GA-Serie "Rheinische Redensarten" Me moss och jönne könne

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

 Man muss auch gönnen können.

Man muss auch gönnen können.

Foto: GA-Grafik

Es gibt kaum eine Redensart, die so pointiert und treffend die Gelassenheit und Genügsamkeit des Rheinländers erläutert, wie diese: „Me moss och jönne künne.” Rein von den Vokabeln her, dürfte der Nichtmundartsprecher kaum Schwierigkeiten mit dem Verständnis haben. Der Vollständigkeit halber sei der Satz ins Hochdeutsche übersetzt mit: Man muss auch gönnen können.

Das Rheinland ist katholisch geprägt, und so sind auch die sieben Todsünden der klassischen Theologie hier ein Begriff. Sie bezeichnen die schlimmsten Charaktereigenschaften, die den Menschen unweigerlich von Gott trennen. Es sind Hochmut, Geiz, Begehren, Jähzorn, Völlerei, Neid und Faulheit. Die Liste der sogenannten Hauptlaster ist sofort nachvollziehbar. Ganz besonders häufig im Alltag anzutreffen ist der Neid. Der Nachbar hat das größere Haus, der Kollege das größere Auto, der Freund die hübschere Frau.

Die Liste der möglichen Neidgegenstände könnte endlos fortgesetzt werden. Wer zu solcherart Neidkomplex neigt, wird ein unruhiges Leben führen, und nicht zu einer ausgewogenen Zufriedenheit gelangen. Dabei ist der Neid eine in sich widersprüchliche Gefühlsdisposition, denn die Logik müsste uns vor Augen führen, dass es immer noch etwas Besseres, Größeres, Teureres, Begehrenswerteres gibt.

Der Appell, vom Neid abzulassen ist folglich nicht nur ein Aufruf zur Einhaltung göttlicher Gebote, sondern eine Empfehlung, die der eigenen, selbstbestimmten Lebensführung dient. Oder anders gesagt: Es beschreibt eine Empfehlung, der der Mensch aus Liebe zu sich selbst folgen sollte. Es ist also eine weitreichende Erkenntnis, die jedem weiter hilft. Übrigens hat die Jugend von heute, das schon erkannt. Als heißer Anwärter für die Auszeichnung als Jugendwort des Jahres gilt schon länger das Wort „Gönnung”. Besser und kürzer kann man es wohl nicht ausdrücken.

Haben auch Sie einen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns an rheinisch@ga.de.

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