbeitseinsatz geflohen.

In den Heimatblättern des Heimat- und Verschönerungsvereins Niederbachem aus dem Jahre 1997 sind die Hintergründe zur Flucht und Verfolgung der beiden Opfer ausführlich beschrieben. Danach waren die beiden Ukrainer in Oedingen und Oberbachem und später in Niederbachem im Arbeitseinsatz.

Sie setzten sich beim Näherrücken der Front im Sommer 1944 ab und ernährten sich im Wald von gestohlenen Kartoffeln, Obst, Hühnern und Pökelfleisch. Nachts wurden sie in der Gemarkung Niederbachem in der Flur "Auf der Gemeinde" erwischt, als sie eine Gartenbude aufbrechen wollten. Ein Jagdhüter führte sie ins Dorf ab. Im Bereich der heutigen sogenannten Preußensiedlung gelang ihnen die Flucht.

In der Nähe ihrer späteren Grabstätte bauten sich die Geflohenen in einer Fichtenkultur im Boden ein Versteck für den Winter. Dazu nutzten sie eine große Bonner Obstkiste. Beim Bau ihres Unterstandes wurden sie entdeckt. Eine in Niederbachem oder Mehlem einquartierte Wehrmachtskompanie durchkämmte das Waldgelände, warf Handgranaten auf den getarnten Unterschlupf und erschoss die beiden auf der Stelle.

Ein Mann aus dem Ländchen beobachtete, wie deutsche Soldaten die Toten dort begruben. Es wurde später erzählt, Wildschweine hätten auf der Grabstätte gewühlt. Ein Ukrainer, der dort oben seinen Arbeitsbereich hatte und mit seinen beiden Landsleuten in Verbindung gestanden hatte, soll sie deshalb tiefer beerdigt haben. Weil die Front immer näher kam und die Bevölkerung andere Sorgen hatte, geriet die Sache in Vergessenheit.

Nach dem Krieg kamen den Heimatblättern aus Niederbachem zufolge übers Amt in Berkum immer wieder Anfragen, ob sich in der Gemarkung Soldaten- oder andere Gräber befinden würden. Der damalige Ortsvorsteher, der den Ersten Wettkrieg mitgemacht hatte, war laut Bericht der Meinung, man solle die Toten ruhen lassen, weil sie ja auch selber an ihrem Schicksal mitschuldig waren. Wegen der Nähe zur Gemarkungsgrenze wurde diese Grabstätte nicht gemeldet. Den meisten Leuten von Niederbachem war die Geschichte mit dem Grab nicht bekannt.

Etwa 15 Jahre später, als die Flurbereinigung auch dem Wald ein neues Aussehen gab, wurden neue Wege gebaut und man kam durch Zufall wieder an diese Grabstelle. Die Fichten hatten inzwischen eine Höhe von zehn bis 15 Metern erreicht. Eine Familie aus dem Ländchen sorgte für die Pflege des Grabes. Eine neue "interne" Flurbezeichnung "Am Polengrab" machte die Runde.

Der Berkumer Udo Lübeck, Vorsitzender der 125 Mitglieder zählenden Reservisten-Kameradschaft Bad Godesberg/Wachtberg, will sich jetzt der verwaisten Gräber annehmen. "Die Nationalität der getöteten Kriegsgefangenen ist für die Pflege ihrer Gräber nicht wichtig. Wir werden uns um die Grabstätte kümmern", fügte der Wachtberger Reservist und Hauptfeldwebel hinzu.

Nach Klärung der Formalitäten, wollen die Wachtberger ihre Kameraden von der 1. Artillerie-Brigade aus Masuren mit einbinden. Mit der polnischen Einheit in Ostpreußen bestehen seit einigen Jahren partnerschaftliche Verbindungen. Übrigens: Zwei Polen wurden während der Zwangsarbeit im Krieg krank und starben. Auf dem Friedhof in Niederbachem sollen noch ihre Kreuze stehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort