Maßschuhe Größe 40 und sein Haus en miniature

Vor 50 Jahren gratulierten die Bürger seiner Wahlheimat Konrad Adenauer zum 80. Geburtstag - Die Präsente reichten von der Dauerwurst bis zum Fackelzug der Vereine - Am Donnerstag ist Gedenkfeier

Bad Honnef. Ob Konrad Adenauer jemals hoch zu Ross in die Rhöndorfer Pfarrkirche Sankt Marien hat einziehen wollen, ist nicht überliefert. Hätte er aber dürfen, und zwar als Träger des "Ordens vom Goldenen Sporn", den ihm Papst Paul IV. 1963 verliehen hatte. Ob's die Rhöndorfer gewundert hätte? Wohl kaum. Die waren von "ihrem Conny" ja so einiges gewohnt.

Schließlich war der Ehrenbürger Bad Honnefs nicht "nur" erster Bundeskanzler, sondern Vater innovativer, bisweilen in der Rückschau gar erheiternder Patente wie der "von innen beleuchteten Stopfkugel" - ein praktisch denkender Mann halt, dieser Adenauer, der heute vor 130 Jahren in Köln das Licht der Welt erblickte.

Erfinderischer Geist, Querkopf durchaus, Rhetoriker rheinischster Prägung - "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" -, aber auch ein Rhöndorfer Wahlbürger aus Überzeugung war er, wie sein legendärer Streit um eine Seilbahn vom Ziepchen bergan belegen mag.

Beredter Beweis für die Verbundenheit zu dem Fleckchen Erde am Fuße des Drachenfels jedenfalls ist seine Reaktion auf jene Geburtstagsgrüße, die ihm zum 80. die Bürger geradezu in Scharen überbrachten. "Ich bin und bleibe ein Mitbürger von Ihnen. 20 Jahre wohne ich jetzt in Rhöndorf. Ich weiß, es ist zwar schwer, Rhöndorfer zu werden. Aber diese Glückwünsche zeigen mir, dass ich die Probe bestanden habe", zitierte ihn seinerzeit die Honnefer Volkszeitung.

Exakt 50 Jahre ist das nun her. Vergessen ist der "Alte von Rhöndorf" nicht, weder politisch, noch als Mensch, der 1916 die Sojawurst ersann - einfach, weil Fleisch knapp war in jener Zeit. Und auch an diesem 5. Januar werden an seinem Grab auf dem Waldfriedhof, wo er nach seinem Ableben am 19. April 1967 zur letzten Ruhe geleitet wurde, viele seiner gedenken.

Nur wenige Meter Luftlinie entfernt, vor seinem Wohnhaus oben am Zennigsweg, hatte Adenauer vor einem halben Jahrhundert die Glückwünsche zum 80. Wiegenfest empfangen. Seinerzeit war der politische Stern des langjährigen Kölner Oberbürgermeisters (1917 bis 1933 und 1945), der für seine Überzeugung wider das NS-Regime im Dritten Reich zweimal mit der Haft Bekanntschaft machte, noch nicht gesunken.

Politische Vermächtnisse unter anderem: Die Freilassung der letzten in sowjetischer Gefangenschaft lebenden Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg 1955 sowie die Aussöhnung mit Frankreich, die im Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrag mündete. Aber auch das war Adenauer: Spiegel-Affäre, Verteufelung der Opposition und schließlich der Kampf um seine Nachfolge, der 1963 in seinem Rücktritt gipfelte.

Aber nicht folgenschwere politische Entscheidungen, getroffen an jenem Schreibtisch oberhalb Rhöndorfs, standen in den Tagen um den 5. Januar 1956 im Zentrum. Wohl aber Adenauers Verbundenheit zu Rhöndorf und zu den Menschen dort, die scheinbar keine Einbahnstraße war, wie die Überlieferung zum Fest und zu den Präsenten nahelegt.

Stehvermögen war dem damals schon betagten Politiker, der nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst Vorsitzender des Parlamentarischen Rates war und am 15. September 1949 - mit lediglich einer Stimme Mehrheit - zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt wurde, in der Tat nicht abzusprechen.

Neun Stunden dauerte die Gratulationscour im Palais Schaumburg, bei der am ehesten Franz-Josef Strauß mit einem echten Löwenbaby samt bayerisch weiß-blauem Band um den Hals den Vogel abschoss. Oder doch nicht? Von bleibendem Wert ist das Geschenk, das die deutschen Bischöfe, allen voran der legendäre Kölner Josef Kardinal Frings, ersonnen hatten: neue Kirchenfenster, entworfen vom Honnefer Eduard Horst, für die im Krieg zerstörte Rhöndorfer Pfarrkirche, die Adenauer ja so oft besuchte.

Während sich Leckereien aus deutschen Landen vom Schinken über Dauerwurst bis zum Wein, überreicht von Gratulanten aus dem In- und Ausland, in Bonn noch getürmt haben dürften, stand am Wohnort unter anderem eine beeindruckende Feier im Zentrum - schulfrei für die Kinder inklusive. Ein Fackelzug der Ortsvereine, ein Hochamt zu Ehren des Gratulanten, gestiftet vom Bürgerverein und gestaltet unter anderem vom Kirchenchor Sankt Marien, der als Ständchen "Lobet den Herrn" zum Besten gab. . .

Dies alles, aber auch die Präsente zum 80. sind via HVZ verbrieft. Dieses mag der praktisch denkende Kanzler besonders geschätzt haben: Die Schuhmachervereinigung Honnef-Rhöndorf-Selhof übergab Maßschuhe. Größe 40.

Weit länger getüftelt haben dürften seinerzeit die Aktiven des Modelleisenbahnclubs Rhöndorf. In 400 Stunden Arbeit schufen sie ein detailgetreues Modell des Adenauer'schen Wohnhauses samt Außenbeleuchtung en miniature. Selbst die Madonna über dem Hauseingang und die vom Geburtstagskind so geliebten Rosen fehlten nicht.

Bewegt haben dürfte es Adenauer, der auch Ehrenbürger von Berlin, Köln, Trier und Baden-Baden ist, denn auch besonders: "Ganz Rhöndorf ist eine Familie", so ein Zitat. Sein Wunsch, den er anfügte, sollte denn auch in Erfüllung gehen: "Ich hoffe, dass ich bis zu meinem Lebensende unter Ihnen bleiben darf."

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