Microchiroptera fliegt mit den Armen

Forscher des Bonner Arbeitskreises für Fledermäuse untersuchen in Ofenkaulen Leben der kleinen Säuger - Auch VVS setzt sich für Schutz der Tiere ein

  Temperamentvoll:  Nicht ohne Murren lassen die kleinen Fledermäuse die Prozedur über sich ergehen, bei der sie unter anderem auch gründlich vermessen werden.

Temperamentvoll: Nicht ohne Murren lassen die kleinen Fledermäuse die Prozedur über sich ergehen, bei der sie unter anderem auch gründlich vermessen werden.

Foto: Volker Lannert

Siebengebirge. Hunderte von Autofahrern sind täglich zwischen Königswinter und Ittenbach unterwegs - aber kaum einer weiß, dass sich ganz in der Nähe eines der bedeutendsten Quartiere für Fledermäuse in Nordrhein-Westfalen befindet. Die streng geschützten Tiere nutzen die alten Stollen der Ofenkaulen als lauschiges Plätzchen für den Winterschlaf und auch als Unterschlupf im Sommer.

Forscher des Bonner Arbeitskreises für Fledermäuse - zumeist Studenten der Universität - führen derzeit eine wissenschaftliche Fangaktion durch. Bei dem vom Bundesamt für Naturschutz unterstützten Projekt werden die Fledermäuse untersucht, gemessen, markiert und dann wieder freigelassen.

Dadurch sollen die Größe der Populationen, ihr Revierverhalten und das Vorkommen der verschiedenen Arten bestimmt werden. Unter einem Felsvorsprung am Eingang eines zugemauerten Stollens haben die Forscher ihr nächtliches "Arbeitszimmer" eingerichtet: Im schummrigen Licht einer Taschenlampe werden die Fledermäuse unter die Lupe genommen.

Gerade ist ein Exemplar namens "Pipistrellus pipistrellus" - zu Deutsch: Zwergfledermaus - in die Falle getappt. Josefine Munke nimmt das zappelnde, heftig "schimpfende" Tier behutsam in die Hand. Aus der Nähe betrachtet, sieht es recht possierlich aus: Das Gesicht gleicht dem eines Igels in Miniaturausgabe.

Unterhalb der Augen sitzt eine richtige Stupsnase. In dem geöffneten Maul wird eine lange Reihe scharfer Zähne sichtbar, mit denen die Fledermaus den Chitinpanzer der Insekten knackt.

Mücken stehen auf dem Speiseplan der "Microchiroptera" ganz oben. Etwa fünf Kilogramm verputzt eine Fledermaus in einem Sommer. Als nachtaktives Tier jagt sie in der Dunkelheit und orientiert sich dabei durch Echo-Ortung: Sie sendet Peiltöne im Ultraschallbereich aus. Stärke, Tonhöhe, Zeitabstand und Richtung des zurückkehrenden Echos vermitteln ihr ein räumliches Bild von der Umgebung. Dadurch ist sie in der Lage, eine Mücke von einer Fliege zu unterscheiden.

Fledermäuse gibt es bereits seit 50 Millionen Jahren. Sie sind die einzigen Säugetiere, die nicht nur in der Luft gleiten, sondern selbst "aktiv" fliegen können. "Außerdem stehen sie den Primaten nahe und sind somit ein kleiner Verwandter des Menschen", erklärt Biologe Tom Wegner. Entgegen der weitläufigen Meinung besitzen Feldermäuse keine Flügel, sondern Arme. "Und der ist gebaut wie der des Menschen, nur dass er komplett mit einer Flughaut bespannt ist", erläutert Peter Boye vom Bundesamt für Naturschutz.

Der Spätsommer ist für die Fledermäuse Schwärmzeit. Boye: "Sie suchen jetzt nach geeigneten Winterquartieren." Wo die Tiere genau herkommen, ist unbekannt. "Wir wissen, dass sie tagsüber unter anderem in Baumhöhlen Unterschlupf finden, können aber nicht sagen, ob die sich hier oder vielleicht an der Ahr befinden." Eine Zwergfledermaus zum Beispiel ist in der Lage, in einer Stunde 15 Kilometer zurückzulegen. Nur von Wasserfledermausmännchen wissen die Forscher, dass sie den Sommer in den Kaulen verbringen.

"Erstmals nachgewiesen wurden die Fledermäuse in den Ofenkaulen bereits in den 30er Jahren", weiß Revierförster Stephan Mense. Bis in die 60er Jahre widmete sich das Museum König deren Erforschung. "Dann wurde aufgegeben, weil sich die Bestände immer weiter dezimierten." Mehr durch Zufall wurde vor einigen Jahren entdeckt, dass sich Fledermäuse wieder in den Ofenkaulen heimisch fühlen.

Seitdem bemüht sich der Verkehrs- und Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS) um den Schutz der bedrohten Tiere. "Immer wieder machen Höhlenabenteurer verbotenerweise die Stollen unsicher und stören dabei die Fledermäuse", sagt VVS-Vorsitzender Herbert Krämer. Schlimmstenfalls kann das zum Tod der Tiere führen. Krämer appelliert daher, die Stollen nicht zu betreten.

Wer sich die Ofenkaulen anschauen möchte, kann dies bei einer geführten Wanderung des VVS am 28. Oktober tun, Telefon (02 28) 21 30 06.

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