Langsame Reife bringt tolle Aromen

Zur Überraschung der Winzer sind die Trauben trotz des Regens gesund geblieben - Die Arbeit in den Steillagen der Ahr ist besonders mühsam

  Mühsame Arbeit  in der Steillage "Alte Ley": Winzer Jörg Röcker schleppt Trauben im "Esel" bergan.

Mühsame Arbeit in der Steillage "Alte Ley": Winzer Jörg Röcker schleppt Trauben im "Esel" bergan.

Foto: Vollrath

Kreis Ahrweiler. "Die Trauben haben den feuchten Sommer gut überstanden, wenn auch kein Winzer genau weiß, woran es liegt." Elmar Sermann, Kellermeister des Weinguts Brogsitter, hat alle Hände voll zu tun.

Auf dem Hof des Betriebs in Walporzheim steht die Traubenpresse, Schlauchverbindungen führen kreuz und quer zu den Gärbehältern. In den Tanks im Innern der Halle lagert bereits fertiger Wein. Die meisten Tanks werden abgekühlt, die neuen elektrisch, über die alten im Keller rieselt Wasser. Der größte Teil der Ernte ist eingefahren und verarbeitet. Was jetzt noch draußen hängt, sind Spezialitäten.

Etwa der Spätburgunder und Portugieser an der "Alten Ley" über Walporzheim. Die Steillage mit ihren zahllosen kleinen und kleinsten Terrassen ist nicht flurbereinigt. An einigen Stellen sind die betagten Reben um die Stöcke gedreht, meist wachsen sie aber an Drahtgerüsten. Mit sechs Helfern ist Ralf Berg dort bei der Lese. Wie in alter Zeit tragen Jörg Röcker und Olaf Muhs die großen grünen Kiepen. Die werden an der Ahr auch Esel genannt, was angesichts der Fracht von jeweils 40 bis 50 Kilo Traubenlast sinnfällig ist.

Für lange Gespräche ist im Wingert keine Zeit. Man hört nur das eifrige Schnippen der Traubenscheren und den Verkehr von der Umgehungsstraße im Tal. Konzentriert und vorsichtig bewegen sich die Helfer auf dem verwitterten losen Schiefergestein im Steilhang.

Glücklicherweise sind die Reihen auf den alten Terrassen noch quer zum Berg gezogen, so finden die Füße trotz der Schräge Halt. In flurbereinigten Wingerten verlaufen die Reihen meist senkrecht zum Berg, so dass man leicht abrutschen kann. "Nach der Lese in Dernau konnte ich am Abend nur noch auf dem Hosenboden den Berg runter rutschen", berichtet eine der Helferinnen.

Vom Eimer in die Kiepe

Die Frauen sammeln die Trauben in Plastikeimern und entleeren sie in die Kiepen der Männer. Bei den Lagen oberhalb des Weinbergswegs ist das noch einfach, weil die Männer sich an die Mauer stellen können, um die Last aufzunehmen. Anders ist es in den Lagen unterhalb des Weges, weil die Männer dann mit runter in den Wingert und mit jeder Ladung über die zwar malerischen, aber doch sehr engen Weinbergstreppen mit ihren unterschiedlich hohen Stufen hoch klettern müssen.

Halt geben allenfalls die Weinbergspfähle. Geleert wird die Fracht in Bütten, die auf Wägelchen am Wegrand bereit stehen. Mit insgesamt 2 500 Kilo Trauben rechnet Berg aus den Parzellen an der Alten Ley. Das ergibt 2 000 Liter Rebensaft, je 1 000 Liter Portugieser- und Spätburgunderwein.

Auf den Querterrassen in der Steillage kann die Sonne die Trauben optimal bescheinen, das bringt Öchslegrade. Damit der Wein noch besser wird, hat das Weingut die Erträge drastisch reduziert. "Theoretisch könnten wir die dreifache Menge erzielen, das wollen wir aber nicht, wir arbeiten auf Qualität", berichtet Berg. Qualität liefern allerdings nur kräftige Triebe mit gesunden Blättern. "Alle schwachen Triebe schneiden wir schon im Sommer raus", erklärt der Winzer.

Während sich die Blätter am Portugieser rot färben, nimmt das Laub des Spätburgunders gelbe Farbtöne an. Darum wirken die kleinen Weinterrassen zurzeit besonders malerisch. Aus Inschriften auf alten Steintafeln schließt Kellermeister Sermann, dass die Terrassen an der Alten Ley etwa um das Jahr 1872 gebaut worden sind.

Damals ließ sich mit Wein von der Ahr schon gutes Geld verdienen. "Vom Erlös einer Flasche konnte man vier Arbeiter beim Mauerbau einen Tag lang bezahlen", berichtet Sermann. "Die Mauern wurden aus dem Gestein des Hanges aufgeschichtet, aber der Fels in der Walporzheimer Gegend ist sehr weich und brüchiger als an anderen Stellen an der Ahr."

So sacken die malerischen alten Mauern nach und nach zusammen. Für Sermann eine "tickende Zeitbombe". Zwar könne die Sanierung mit 80 Prozent bezuschusst werden. "Aber die öffentlichen Kassen sind leer."

Für die Alte Ley war 2004 mit ausreichendem Regen ein guter Jahrgang, besser als das Sonnenjahr 2003, wo in den Schieferlagen das Wasser fehlte. Dabei reiften die Trauben langsam, blieben lange im Wingert, was außer guten Öchslegraden eine sehr gute Aromatik zur Folge hatte. "Die kühlen Nächte und die relativ warmen Tage haben dem Wein einen tollen Fruchtgehalt gebracht", schwärmt Sermann. Die besten Tropfen will er in Barriques zur Vollendung führen. 20 funkelnagelneue kleine Fässer aus Frankreich stehen schon bereit.

Weinjahr 2004

"Sehr zufrieden" mit dem Weinjahr 2004 sind auch die Chefs der großen Genossenschaften, Ernst Bender und Rudolf Mies. Bei der Ahr Winzer eG sind bereits 80 Prozent der Ernte eingebracht, berichtet Bender. Die Lese war problemlos, nur selten regnete es oder mussten faule Trauben aussortiert werden. "Es ist rundum ein Herbst, der in die Landschaft passt", sagt Bender.

Die Trauben sind gesund, und das Mostgewicht liegt durchgängig auf einem guten Niveau, beim Spätburgunder zwischen 80 und 100 Grad Öchsle. Der Frühburgunderwein hat sich bereits harmonisch entwickelt. 50 Prozent der Ernte hat die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr bislang eingebracht, berichtet Mies.

Portugieser, Domina, Dornfelder und Frühburgunder sind komplett gelesen. Beim Spätburgunder gab`s mehrere besonders gute Partien, die separat ausgebaut werden. 30 neue Barriques stehen bereit. "Vor sechs Wochen hätten wir nicht gedacht, dass wir so gesundes und hochwertiges Lesegut bekommen", sagt Mies. So können die Rieslingtrauben noch einige Tage hängen bleiben.

Die Menge bezeichnet der Geschäftsführer als durchschnittlich, die Qualität als überdurchschnittlich und im "Bereich der Auslese". 1,5 Hektar bleiben für Eiswein hängen.

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