Millionen-Streit um das Bonner Haus der Geschichte

Seit acht Jahren beschäftigen zerbrechende Scheiben des Glasdachs die Justiz - Bund verklagt Lieferfirma auf Entschädigung - Nun stieg Gericht selbst aufs Dach, um sich ein Bild zu machen

Zerbrechlich:  Das Glasdach des Hauses der Geschichte ist bereits seit Jahren ein Fall für die Justiz.

Zerbrechlich: Das Glasdach des Hauses der Geschichte ist bereits seit Jahren ein Fall für die Justiz.

Foto: Frommann

Bonn. Um das Haus der Geschichte ist ein Millionenstreit entbrannt, der bereits seit 1997 die Bonner Justiz beschäftigt. Grund: An der gläsernen Dachkonstruktion mit seiner einzigartigen Glaszusammensetzung reißen und zerbrechen Jahr für Jahr immer mehr der insgesamt 900 Scheiben.

Über 80 sollen es schon sein, ein Ende ist nicht abzusehen. Vor dem Bonner Landgericht hat der Bund nun die Liefer- und Montagefirma, sechs Architekten und einen Fachberater auf Feststellung der Schadenshöhe und auf Schadenersatz verklagt. Bisheriger Streitwert: zehn Millionen Mark. Jetzt stieg die 1. Zivilkammer dem Museum selbst einmal aufs Dach, um sich ein Bild von den Schäden zu machen.

Dreieinhalb Stunden sichteten mehr als 30 Personen, darunter die drei Richter der Kammer und die Vertreter aller betroffenen Parteien nebst Anwälten und Sachverständigen die Schäden, die das einmalige Dach eines Museums verschandeln, das vom Europarat zum Europäischen Museum des Jahres 1995 gewählt worden war. Und die prozessentscheidende Frage lautet: Wieso zerbrechen die die Scheiben des gläsernen Tonnendachs?

Dabei schien diese neuartige Glaszusammensetzung damals äußerst stabil zu sein, denn die einzigartige Glaszusammensetzung besteht aus mehreren Schichten: Ganz oben ist Einscheibensicherheitsglas, darunter befinden sich zwei Prismenlagen, die das Licht im Inneren dämpfen, um die Exponate nicht zu schädigen, darunter ist eine Schicht normales Glas, ganz unten wieder Verbundsicherheitsglas, und dazwischen Edelgas zur Wärmedämmung. Und die Schicht Normalglas ist es, die nun mit unschöner Regelmäßigkeit zerbricht.

Jedes Jahr, so der Bund, gehen zehn neue Scheiben zu Bruch. Manchmal reißen sie nur und werden milchig, andere wiederum zerbrechen regelrecht. Für die Besucher bestehe indes keine Gefahr, da die Scherben von dem Sicherheitsglas darunter aufgefangen würden. 1997 leitete der Bund ein Beweissicherungsverfahren ein, in deren Verlauf immer mehr Schäden auftraten - und niemand die Verantwortung übernehmen wollte.

2004 reichte der Bund Klage ein, und nun kam ein Sachverständiger für Fassaden, Fenster, Türen und Tore zu dem Ergebnis: Das Problem wäre vermeidbar gewesen, hätte man statt Normalglas Sicherheitsglas genommen. Denn das hält Temperaturschwankungen, wie sie durch das Prismenglas entstehen, aus, und zwar bis zu 200 Grad. Normalglas zerbricht ab 40 Grad. Eine solche Lösung war vor dem Museumsbau überlegt, wegen der Kosten jedoch verworfen worden.

Mit dem Ergebnis des Gutachtens ist der Prozess noch lange nicht beendet: Erstens halten die Beklagten auch andere Ursachen für möglich, zweitens geben sie ihre Verantwortlichkeit an die Herstellerfirmen weiter, denen sie schon den Streit erklärt haben. Nun sind weitere Gutachten nötig. Ende offen. Eine europaweite Ausschreibung für die Sanierung läuft.

Dazu auch der Kommentar: "Pfusch am Bau"

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